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Reiseblog

Die ersten Bilder aus dem Fotoblog unserer dritten Delegation in Sierra Leone

Freudiges Wiedersehen mit Mr. Faundu: Der erste Weg unserer kleinen Gruppe führt zum Schulgelände. Unterwegs treffen wir den Pfarrer der Magbenteh Community

Gemeinsame Pfade: Mr. Faundu erklärt sich bereit uns zur Baustelle der künftigen Boarding School zu begleiten. Während wir dem vom Regen noch feuchten Weg folgen, nimmt sich der Gemeindepfarrer die Zeit, uns von der aktuellen Lage der umliegenden Dörfer zu berichten.

Sicher und trocken: Mit der bereits im März eingeweihten Brücke sollen die Schüler trockenen Fußes den Unterricht erreichen können.

Belastungsprobe: Besonders während der "Wet Season" beweist die Konstruktion ihren unschätzbaren Wert. Die Delegation lässt es sich nicht nehmen, diese zum ersten Mal innerhalb der Regenzeit zu nutzen.

Neugierige Blicke: Starke Schauer verzögern zwar die Fertigstellung der Schule, das hindert jedoch nicht die Kinder daran, sich das Gelände einmal näher anzuschauen.

Gemeindepfarrer Mr. Faundu schaut sich mit der Delegation die Fortschritte auf der Baustelle an.

Gemeinsamer Rundgang: In einigen Wochen sollen hier bereits die ersten Schüler unterrichtet werden.

Unweit der Straße doch mitten im Grünen: Der Standort der Schule ist wohl gewählt.

Ganz ohne Klimaanlage: Die ausgeklügelte Konstruktion erlaubt es auch im Hochsommer einen kühlen Kopf zu bewahren. So können die Schüler auch bei Temperaturen von über 30 Grad dem Unterricht folgen.

Was möchte sie mir sagen? Hannas Herausforderungen als Teil der Kommunikations-Gruppe.

Am Ende eines langen Tages begleitet uns Mr. Faundu zurück ins Magbenteh Community Hospital - unserem Zuhause für die kommenden Wochen.




Wie uns der Stillstand durch Regen zu neuer Inspiration verhalf

… und die ruandische Art der Verhandlungsführung verwirrte

18.05.2016

Wenn du diesen Blogeintrag liest, sind Carla und ich schon seit wenigen Tagen wieder in Deutschland und eine Delegation mit Jakob, Jan, Nick und Philipp ist schon nach Sierra Leone geflogen. Dennoch möchte ich noch ein paar Dinge über die zweite Hälfte meiner Zeit in Ruanda mit euch teilen.
Nach Alex’ Abreise blieb uns noch eine gute Woche um weiter Kooperativen für Imago zu treffen, beim Mukarange District vorbeizuschauen und nach Kiruhura zu fahren.



Der Mukarange District liegt im Norden Ruandas und das Verwaltungsgebäude, welches vielleicht vergleichbar mit einem unserer Landtage ist, befindet sich ca. 2 Stunden Autofahrt von Kigali entfernt. Bisher hatte ich nur die pulsierende Stadt mit all ihren verrückten Motos und recht lauten Straßen gesehen, sodass es mich überraschte bereits außerhalb der Metropole grüne Felder auf diversen Hügeln zu sehen. Es war als seien wir binnen weniger Minuten in ein anderes Land gereist, obwohl wir natürlich immer noch in Ruanda waren. Kein Wunder, dass es den Beinamen „Land der 1000 Hügel“ trägt. Es hat ihn wirklich verdient. Die gut asphaltierte Straße schlängelte sich vorbei an saftig grünen Tälern sowie Tee- und Zuckerrohrplantagen. Allein der einsetzende Regen lenkte uns von der phänomenalen Aussicht ab, weil er uns nötigte die Frontscheibe in regelmäßigen Abständen von innen zu wischen. Emmanuels Auto besaß trotz Ledersitzen und Luxusausstattung keine funktionierende Frontscheibenbelüftung. Doch das Auto will er bald verkaufen. Er hat festgestellt, dass sich Gewinn daraus schlagen lässt, ein Auto etwas teurer zu verkaufen, als man es selbst eingekauft hat.
Von diesem wirtschaftlichen Geschick ließ sich in Kiruhura hingegen nur träumen. Doch dazu später mehr.
Unser Treffen zur Besprechung des weiteren Vorgehens bezüglich der schon gebauten Krankenstation und des noch in Planung stehenden zweiten Gebäudes verlief verhältnismäßig unspektakulär: Wir saßen in einem Büro gefüllt mit einem überdimensional großen Schreibtisch sowie einer großen Ledergarnitur. Bevölkert von zwei weißen und zwei schwarzen Frauen und Emmanuel natürlich mitten drin. Nach einer höflichen Begrüßung in Englisch und Carlas Vortrag unseres Anliegens wechselte die ganze Diskussion ins Kinarwandische. Emmanuel schien in sich ruhend und dennoch wild gestikulierend zu erklären, warum denn der Health Post gerade in Kiruhura und nicht in einem anderen Dorf erweitert werden müsse. Leider beschränkte sich unser Verständnis dieser Unterhaltung auf die Körpersprache der drei Offiziellen. Schließlich wechselten sie wieder ins Englische und verkündeten, dass die Sache geklärt sein und wir selbstverständlich eine Zahnklinik und oder eine Augenklinik in Kiruhura bauen könnten. Zufrieden und meinerseits doch ein wenig verwirrt, verließen wir das kühle Gebäude und fuhren für ein paar Bruschet (Fleischspieße aus Muskelfleisch oder Hoden) und Kartoffeln zu einem Imbiss. Schon spannend, wie dieses doch sehr offizielle Gespräch verlaufen war. Ganz klar, in Deutschland werden Dinge irgendwie komplizierter gemacht. Zum Glück schien Carla aber doch auch noch die deutsche (ist es wirklich „deutsch“ Dinge auf Papier festhalten zu wollen?) Denkart innezuhaben, sodass sie noch vor dem Ende unseres Treffens um ein von allen unterschriebenes Protokoll gebeten hatte. Denn das Gefühl, dass wir wirklich etwas beschlossen hatten, hatte ich noch nicht. Wie dem auch sei, wir hatten ein erstes „Go!“, das uns dazu antrieb, weiteren Research zu betreiben.

Am nächsten Tag regnete es. Ja, es regnete wirklich den ganzen Tag, und es schüttete nur so aus Eimern, was umso weniger zum Trocknen unserer frisch gewaschenen Wäsche beitrug. Um zu verstehen, was für ein Drama das ist, muss man wissen, dass Carla keine frischen Klamotten mehr hatte und wir ca 2 Stunden damit verbracht hatten unsere Wäsche mit der Hand in einer sehr großen gelben Schüssel zu waschen. Nicht nur schaffte es Carla dabei mit einer diebischen Freude mich und alles um uns herum nass zu spritzen, sondern wirkte auch mein Waschmittel aus Omas Zeiten nicht mehr so reinigend wie erhofft.
Regnet es hier, herrscht erst einmal Stillstand. So lange, bis es aufhört und man sich nicht mehr wegen der eventuell nass werdenden Klamotten erkälten kann. Da es aber wirklich sehr lange regnete und wir ohne Internet feststeckten, nutzten wir die Zeit um hochproduktiv auf unseren Betten rumzulümmeln. Es mag vielleicht nicht so klingen, aber wir waren wirklich sehr produktiv dabei! Es kamen uns nämlich Ideen zu neuen Projekten. Angefangen bei der recht abstrakten, dass man die Wucht des Regens doch in irgend einer Art und Weise zu Strom verarbeiten können müsste, bis hin zu der Idee Einrichtungen zu schaffen, die es Frauen ermöglichen zu erfahren wie ihr eigener Körper funktioniert und wie sie bei einem regelmäßigen Zyklus zumindest auf natürliche Weise verhüten könnten. Darüber hinaus träumten wir von einem weltweiten Permakulturprojekt und ließen unseren Gedanken einfach freien Lauf.
Der nächste Tag ging dann allerdings wieder sehr handfest und wenig träumerisch voran. Wir fuhren zu zwei verschiedenen Initiativen (Körbe und Textilien) um extra für Imago angefertigte Beispielsarbeiten zu besprechen und abzuholen, und trafen uns anschließend für eine Besprechung mit Emmanuel. Die folgenden Tage waren in erster Linie mit Treffen dieser Art gefüllt. Lediglich der Sonntag mit seinem vierstündigen Gedenkgottesdienst an den Genozid und unser Ausflug nach Kiruhura stellten eine Besonderheit dar.


Die zweite Delegation für Sierra Leone dieses Jahr

Dieses mal als Fotoblog

17.05.2016

Sierra Leone - Projektreisen sind wichtig um Projekte anzustoßen und bestehende Projekte weiter zu forcieren. So weit, so gut, für jeden einzelnen Teilnehmer der Delegation geht es aber auch um persönliche Momente und Eindrücke von Land und Leuten. Diesmal wollen wir euch mit einem Fotoblog so nah wie möglich daran teilhaben lassen. Viel Spaß und ‪#‎staytuned‬

Bilder unserer Delegation in Sierra Leone

Die Delegation der zweiten Reise nach Sierra Leone in diesem Jahr: (von links nach rechts)
Philipp Skatulla, Jakob Skatulla, Simon Nicolas Aschoff, Jan Reinersmann. Wie man sieht, sind Philipp und Jakob Brüder.

Die Reisegruppe wird durch Verena ergänzt. Sie ist Architektur- Studentin und wird die Baustelle mit ganz anderen Augen sehen als wir. Sie möchte ihre Masterarbeit über Architektur und Bauprojekte in Westafrika schreiben und begleitet uns. Dabei versucht sie ihre professionelle Perspektive in unsere Arbeit mit einzubringen und ergänzt die Gruppe perfekt.

Unsere erste Nacht verbrachten wir in einem Schlafsaal einer Schule von EducAid, einem Partner unseres Boarding School Projektes.

Am nächsten Tag hatten wir ein Meeting mit der Landesdirektorin von EducAid und einem Vertreter von SOS Kinderdörfer. Wir besprachen wie Schulkinder in Sierra Leone für eine Schule ausgewählt werden, wie man ihre Unterrichtsteilnahme sicher stellt und wie Unterricht und Inhalte gestaltet werden.

Am zweiten Tag stand dann der Besuch der Baustelle der Boarding School an.
Hier die Brücke, die aufs Gelände führt, das eine kleine Insel umgeben von einem Sumpfstreifen ist. Segen und Problem zugleich, denn der Sumpf schützt vor ungewollten Eindringlingen und Dieben, macht die Bauarbeiten aber etwas komplizierter.
Bilder von der Baustelle bekommt ihr in den nächsten Tagen. Seid gespannt!

Das sind die kleinen Wasserflaschen in Sierra Leone. Anstatt aus 0,5l PET-Flaschen trinkt man hier aus kleinen Plastiktüten. Problem ist der Müll, der dabei entsteht und überall in der Natur rum liegt. Das war der Grund für einige lokale Studenten, ein Unternehmen zu gründen, das die Plastiktüten aus der Natur aufsammelt und zu Pflastersteinen presst und somit beständiges Material für Wege und Auffahrten liefert.




Viele interessante und inspirierende Begnungen

Und ein Abschied

29.04.2016

Hi! Ich bin Pia, 23 und bin seit knapp 3 Tagen in Kigali, Rwanda. Pia

Zum ersten Mal ging es für mich vor ein paar Tagen nach Afrika. Unglaublich, aber wahr: Es braucht es nur 14 Stunden und zwei Flugzeuge, um von Deutschland nach Rwanda zu kommen. Nach einer Zwischenlandung am unglaublich süßen Flughafen in Addis Abeba betrete ich zwei Stunden später zum ersten Mal rwandischen Boden in Kigali. Es sind ca. 27°C, die Luft ist feucht und ich werde von zwei strahlenden Gesichtern erwartet: Carla und Alex holen mich beide ab und geleiten mich schnurstracks zu den “Motos”, mit denen wir uns auf den Weg zu unserem Gästehaus machen. Was für ein Ankommen! Mit dem großen Rucksack auf dem Rücken und einem viel zu großen Helm auf dem Kopf rasen wir an Hochhäusern und kleinen Häusern mit Wellblechdach vorbei. Auf den Straßen herrscht leichtes Chaos, welches sich aus diversen Motorrädern, Autos und Lastwagen zusammensetzt. Und obwohl ich die mahnenden Worte meines Vaters bezüglich langer Kleidung und festen Schuhen beim Motorrad fahren im Ohr habe, kommen wir trotz Sommerklamotten heile und ohne Sturz an. Wir sind jetzt schon gespannt auf das Treffen mit Rose bezüglich IMAGO in den nächsten Tagen.

Sehr farbenfroh! Ob Rose nun selber Körbe und Taschen produziert oder eine Gruppe von Frauen repräsentiert, wissen wir selbst nicht genau. Sie erklärt es uns leider auch nicht, weil sie zum vereinbarten Treffen nicht auftaucht. Da wir aber schon aufbruchsbereit waren, fuhren wir dennoch ins Stadtzentrum und anschließend zum Gemeindezentrum der Presbyteriene Church of Rwanda. Dort war vereinbart, Kunsthandwerk (Körbe, Taschen, Schmuck...) von 16 verschiedenen Kooperativen anzusehen. Leider treffen wir auch von diesen niemanden an, da vergessen worden war das Ganze zu organisieren. Emmanuel, der die Planung übernehmen wollte, schafft es dann aber, dass wir noch zwei der Frauen zu Hause besuchen konnten, um uns anzuschauen, wie und unter welchen Umständen sie arbeiten.


Zur ersten Frau gehen wir zu Fuß. Ihr Haus befindet sich in einer Siedlung direkt hinter der Kirche. Die meisten Deutschen würden sich darunter vielleicht hübsche Reihenhäuser mit Vorgarten und Garage vorstellen, die Realität hier sieht dagegen anders aus: Sobald wir das Kirchengelände verlassen, haben wir staubig roten Lehmboden unter den Füßen und sind umringt von Kindern und Frauen, die entweder vor Alex‘ Kamera positionieren oder sich vor ihr scheuten. Ein kleiner Markt, bestehend aus Wellblechhütten und zusammengeflickten Ständen auf denen Kohle, Gemüse oder Früchte verkauft wurden, begegnet uns als nächstes. Viele der Frauen tragen ihre Waren auf dem Kopf und schauen uns ganz interessiert an.

Alphonsine, die Frau, die aus Perlen und kleinen Holzplättchen Taschen fertigt, geht voran und führt uns über den unebenen Boden durch kleine Gassen zwischen Lehmhäusern hindurch. Kinder und neugierige Blicke, gefolgt von “Amakuru” oder einem “How are you?” begleiten uns. Vor dem Lehmhaus, in dem sie wohnt, sitzen fünf Kinder, von denen eins ein wirklich sehr knuffiges Baby ist, ich hab mich sofort verliebt.

Alphonsie In ihrem Haus werden dann alle Sitzgelegenheiten zusammengesucht, sodass wir uns setzen können. Im ansonsten leeren Wohnzimmer ist es stockdunkel, weil vor dem 30x30cm großen Fenster ein Vorhang hängt, den die Frau allerdings schnell beiseite zieht. Obwohl nun ein wenig Licht in den Raum fällt, ist es nach wie vor recht schummrig. Auf unsere Bitte, uns zu zeigen, wie sie arbeitet, wirft sie eine Bastmatte auf den Boden und setzt sich breitbeinig, sodass ihr hübsches grünes Kleid weit fällt. Dann nimmt sie die Perlen in die Hand und zeigt uns, wie sie diese auf einen Nylonfaden auffädelt und verknotet. Carla zeigt Interesse und hat unter Anleitung schnell selbst die Fäden und Perlen in den Händen. Ein Weilchen verbleiben wir bei ihr, damit Alex fleißig Bilder machen kann, und machen uns dann auf den Weg zu Josepha, einer weiteren Kunsthandwerkerin. Während wir den Hügel durch die kleinen Gassen wieder hinaufgehen, erzählt Emmanuel, dass Alphonsine ihn vor einiger Zeit nach Medikamenten zur Schwangerschaftsverhütung (also der Antibabypille) gefragt hat und hakt nach, ob wir so etwas besorgen können, weil die Familie ein weiteres Kind finanziell nicht tragen könnte.

Im Laufe des Gesprächs merkt Carla an, dass auch die Antibabypille für die Frauen nicht bezahlbar ist und fragt, ob die Frauen hier überhaupt wissen, wann sie besonders fruchtbar sind und wie ihr Zyklus funktioniert. Laut Emmanuel ist das Wissen darüber sehr gering, obwohl er so genannte “Familiy planning lessons” gibt. Bei uns kommt in diesem Kontext die Frage auf, wie man die Frauen und auch Männer besser informieren könnte, sodass sie mehr über ihren Körper erfahren und zumindest auf natürliche Verhütungsmethoden zurückgreifen können.

Obwohl dieser Tag um kurz nach 18:00 Uhr mit dem Einbruch der Dunkelheit zu Ende geht, fahren wir noch zu Josepha, um dort bei Kerzenlicht handgemachte Körbchen und handgeschnitzte Figuren anzugucken. Alex und seine Kamera sind zwar ziemlich unzufrieden mit dem schlechten Licht, sie geben sich dann aber doch mit dem der Handytaschenlampen zufrieden

Nach getaner Begutachtung der potentiellen Produkte für Imago geht es wieder zurück nach Kigali City.




Dienstag ist Alex’ letzter Tag. Noch bevor wir uns einige weitere kunsthandwerkliche Dinge ansehen wollen, sind seine Taschen gepackt. Zu seinem Unglück beginnt es aber in Strömen zu regnen, nachdem wir die Produkte (inklusive eines Bademantels und Laptoptaschen) bestaunt und fotografiert haben. Regen gilt hier als allgemein anerkannte Entschuldigung, um gar nicht oder viel zu spät irgendwo aufzutauchen. Alex hingegen freut es wenig, dass es direkt vor seinem Reiseantritt wieder anfängt zu regnen und nicht den Anschein macht weniger zu werden, denn ohne Auto sitzen wir fest. Zum Glück hat Emmanuel sein Auto noch nicht verkauft und kann uns zum Flughafen fahren. Dort wird Alex’ Gepäck von einem recht zerzausten Spürhund auf Sprengstoff untersucht und schließlich ohne anschlagendes Gebell zum Check-in gelassen.

Damit ist Alex wieder auf dem Weg nach Deutschland. Carla und ich halten die Stellung in Ruanda und freuen uns auf viele weitere spannende Erlebnisse.


Ruanda, meine zweite Heimat.

Hier wollen wir neue Projekte fördern.

19.04.2016

Hallo zusammen, wir sitzen gerade in Kigali - haben uns hier einen Platz gesucht, an dem wir eine zuverlässige Internetverbindung haben und wollen euch davon berichten, wie es uns in unseren ersten Tagen hier in Ruanda ergangen ist. Seit knapp fünf Tagen sind wir als erste L'appel Delegation 2016 in Ruanda.
Los ging es in Mainz, wo Alex und ich uns getroffen haben, um von dort aus ab Frankfurt über Addis Abbeba nach Kigali zu reisen.

Wer wir sind?

Ich bin Carla - Ruanda ist seit vielen Jahren und in vielen seiner Facetten ein bekanntes Land für mich, ich genieße Land, Sprache und Menschen. Als wir am Donnerstag vom Flughafen in unsere Unterkunft, das Isano Gästehaus, gefahren sind, hatte ich den Eindruck nie weg gewesen zu sein: die vertrauten Straßen und bekannten Gerüche mischten sich mit einer gewissen Vorfreude und Aufregung auf die nächsten drei Wochen hier.
Mit dabei ist Alex, den kennt ihr schon von der großen Sierra Leone Delegation 2015. Der Journalist von koon arts ist uns als L'appel verbunden geblieben und ist jetzt mit mir nach Ruanda gereist. Für ihn ist es mal wieder ein neues Land mit spannenden Geschichten. Für uns bedeutet das, mal wieder wunderschöne Aufnahmen in Bild und Ton zu erhalten und das von einem Menschen, der es gewohnt ist, Fragen zu stellen und so neue Perspektiven aufzuwerfen.
Nach etwa der Hälfte der Zeit wird Pia noch zu uns stoßen, aber von ihr erfahrt ihr dann selbst mehr.

Diese Reise wird aller Voraussicht nach nicht die einzige sein, die wir dieses Jahr nach Ruanda antreten, und dennoch, oder gerade deshalb, ist es eine besondere. Wie ihr wisst, wurde Ende letzten Jahres der Health Post in Kiruhura eröffnet, unser erstes Projekt vor Ort also (zunächst) abgeschlossen.

Neue Projekte klopfen an die Türe und es gibt Kapazitäten, denen wir in den nächsten drei Wochen ein Gesicht geben wollen: Eine Reise also, die gezeichnet ist von Planungsarbeit und offenen Ohren und Augen um Appelle zu sammeln. Ein Projekt, das während der letzten Reise sein Gesicht bekommen hat steht jetzt im Fokus: Die Imago Manufaktur. Hier werden wir Kooperativen besuchen und Gespräche führen.

Doch zurück ins Hier und Jetzt: 5 Tage sind wir schon im Land, wohnen im Isano Gästehaus und teilen uns ein Zimmer mit Jad, einem Freund den ich schon aus früheren Ruanda-Besuchen kenne.
Unserem Dreiergespann haftet übrigens die Beschreibung des interreligiösen Trios an, schließlich sind wir streng genommen eine Christin, ein Moslem und ein Jude, die hier gemeinsam durch das Land ziehen. Etwas das Emmanuel, unser Projektmanager und langjähriger Partner, nie zu erwähnen vergisst!

Nachdem wir bei der ersten Fahrt in die Innenstadt Alex fast in den Straßen Kigalis verloren hatten, ist mittlerweile die Beschäftigung “mit dem Moto durch die Stadt flitzten” elementarer Teil unserer Tage. Den ersten Tag haben wir genutzt, um die notwendigen Gänge zu machen und Alex mit der Stadt vertraut zu machen. So waren wir zum Beispiel im Genozid Memorial in Kigali, wo ca. 250 000 der Menschen, die während des Genozids 1994 umgekommen sind, beerdigt sind. Das Kigali Memorial ist eine nationale Gedenk- und Trauerstätte und zugleich ein Museum, dass auch für Ausländer die Hintergründe des Genozids und die Entwicklung des Landes sehr eindrücklich und gut beschreibt. Am Abend wurden wir von Emmanuel zu sich nach Hause eingeladen. Es war ein wunderschönes, sehr persönliches Treffen und wir beide waren (wieder) erfüllt von der ehrlichen Herzlichkeit und Freude, mit der wir empfangen wurden.

Am Samstag standen dann schon einige Meetings und Verabredungen an. Zunächst haben wir das Womens Center in Nyamirambo besucht, eine Kooperative, die seit 2009 besteht und für die Frauen der Gegend bezaubernde Textilprodukte herstellen und so für Gender Equality kämpfen und ihren Lebensunterhalt sichern können. Nächste Woche werden wir uns noch mit der Leiterin unterhalten – vielleicht eine Kooperation für IMAGO? Auch bei dem Treffen mit Emmanuel am Abend ging es, neben der Planung der nächsten Wochen, um mögliche Kooperationsmöglichkeiten mit IMAGO. Er hat in den letzten Wochen in seiner Gemeinde eine Gruppe von Frauen unterstützt, die sich selbst Nähen beigebracht und verschiedene Taschenmodelle entworfen haben, die sie nun in einer Art Kooperative produzieren und verkaufen wollen. Eine tolle Initiative, die wir gerne durch IMAGO unterstützen wollen!

Nebenher füllt sich wie von selbst der Terminkalender für die nächsten Wochen. Wie erhofft, kommen wir von einer Begegnung zur nächsten und ich bin selbst noch gespannt, was wir alles erleben werden.

Heute und gestern jedenfalls besuchten wir bei die einzige Konstante unserer Projektarbeit in Ruanda: das Dorf Kiruhura. Am Sonntag sind wir um 6 Uhr morgens aufgebrochen um rechtzeitig zum Gottesdienst in Dorf zu sein, ein Erlebnis, das durch seine Einzigartigkeit bestechend ist! Wie das Schicksal es wollte, hat es natürlich genau in dem Moment, als wir aus dem Bus ausgestiegen sind, um den Rest des Weges mit Motorrädern zurückzulegen, angefangen aus allen Kübeln zu schütten. Dennoch sind wir, zwar etwas vermatscht, aber doch sicher und fast rechtzeitig, zum Gottesdienst angekommen.



In Kiruhura zu sein, ist immer etwas Besonderes. Das Dorf, in dem man sein Handy eigentlich gleich ausgeschaltet lassen kann, weil es keinen Strom (geschweige denn Netz) gibt, ist geprägt von Kinderlachen und dem Muhen der Kühe, von vielen Menschen, die dich nach zehn Minuten alle mit Namen kennen und dich voller Begeisterung und Freude umarmen und dich selbstverständlich auf Kinyarwanda begrüßen und nach Hause einladen. Und so haben wir diesen Sonntag Nachmittag damit verbracht mit zwei Freunden durch die Hügel der Region zu wandern und uns von deren Gedanken, Träumen und Sorgen erzählen zu lassen und dabei Appelle zu sammeln. Juvenal hat gerade seine Schule beendet und trotz guter Noten ist es für ihn als Waise schwer einen Job oder weitere Ausbildung zu finden bzw. zu finanzieren. Daher hat er sich entschlossen in Kiruhura eine Art Café zu eröffnen, in der die Nurses des Health Posts und die Lehrer der Schule Mittags etwas zu essen bekommen können. Ein Projekt, dass ich im Sinne der Förderung für selbstständiges Unternehmertum gerne unterstütze. Am Mittwoch soll's losgehen, das nächste Mal können wir also schon einen Tee im Café Vision trinken!

Heute Morgen kamen Emmanuel und der Director des Health Centers Mulindi nach Kiruhura und so konnten wir gemeinsam den Health Post besichtigen und weitere Baumaßnahmen planen. Zu dem Zeitpunkt der Besichtigung saßen 6 Menschen im Warteraum. Die meisten davon Frauen mit Kindern, wobei nur eine davon des Kindes wegen da war, außerdem noch zwei Schuljungen. Die gängigsten Krankheiten sind, neben Würmern und Grippe, auch Pneumonie und Malaria. Vor Ort arbeiten zwei Krankenschwestern: eine, die für die Rezeption, sprich Patientenaufnahme bzw. Erstuntersuchung und das Labor zuständig ist, und eine weitere, die für die Behandlung verantwortlich ist. Es gibt drei Behandlungsräume. Der erste ist für reguläre Behandlungen bei Infektionen. Ein weiterer dient für gynäkologische Untersuchungen und im Notfall auch Geburten, falls es nicht mehr möglich ist die Frau nach Mulindi zu überstellen. Der Dritte Raum ist für die Behandlung von offenen Wunden. Im weiteren Gespräch ging es neben der Besichtigung der Räumlichkeiten auch um den aktuellen Bedarf und die Schwierigkeiten der Region. Der Director des Health Centers Mulindi hat uns erzählt, dass es in der ganzen Region keine Möglichkeit gibt Zahnbeschwerden zu behandeln. Die Idee ist daher, dass wir unseren Health Post in Kiruhura mit einem zweiten Gebäude in Form einer Zahnklinik ergänzen und damit eine Schlüsselrolle der gesundheitlichen Versorgung der Region innehaben. Dieses werde ich im Laufe der nächsten Woche mit der regionalen Regierung in Byumba besprechen. Ihr dürft euch also darauf gefasst machen, dass wir in diesem Jahr doch wieder von Kiruhura hören! :)





Die Architektin, neue Apelle und viel "witchcraft"

Ein facettenreicher Tag

31.03.2016

Der heutige Morgen begann mit einer Menge Textarbeit.

Während Nick für ein anstehendes Treffen einen Entwurf des umgekehrten Generationenvertrages überarbeitete, wertete Hanna fleißig große Mengen Patientenbögen aus, um uns bezüglich der dringendsten Gesundheitsprobleme auf den neusten Stand zu bringen.

Dabei stach uns vor allem das so genannte "under-5-project" ins Auge. Theoretisch steht jedem Kind bis zum fünften Lebensjahr in Sierra Leone kostenlose primäre Gesundheitsversorgung zu. Leider ist "unser" Krankenhaus eines von sehr wenigen im Land, dem es gelingt dieser Aufgabe gerecht zu werden. Korruption und Ressourcenknappheit machen medizinische Versorgung für weite Teile der Bevölkerung unerschwinglich, sodass Sierra Leone nach Angola und der Zentralafrikanischen Republik im Jahr 2015 den traurigen Platz drei der höchsten Kindersterblichkeit belegte.

Beim Brüten über Krankenakten, in denen oft von vermeidbaren Krankheiten wie Cholera, Tuberkulose, Masern, Lassafieber und immer wieder Malaria zu lesen ist, wurde uns wieder einmal klar, dass Ebola lediglich ein Symptom - nicht die Ursache - der katastrophalen Gesundheitssituation in Sierra Leone darstellt.

Zusammen mit den Ärzten und einigen anderen führenden Personalmitgliedern besprachen wir im Anschluss, was im Rahmen unserer Möglichkeiten machbar ist, um das Magbenteh Community Hospital möglichst effektiv und nachhaltig weiter zu unterstützen. Einige Apelle, neben der finanziellen Unterstützung des "under-5-projects", sind relativ banale Beschaffungen wie Blutzuckermessgeräte, ein Beamer für medizinische Fortbildungen und ein EEG-Gerät zur Diagnose von Epilepsien, die hier gerne als Fluch interpretiert werden.

Am Nachmittag trafen wir uns mit Clara, der Architektin des Schulprojektes.

Sie präsentierte uns die finalen Pläne der Gebäude und erläuterte uns Details der besonderen Bauweise, für die wir uns in Einklang mit den Menschen der Magbenteh Community entschieden haben. Statt mit Zement wird landesüblich mit "mudbricks" (Tonziegeln) und lokalen Materialien wie Bambus gebaut, ähnlich unserer Krankenstation in Ruanda. Lediglich die Fundamente werden aus Beton sein. Dieser Baustil bietet klimatische Vorteile und wird auch der Akzeptanz des Gebäudes als "community based project" zuträglich sein.

Wie relevant diese Akzeptanz ist, haben wir schon an ersten Schwierigkeiten bei der Präparation des Geländers festgestellt. Eigentlich war mit den Arbeitern vereinbart, dass alle Bäume, die dem Gebäude nicht unmittelbar im Wege stehen, auf keinen Fall gerodet werden. Doch es bewahrheitete sich eine der wertvollen Weisheiten, die unser Freund Adam uns mit auf den Weg gegeben hat: "If the people are not 100% convinced of what you are doing, they won't attack you - they will make sure your work doesn't succeed". So haben die lokalen Arbeiter, trotz ihres gegenteiligen Auftrags und der stundenlangen Sitzungen, in denen wir Details besprochen hatten, jedes Bisschen Grün auf unserem Gelände entfernt. Auf die Frage hin, weshalb sie das getan hätten, wiesen sie zögernd auf ein Waldstück neben unserem Schulgelände hin, von dem sie fürchteten, dass es Teil des Schulgeländes werden könnte. Erst nach wiederholten Beteuerungen unserer Partnerorganisation, dass wir keinen Anspruch auf das gezeigte Stück erheben und es auch sehr in unserem Interesse liegt, dass dieses wunderschöne Stück Primärvegetation mit seinen erhabenen Mahagonibäumen erhalten bleibt, entschuldigten sie sich für die radikale Rodung und folgten beim Ebnen der Zufahrtsstraße den Anweisungen der Architektin aufs Wort.

Erst unser abendlicher Besuch bei Adam, bei dem auch Architektin Clara und einige Sierra-Leonische Freunde aus der Community anwesend waren, begannen wir zu verstehen, was es mit dem Waldstück auf sich hat und warum sich die Arbeiter in dessen Nähe initial so merkwürdig verhalten hatten.

Wir erfuhren hinter vorgehaltener Hand, dass das Waldstück eine wichtige Heiligstätte der "secret society", des Geheimbundes von Magbenteh ist. Von diesen Geheimbünden gibt es in Sierra Leone hunderte. Praktisch jeder gehört mehr oder weniger aktiv einem davon an und es ist schwer deren Strukturen und Riten zu verstehen, denn wie der Name sagt, agieren sie geheim. Einzig ein junger Mann, ein guter Freund von Adam, war bereit uns Auskunft über den intensiv gepflegten Voodookult und seine Organisation zu geben.


Er erklärte uns viele Hintergründe und weihte uns in einige Geheimnisse der lokalen Temne-Kultur ein. Zum Beispiel zeigte er uns auch seinen Oberkörper, den er üblicherweise sorgsam bedeckt hält, der über und über mit Mustern aus kleinen Narben bedeckt war. Auch ihm wurden in einem feierlichen Ritual als besondere Ehrung diese Narben mit Kobrazähnen beigebracht, um ihn gegen den Biss der giftigen Schlange zu immunisieren. Weiter erzählte er uns, dass die "secret societies" als solche organisiert sein müssen, weil die Sierra Leonies gewohnt sind ihre Kultur gegenüber Fremden verstecken zu müssen. Sowohl den christlichen als auch den muslimischen Missionaren waren und sind ihre Praktiken und die nach wie vor sehr stark verbreitete Anbetung von Geistern nämlich ein Dorn im Auge.

Gegenstand des Treffens mit dieser bunten Runde war auch noch einmal, die knifflige Aufgabe des Auswahlprozesses für die Kinder unseres Schulprogramms und der Stipendiaten zu erörtern. Vetternwirtschaft und das "Krebsgeschwür" der Korruption stellen hierbei die größten Herausforderungen dar.

Die Begegnungen und Erkenntnisse des heutigen Tages sind von unschätzbarem Wert für unsere Arbeit und helfen uns sehr, die Kultur unserer Freunde noch besser zu verstehen.

Erfüllt von neuen Eindrücken und mit dem Gefühl, gerade Einblick in eine Welt erhalten zu haben, die uns trotz unserer langen Aufenthalte in der Vergangenheit bisher weitgehend verborgen geblieben war, ließen wir den Tag gemeinsam mit unseren Sierra-Leonischen Freunden, Clara, Adam und seinem Affen "Chipo" bei einer landestypisch zubereiteten Ziege ausklingen.






Give the cow but keep the rope

Ein sehr wertvolles Treffen

30.03.2016

Zum Glück erwachten wir morgens früh um sechs erfolgreich ausgeruht und gut gelaunt nach unserer Nacht am Strand, denn der heutige Tag begann genauso ärgerlich wie der letzte begonnen hatte.

Nachdem wir uns einige Stunden lang auf der einzigen passierbaren, chronisch verstopften Straße ins Zentrum der Hauptstadt gequält hatten und das vermeintliche Büro der Airline gefunden hatten, wurde uns eröffnet, dass das Büro umgezogen und jetzt an einem völlig anderen Ort zu finden sei. Nach einigem Suchen fanden wir auch diesen, doch auch dort war Hannas verlorene Tasche nicht. Die nämlich werde an einem - 24h geöffneten - Schalter in unmittelbarer Nähe des Flughafens - an dem wir am Vortag vorbeigefahren waren - aufbewahrt. Das bewahrheitete sich. Die obligatorische Diskussion um "small money" (Schmiergeldzahlungen) war relativ schnell erledigt, als sich herausstellte, dass die Dame an jenem Schalter dieselbe war, die Hanna ursprünglich die Fehlinformation gegeben hatte für ihr Gepäck ins Stadtzentrum fahren zu müssen. War wohl ihr erster Tag…

Nach dieser unfreiwilligen Stadtrundfahrt durch das Moloch Freetown fuhren wir mit einer Sorge weniger aber dafür mit Hannas Koffer im Gepäck vorbei an den letzten noch bestehenden, imposanten Urwaldbeständen der Küstenregion zu Adam.

Adam ist eine Person, deren Beschreibung einen kleinen Abschnitt wert ist:

Als bester Absolvent seines Jahrgangs an der Columbia University entschied sich der aus Boston stammende Adam mit nur 25 Jahren dazu, anstatt Lehman Brothers und Apple zu vertreten, nach Sierra Leone auszuwandern und hier die Universität von Makeni mit aufzubauen. Sein Hobby ist es, ausbeuterische Großunternehmen juristisch zu Fall zu bringen und vielen wohltätigen Organisationen gibt er unentgeltlich und unglaublich erfolgreich Rechtsbeistand. So auch unserer Partnerorganisation SSLDF und uns.

Verabredet haben wir uns mit ihm, um die neuste Version des Umgekehrten Generationenvertrages auf eine im Land passable Form zu bringen und verschiedene Optionen seiner Implementierung an der Universität von Makeni zu diskutieren. Die Informationen, die uns das Universalgenie im Laufe des Abends und des größten Teils der Nacht gab, überstiegen jedoch bei weitem unsere Hoffnungen.

Aus seinem enzyklopädischen Wissen und den Erfahrungen, die er innerhalb seiner fünf Jahre hier gesammelt hat, erarbeitete er mit uns einen Katalog von "Do's" und "Don'ts" in Bezug auf die Zusammenarbeit mit der durch und durch korrupten Regierung sowie den hier ansässigen Dorfgemeinschaften, deren Strukturen wenige so gut verstehen wie er. An einigen eindrücklichen Beispielen illustrierte er beispielsweise die stets unterschätzte, kulturelle Bedeutung des Voodoo indem er seinen Gärtner bat sein T-Shirt aus zu ziehen. Sein Körper war über und über mit Narbenmustern übersäht. Diese werden Mitgliedern so genannter "secret societies“ beigebracht, indem in bestimmten Ritualen des Voodookults kleine Mengen Schlangengift in die Haut eingebracht werden. Das soll Unbesiegbarkeit und vor allem Immunität gegen das Gift der Kobra bringen. Tatsächlich hat Abu nachweislich schon zwei Bisse der Königskobra überlebt. Des Weiteren ging es um Probleme wie die sehr weit verbreitete Beschneidung von Mädchen, Zwangsheirat, die Situation von Waisenkindern und vor allem natürlich darum, wie L'appel mit maximaler Wirksamkeit und nachhaltig die eklatante Armut in der Region bekämpfen kann.

Im Bezug auf die Arbeit mit der Regierung, etwa im Rahmen des gerade entstehenden Boarding- schol-Projekts, brachte unser Freund seine Ratschläge auf einfache, aber für uns sehr wertvolle und nachvollziehbare Formeln wie: "Give the cow but keep the rope" oder "The more you get annoyed, the slower the person you are troubling will work here"

Da Adam im Begriff ist das Land zu verlassen, um zugunsten eines Angebots der UN als leitender Jurist die erste Universität des Südsudans aufzubauen, lud er uns direkt nach dem 7-stündigen Meeting ein, uns vor unserer Abreise noch einmal mit ihm zusammen zu setzen. So verabredeten wir uns gleich für den nächsten Abend noch einmal. Offenkundig glaubt er an uns und unsere Arbeit. Nachdem er uns noch eine Liste mit allen wichtigen Kontakten überreicht hatte, bat er uns an bei ihm zu übernachten. In Anbetracht der Agenda des kommenden Tages schlugen wir sein Angebot dankend aus. Daraufhin bat er einen seiner Studenten, der mangels elektrischem Licht zu Hause die kühleren Nachtstunden nutzte, um sich in Adams Haus auf seine Examina vor zu bereiten, uns mit seinem Motorrad nach Hause zu fahren. Zu dritt auf dem kleinen Motorrad fuhren wir durch die frühen Morgenstunden durch das nachts sehr trostlos wirkende Makeni in unser Krankenhaus und fielen todmüde, aber voller Motivation, in unsere Betten.


Welcome Back

und die Jagd nach Hannas Gepäck

29.03.2016

Nach der Fixierung einiger Treffen in den kommenden Tagen, fanden wir uns zur morgendlichen Runde des Krankenhauspersonals ein, in der die Nachtschwestern und -pfleger ihren KollegInnen und den Ärzten die Patienten der Nacht „übergeben“, von besonderen Vorkommnissen berichten und das weitere Prozedere diskutieren. Überschwänglich wurden wir begrüßt und man ließ es sich nicht nehmen, die Sitzung schmerzhaft in die Länge zu ziehen um noch einmal detailliert die ganze Geschichte von vorne bis hinten zu erzählen, wie unsere gemeinsame Arbeit im Zenit der Ebolaepidemie zusammen mit vielen der Anwesenden begann und wie vielversprechend sie sich entwickelt.
Im Anschluss nahmen wir an einer hochspannenden Visite teil, bis uns um Punkt 12 ein Fahrzeug der SSLDF abholte, das Erich zum Flughafen und uns zu Hannas vermisster Tasche bringen sollte. Ersteres gelang, letzteres nicht, da anders als uns mitgeteilt wurde, verspätete Gepäckstücke nicht am Flughafen sondern im Büro der Airline im Stadtzentrum gelagert werden. Das noch zu Öffnungszeiten zu erreichen war utopisch. Daher entschieden wir uns entnervt dazu, uns mit einer Nacht an einem der wundervollen Strände an Sierra Leones touristisch völlig unerschlossener Atlantikküste zu entschädigen, um früh morgens die Odyssee der verlorenen Tasche und unsere Arbeit fortzusetzen.


Ostermontag

Zwei alte Hasen

28.03.2016

Nick begann den Ostermontag mit einem Lauf auf den Berg hinter der Klinik, von wo aus man einen atemberaubenden Blick über die Magbenteh Community hat, während Hanna mit einem pensionierten italienischen Chirugen frühstückte, der für einige Monate am MCH zu Gast ist um zu praktizieren. Durch seine schonungslosen Erzählungen von haarsträubenden Verfehlungen in der Pflege des Krankenhauses wurde uns noch einmal deutlich, wie essentiell wichtig unsere Weiterbildugsmaßnahmen im Rahmen des Capacity buildings sind. Ein nächster, sinnvoller Schritt unserem Partner zu helfen, könnte die Vermittlung einer umfassenden Optimierung der am Krankenhaus stattfindenden Prozesse sein.

Nach einigen Telefonaten bezüglich Hannas immer noch fehlendem Koffer und Planung der kommenden Tage machten wir uns auf den Weg zu Harald Pfeiffer, dem freundlichen altern Herrn, der aus seinem tiefen, christlichen Glauben heraus die SSLDF und das MCH gegründet hat, ihr als Präsident vorsteht und in einem kleinen Haus hinter der Klinik wohnt. Besonders freuten wir uns auch mehr von Erich zu erfahren, der als Elektroingenieur und Fundraiser schon in 21 afrikanischen Ländern tätig war und das MCH seit seiner Eröffnung mit betreut. Unterwegs passte uns der exilkubanische Chirurg Adolpho ab, der gerade auf dem Weg zu einem Notruf in den OP war und uns bat mitzukommen um ihm falls notwendig zu assistieren. Letztlich war unsere Hilfe zwar nicht notwendig, doch der Zustand des Patienten, den Adolpho wegen einer angeblichen Blutung versorgen sollte, bestätigte was wir zuvor von seinem italienischen Kollegen gehört hatten.

Den restlichen Ostermontag verbrachten wir bei Harald und Erich, einem weiteren Vertreter und Hauptsponsor der SSLDF, der ihn gerade besuchte. Dieses Treffen war nicht nur projektplanerisch hochinteressant, sondern gewährte uns auch unschätzbar wertvolle Einblicke in die Struktur und Arbeitsweise unseres Partners, der Magbenteh Community und einzelner Protagonisten mit denen wir zu tun haben.
Wir hörten die unglaubliche Geschichte des Krankenhauses und von Geschehnissen rund um die Kultur der in Sierra Leone lebenden Stämme, die sich unserer Vorstellungskraft weitgehend entziehen. So gibt es beispielsweise einen „Section Chief“, das traditionelle Oberhaupt der Magbenteh Community, der in Ansehen und Einfluss weit über den Vertretern, des Staates, der Kirchen und des Islams steht. Mit ihm sind alle Entscheidungen abzuklären, hinter denen die Gemeinden stehen sollen und man es nicht mit „black magic“ zu tun bekommen will. Er ist es auch, der das Gelände ausgesucht hat, auf dem das Schulgelände stehen wird. Entsprechend sind wir ihm schon des Öfteren begegnet. Jetzt wo er ca. 70 Jahre alt ist, steht ihm ein aus unserer Sicht besonders skurriles Ritual bevor. In einem unbewohnten Tal einige Kilometer entfernt von uns treffen sich alle Voodoopriester und Vertreter der so genannten „secret sociecies“ der Region um ihn in einem feierlichen Ritual zu enthaupten und seinen Leichnam gemeinsam mit dem Kopf seines Vorgängers in einer dreitägigen und im Geheimen abgehaltenen Zeremonie zu bestatten.
Drei Tage lang darf dann nicht über den Toten gesprochen werden - bis sein Nachfolger eingeweiht ist.
Anhand dieses und vieler weiterer Beispiele wurde uns ein weiteres Mal vor Augen geführt, wie sehr sich diese Welt in ihrer vielseitigen und reichen Kultur doch von der unterscheidet, die uns vertraut ist.

Wir sprachen auch viel über die besorgniserregende politische Situation im Land, dessen Bevölkerung sich in den letzten 20 Jahren verdoppelt hat und dessen durchschnittliches Alter bei weit unter 20 Jahren liegt. Besonders für ungebildete, junge Männer ist die Situation verheerend, da es für sie weder Arbeit noch Perspektive gibt. In der Hoffnung auf eine bessere Zukunft verlassen sie ihre Dörfer und kommen zu tausenden in die Städte um ihr Glück zu machen. Manche schaffen es, sich als Motorradtaxifahrer oder Tagelöhner einen Lebensunterhalt zu verdienen. Viele landen aber auch in den Minen, oder auf den Feldern multinationaler Zuckerrohr- und Palmölproduzenten, wo sie für harte Arbeit zu schlecht entlohnt werden um sich davon eine Existenz aufbauen zu können. Doch seit drei der fünf größten Minenunternehmen in Folge der Ebolakrise das Land verlassen haben und auch die Bioethanolindustrie, die in Makeni der größte Arbeitgeber war, vollkommen eingebrochen ist, ist selbst diese Option Geschichte.

Die Regierungspartei schlug aus der Krise nicht nur durch zusätzliche Entwicklungshilfegelder finanziell großen Profit, sondern nutzte den „state of emergency“ in dem sich das Land monatelang befand auch dazu, um ihre Macht zu festigen um zunehmend totalitär und dabei leider wohl auch zunehmend korrupt zu regieren. Beispielsweise war die Brücke, die zu unserem Schulgelände führt ursprünglich blau. Da blau aber die Farbe der Oppositionspartei ist, wurde durch den Minister des Distrikts ein sofortiges Umstreichen in rot – der Farbe der Regierungspartei erwirkt. Ähnlich wurde mit dem Dach der gerade im Bau befindlichen neuen Gynäkologie verfahren.

Noch einmal wurde uns nahe gelegt, dringend nach Gynäkologen und Pädiatern Ausschau zu halten, die bereit wären für einige Zeit am MCH zu wirken. Derzeit sind beide Fachdisziplinen in Händen von mäßig ausgebildeten Krankenschwestern und die Rate an vermeidbaren Todesfällen ist hoch.

Erfreulich allerdings ist, dass dank dem motorradfahrenden und stets gut gelaunten Adolpho zumindest die Chirurgie jetzt permanent besetzt ist und rund um die Uhr Kaiserschnitte durchgeführt werden können.

Für den nächsten Tag verabredeten wir uns mit Erich und Gabboh, einem der Fahrer der SSLDF, um gemeinsam in die Hauptstadt zu fahren. Erichs vierwöchiger Aufenthalt war zu Ende und wir hatten Nachricht bekommen, dass Hannas Tasche nun endlich angekommen sei und zur Abholung bereit stehe…





Ostersonntag

One hand doesn't clap

27.03.2016

Über Ostern ging es gemütlich zu am Magbenteh Community Hospital. Da gerade Trockenzeit ist und weniger Moskitos unterwegs sind leiden entsprechend weniger Menschen an Malaria. So haben wir die Klinik bei unserm Rundgang erstmals nicht ausgelastet erlebt. Die entspannten Ostertage eigneten sich also gut für unseren Plan Hanna bei allen, die sie noch nicht kennen, bekannt zu machen. Als erstes nahmen wir uns Krankenhausmanager Ibrahim Bangura vor, der neuerdings die beiden Stipendiatenprojekte (Capacity building + Patenprojekt)
betreut und selber zu unseren ehemaligen Stipendiaten gehört. Wir unterhielten uns lange mit ihm über die Möglichkeiten der Objektivierbarkeit des Auswahlprozesses der Kinder des Boarding School Projektes. Neben bei erfuhren wir viel über ihn selbst, seine persönliche Einstellung gegenüber den Projekten und die zurzeit relativ stabile politische Situation im Land. Zu viel, um es hier nieder zu schreiben.


Danach folgten wir der Einladung von Mohammed, einem befreundeten Angestellten, ihn zu Hause zu besuchen. Er wollte uns zeigen, wie der Durchschnittsbürger in Sierra Leone lebt. Wie sehr viele Häuser der Menschen in Makeni, ist das Haus in dem der 25-jährige mit seiner Frau und seinen zwei Kindern lebt eine einzige Baustelle. Sein Haus ist nach allen Seite offen und wäre wahrscheinlich für unsere Begriffe unbewohnbar. Ganz im Gegensatz zur Gastfreundschaft und Herzlichkeit, die mal wieder überwältigend für uns Deutsche war.
Auf dem Nachhauseweg gabelte uns George Adams auf der Straße auf und insistierte uns zu unserer Unterkunft bringen zu dürfen. Er ist Libanese und Besitzer eines Bauutensiliengroßhandels. Unterwegs erzählte er beinahe enthusiastisch von der Zeit des Aufbruchs nach der Ebola-Kriese, bekundete mehrfach seine große Anerkennung gegenüber der nachhaltigen Arbeit von L'appel und bot uns ausdrücklich seine Hilfe für zukünftige Projekte an. "One hand doesn't clap…", was wir locker in „mit einer Hand kann man nicht klatschen“ übersetzen würden, verabschiedete sich George mit diesen ermutigenden und wahren Worten von uns.
Zurück in der Unterkunft erholten wir uns kurz von den unglaublichen 43°C, die das Thermometer zeigte, und versendeten noch schnell ein paar Ostergrüße an die Heimat. Als letzten Punkt auf unserer to-do-List machten wir uns auf den Weg zum Baugrund des Schulgeländes. Dort erwarteten uns zwei Fußballfelder planierte Erde umgeben von wunderschönen Palmenhainen und ein paar Kassavafeldern. Es ist sehr erfreulich zu sehen, wie unser Vorhaben langsam Gestalt annimmt. Davon aber in den nächsten Tagen mehr.




Treffen mit einem alten Bekannten

Ein schönes Wiedersehen

26.03.2016

Der neue Tag begann mit einem Treffen des Krankenhausmanagers Ibrahim Bangura; das Treffen war vor allem zur Besprechung der Modalitäten des Capacity Buildings, der Boarding School und der Erweiterung des Stipendienangebotes gedacht.
Hauptsächlich haben wir über die Möglichkeit der Erweiterung des umgekehrten Generationenvertrages gesprochen, der in Zukunft auch die Ausbildung zu Berufen außerhalb des Krankenhauses ermöglichen soll.< In diesem Rahmen berichtete uns Mr Bangura über die momentane Situation unseres Stipendiaten Joshua; er hat für ihn und seine Geschwister ein vielschichtiges Hilfsprogramm entwickelt.
Im Anschluss an das Gespräch trafen wir uns mit Mohammed, einen Krankenpfleger und guten Freund aus der intensiven Zeit der Ebola-Krise. Mohammed begleitete uns zu dem Haus, in dem Joshua nun mit seinen 15 (Halb-) Schwestern und Brüdern lebt.
Joshua erwartete uns bereits - sowohl er als auch seine Familie waren sichtlich erfreut über das Wiedersehen. Er hat uns erzählt, wie es ihm gerade geht - der Besuch der Secondary School, die abendlichen Lernschwierigkeiten aufgrund fehlender Elektrizität, seine Pläne für die Zukunft und seine große Dankbarkeit gegenüber L'appel und der dadurch erlangten Möglichkeit einer Förderung.
Wir verabredeten uns auf ein weiteres Treffen am Abend, um mehr von seiner Lebensgeschichte zu erfahren.
Auf dem Nachhauseweg trafen wir Adolpho, einen ausgesprochen offenherzigen kubanischen Chirurgen, der neuerdings im MCH angestellt ist und uns direkt in den OP-Plan der kommenden Woche einplanen wollte.
Da noch einige Dokumente für den UGV gedruckt werden mussten und noch einige Kleinigkeiten zu klären waren, traf sich Nick anschließend nochmals mit Mr. Bangura.
Am Abend erhielten wir dann Besuch von Joshua und dem zukünftigen Stipendiaten Gibrilla Turey -
Gibrilla erzählte uns von seinem Studium, das er bereits anderthalb Jahre an der University of Makeni absolviert hatte und dann aufgrund finanzieller Probleme unterbrechen musste.
Sein großer Wunsch ist es, seine Ausbildung durch unser Patenprogramm fortzusetzen - er setzt große Hoffnungen in die erfolgreiche Arbeit von L'appel, wie auch viele Stipendiumsbewerber.

Eine große Motivation für uns – Allez L’appel!


Bilder aus Sierra Leone und unserer neuen Stipendiaten

Gibrilla Turay

Fatmata Nabay

Tenneh Conteh & Salamatu Kamara

Benediet Kanu & James Bangura

Allez les boursiers!


Der erste Tag

Eine feierliche Begrüßung

24.03.2016

Hanna und Nick sind wohlbehalten in Sierra Leone angekommen – Hanna vermisst zwar noch ihr komplettes Gepäck, abgesehen von ihrem Handgepäck, aber die beiden sind wohl auf <3 Wir freuen uns sehr, von ihren Erlebnissen vor Ort berichten zu können:


Unsere Ankunft in Sierra Leone war feierlich: Die Vertreter unserer Partnerorganisation SSLDF initiierten eine feierliche Einweihung der gerade fertig gestellten Brücke, die von nun an auch in der Regenzeit Zugang zum entstehenden Schulprojekt gewährleistet und darüber hinaus die Magbenteh Community mit dem Nachbardorf Maburka verbindet.









In afrikanischer Manier wurde das Fest und danach die Brücke von den Menschen der Gemeinde ekstatisch und ausgiebig begangen und die Arbeiter und Spender betanzt und geehrt.





Im Anschluss wurden die drei Anwesenden Vertreter der SSLDF und wir vom Gemeindevorsteher, dem Pastor und den drei Imamen der Magbenteh Community in eine Art Gemeindesaal geladen, in dem unter Anleitung des Pastors zunächst ein etwa zwanzigminütiges Gebet zur Ehre aller Anwesenden, uns Gästen und der Brücke gesprochen wurde. Eine ebenso lange muslimische Andacht - geführt von einem der drei Imame - war der nächste Programmpunkt. Schön zu sehen: Ebenso wie bei der vorangegangenen christlichen Zeremonie nahmen alle rund dreihundert Anwesenden leidenschaftlich Teil. Es folgte eine Serie von Reden bedeutender Persönlichkeiten. Neben den Vertretern der unterschiedlichen Konfessionen, Harald Pfeiffer, dem Gründer und Präsident unserer Partnerorganisation, waren das die Dorfältesten, Krankenhausmanager Ibrahim Bamgura und der Gemeindevorsteher. Keiner von ihnen war in der Lage, „L'appel“ richtig auszusprechen, aber doch hat uns jeder einzelne gezeigt, dass er seine Begeisterung über unsere Partizipation am entstehenden Schulprojekt sehr schätzt und auch unsere
Arbeit zur Bekämpfung der Ebola-Krise anerkennt und ehrt. Vielfach wurde betont, dass die Magbenteh Community durch uns das erste Behandlungszentrum des Districts hatte und im Selbstverständnis der Bewohner sie diejenigen waren, die der Seuche ihre Unbesiegbarkeit genommen haben.

"We are proud that together with our friends from L'appeeal here, we were the ones to brake Ebola's back. Now we want to tackle poverty by together providing education for our children"

Ibrahim Bangura, Manager SSLDF

In allen Facetten wurde die Brücke wortreich als Metapher für die Bildung, als Brücke zum Erfolg, als Zeichen der Freundschaft zwischen den Dorfgemeinschaften, Verbindung der Konfessionen und Bindeglied zwischen L'appel und SSLDF beschrieben. Tatsächlich versteht sich die SSLDF mit dem Bau dieser Brücke nicht nur als unser Partner, sondern buchstäblich auch als unser Wegbereiter in vielen Dingen.
Den restlichen Tag verbrachten wir mit einem Krankenhausrundgang und der Planung der kommenden Tage. Am Abend fuhren wir auf Motorradtaxis mit einem armenischen Arzt, der lange für eines der Minenunternehmen, die in Folge der Ebolakrise das Land verlassen haben, tätig war und sich jetzt für eine Stelle im MCH bewirbt, zum Abendessen ins Restaurant eines libanesischen Freundes. Dort hörten wir seine spannende Lebensgeschichte, bekamen wertvolle Ratschläge für unser weiteres Vorgehen als NGO in Sierra Leone und ließen den Tag bei einem gekühlten Getränk ausklingen.








Die erste Delegation in 2016

Es geht wieder los!

21.03.2016

Am Donnerstag startet unsere erste Delegation in diesem Jahr nach Sierra Leone. Mit dabei sind Nick und Hanna, die uns mit Informationen auf dem Laufenden halten. Die Ziele der Reise? Seht und hört selbst!

2015

"Wir sind wieder da!"

Die Erfolge der Projektreise sprechen für sich.

27.11.2015

Zehn Tage einer aufregenden und spannenden Reise sind vorbei und unsere Delegation ist unversehrt und sehr zufrieden wieder in Deutschland angekommen. Zu Beginn dieses Abenteuers war es noch unklar, wie weit das Schulprojekt und die Umsetzung des Umgekehrten Generationenvertrages am Magbenteh Community Hospital sich entwickeln würden. Doch mit unglaublich viel Engagement der Partner vor Ort und unserer Delegation ging es in großen Schritten voran. 

Denn die Kooperationsverträge für beide Projekte wurden fertiggestellt und schließlich unterschrieben. So war es ein schier großartiger Moment für Nick in die Gesichter der ersten zwei Stipendiatinnen des Umgekehrten Generationenvertrages (Erklärung siehe erster Blogeintrag dieser Reise) zu blicken und zu sehen, dass sich all die Mühen auszahlen. Dass beide Projekte jetzt offiziell gestartet sind zeigt, dass es sich sehr wohl loht an etwas festzuhalten, das zunächst unmöglich und utopisch scheint. Kaum jemand hätte vor einem Jahr erwartet, dass wir zusammen mit starken Partnern die Gründung einer Schule und ein Stipendienprogramm in dieser kurzen Zeit auf die Beine zu stellen würden.

Fast genauso überwältigend war es für Elisa, Jakob, Till und Nick zu sehen wie die Lebensfreude nach Sierra Leone zurückgekehrt ist. Unsere Jungs kannten das Land zuvor nur im Krisenzustand und waren begeistert zu sehen, dass die Menschen trotz Ihrer großen Verluste Ihre Fröhlichkeit nicht verloren haben. So sind die Straßen wieder mit afrikanischen Rhythmen gefüllt und es wird gefeiert, dass die Ebola Epidemie überwunden ist. Ganz besondere afrikanische Vibes bekam Elisa zu spüren, als Sie einen neuen Namen bekam. Den Menschen aus dem Polio Dorf in der Nähe von Makeni schien der Name „Elisa“ viel zu schwer aussprechbar und zu erinnern, darum wurde Ihr kurzer Hand der Namen „Fatu“- die Erstgeborene - geschenkt. Begleitet von rhythmischem Klatschen wurde Ihr der neue afrikanische Name in einer Art Zeremonie zugeworfen, den sie dann auffangen und an ihr Herz führen musste.

So gibt es in diesem Land, das zu den ärmsten der Welt zählt, im Positiven wie im Negativen, herzergreifende Momente: Als die Delegation in Freetown war, hatten Sie auch ein paar Stunden an einem wunderschönen Strand zum runterkommen und einfach mal durchatmen. Doch gerade in dieser wunderschönen, idyllischen Umgebung wird einem bewusst, wie absurd und weit weg unser luxuriöses Leben in Europa von dem in Sierra Leone ist. Es macht einen etwas ohnmächtig an einem der schönsten Strände der Welt zu sein und gleichzeitig zu wissen in welcher schwierigen Lage das Land zu dem diese atemberaubende Natur gehört ist. Denn leider ist es Realität, dass es nach wie vor Familien gibt, die nicht wissen wie Sie das nötige Geld verdienen können um Ihre Kinder zur Schule zu schicken oder Sie ausgewogen zu ernähren. Das Bildungs- und Gesundheitssystem in Sierra Leone ist immer noch nicht so gut ausgebaut, dass sich jeder den Arzt- oder Schulbesuch erlauben kann. Entweder hat dies finanzielle Gründe oder es liegt daran, dass es gar keine oder keine gute Versorgung vor Ort gibt.

10 Tage Reise durch Sierra Leone haben also nicht nur sehr reale und aktuelle Bilder des Landes gezeigt, sondern auch klar gestellt, dass selbst Ziele die in weiter Ferne zu sein scheinen erreicht werden können! Hiermit endet nun diese Delegationsreise. Doch weitere folgen gewiss, denn unsere Projekte haben gerade erst wirklich begonnen und fordern noch viel viel Arbeit bis sie zum Selbstläufer werden. Wer mit aktuellen Informationen nicht bis zum nächsten Blogeintrag warten will, kann sich zwischendurch einfach mal auf unserer Website umschauen und bald Details zu den Filmaufnahmen von Alex und Martin finden.


Bis Bald, Eure Pia!


"Von Fragebögen und Träumen"

Ein Forschungsausflug in die Community.

22.11.2015

Elisa und Nick begaben sich zusammen mit Rebecca, einer der Outreach Officers, auf eine kleine Reise durch die Community. Die Auswahl der Schüler für die Boarding School soll mithilfe eines Fragebogens getroffen werden. Dabei handelt es sich erstmal um ein Pilotprojekt in dem 50 Familien zu Ihrer wirtschaftlichen und allgemeinen Lebenssituation befragt werden. Außerdem wollen wir herausfinden, wie viele Kinder in der Umgebung überhaupt schon zur Schule gehen.

Der Fragebogen besteht aus zwei Teilen, einer für die Eltern und einer für die Kinder. Die Eltern wurden über Einkommen und Beruf befragt, vor allem ob Sie vor der Ebola Krise die gleiche Tätigkeit ausgeübt haben wie danach. Außerdem war von Interesse, ob Sie während der Ebola-Krise Neuwaisen in Ihre Familie aufgenommen haben, ob Sie sich in der Community engagieren und ob Ihre Kinder zur Schule gehen und wenn nein, warum nicht.

Im Anschluss wurden auch die Kinder befragt. Wichtig ist vor allem, die unverfälschte Perspektive der Kinder einzufangen, weshalb Sie getrennt befragt wurden. Elisa, Nick und Rebecca wollten wissen welche Verantwortungen und Aufgaben Sie Zuhause übernehmen und ob auch Sie sich irgendwie in der Community miteinbringen. „Warum gehst Du zur Schule?“ oder „Warum würdest Du gerne zur Schule gehen?“ Oft erzählten Sie dann gleich im Anschluss von Ihren Träumen – Sie träumen davon Rechtsanwalt oder Doktor zu werden oder einfach nur eine bessere Lebensperspektive zu haben. Es mangelt zwar an vielem, aber an der Kraft zu Träume mangelt es Kindern auch in Sierra Leone nicht.

Um diesen Träumen Dynamik und Substanz schenken zu können, starten wir unser Boarding School Projekt. Die Fragebögen werden sobald unsere Truppe zurück in Deutschland ist ausgewertet. Wir sind gespannt, was die Auswertung ergibt.

Neben den Aktivitäten rund um das Schulprojekt stand in den letzten Tagen auch die Umsetzung des „Umgekehrten Generationenvertrages“ am Magbenteh Community Hospital an. Mit großem Erfolg. Ein allgemeiner Kooperationsvertrag zwischen der SSLDF und L’appel sowie eine Vereinbarung über den internen UGV am Krankenhaus wurden unterzeichnet. Von zukünftig sechs Stipendiaten haben bereits zwei Mitarbeiterinnen des Krankenhauses einen Vertrag bekommen und können jetzt Ihre Ausbildung zur Krankenpflegerin beginnen.


Soviel erstmal zu den letzten Erfolgen. Mittlerweile ist unsere Delegation schon wieder in Deutschland gelandet. In den nächsten Tagen kommt ein letzter, abschließender Blogeintrag. Seit gespannt auf „den Abschlussbericht“ ;)


"Hingesetzt und aufgepasst!"

Die Boarding School ist das zentrale Thema bei dieser Projektreise.

17.11.2015

Während der Ebola-Epidemie galt im ganzen Land für jeden Menschen die „No-Touch-Policy“ – keine physischen Berührungen anderer Menschen um die Verbreitung des Virus einzudämmen. Das galt sowohl für Fremde als auch für Familien. Die No-Touch-Policy ist seit wenigen Tagen wieder aufgehoben und ein ganz anderer Eindruck entstand, als unsere Gruppe in Makeni mit Umarmungen und Handschlägen begrüßt wurde. Die Erleichterung unserer Partner und mittlerweile Freunde war deutlich spürbar. Ebola ist jedoch nach wie vor sehr präsent in den Köpfen aller. Autos und Ihre Insassen werden z.B. immer noch in regelmäßigen Abständen auf Fieber, Durchfall oder Schwächeanzeichen kontrollierte. Weiter Veränderungen waren auch am Krankenhaus direkt zu sehen. Denn die vorherige Ebola Station wurde desinfiziert und gereinigt und wird nun wieder als Kinderstation benutzt und in der gynäkologischen Abteilung sind Anstalten zur Vergrößerung zu beobachten.

Elisa, Jakob, Nick und Till haben sich in Begleitung des Kamerateams und der Architektin das Grundstück der zukünftigen Boarding School angesehen. Auf dem Baugrund hat sich schon einiges getan und bereits die ersten Arbeiten zur Vorbereitung des Baugrundes sind zu erkennen. Neben den baulichen Neuerungen, ist auch in der Planung der Schule schon einiges passiert. Neben den handfesten Angelegenheiten für den Bau, stand die Auseinandersetzung mit ideellen Fragen zur Schule schon auf dem Programm der letzten Tage.

Um eben diesen ideellen Themen nachzugehen ging es für alle nach Freetown, um sich dort mit einem hohen Angehörigen des Gesundheitsministeriums zu treffen. Leider sagte dieser spontan ab, sodass es kein offizielles Interview gab. Zum Glück entstand dadurch etwas mehr Zeit sich ein bereits existierendes Schulprojekt anzusehen. So machte sich die Gruppe auf den Weg die Grassfield Schule, ein Projekt des oldenburgischen Vereins Hilfe direkt VIB e.V. , in Freetown anzusehen.

Wenn ich an Schule denke, so kommt mir ein großes, massives Gebäude, Tafeln an den Wänden sowie bunt geschmückte Klassenräume und viele Kinder auf einem Haufen in den Sinn. Kinder und junge Menschen gibt es in Sierra Leone im Verhältnis zu Deutschland deutlich mehr. Doch wenn es um Schulgebäuden, Schüler und Lehrer geht, so sieht das hier ganz anders aus! Während es uns nicht an Buntstiften, Heften und Turnhallen mangelt, so mangelt es dort bereits oft an der Möglichkeit das Schulgeld zu bezahlen, genügend Essen oder überhaupt eine Lehrperson zu haben.

Als sich die ganze Crew (also Elisa, Jakob, Nick und Till sowie Alex und Martin) die sehr vorbildlich laufende Grassfield Schule anguckte, ging es nicht nur darum wahrzunehmen wie die Räumlichkeiten angelegt sind und wie die Schule rein praktisch funktioniert, sondern auch darum sich Input zu holen was man eventuell anders machen kann.

So setzte sich Jakob mit in den Unterricht der zweiten Klasse und stellte fest, dass die Selbstdisziplin der 20 Schüler weit höher als die von so manchem Deutschen Schüler war, das Unterrichtsmodell jedoch dem klassischen Frontalunterricht entsprach und das eigenständige Denken im gemeinsamen Klassengespräch nicht sehr gefördert wird. An einer öffentlichen, in der Provinz von Sierra Leone gelegenen Schule ist Frontalunterricht mit einer Klasse von ca 150 Schülern gang und gäbe und individuelle Betreuung demnach schier unmöglich. Für L’appel und das geplante Boarding School Projekt stellen sich zur Zeit Fragen wie: „Welche Feinheiten werden in der Planung vielleicht noch nicht bedacht, und wie können wir diese geschickt einbringen?“ oder „Wie sieht es nach zwei Bürgerkriegen und der Ebola Epidemie überhaupt mit der psychischen Gesundheit der Kinder aus?“

Gerade in Bezug auf die psychische Gesundheit hat ein sehr fruchtbares Treffen mit Dr Carmen Velle, einer Psychologin in führender Position der NGO CBM stattgefunden. CBM arbeitet bereits seit mehreren Jahren daran, in Sierra Leone Möglichkeiten für psychologische sowie psychiatrische Behandlungen und Betreuungen zu schaffen und auszubauen. Unsere Vier haben mit Ihr vor allem über die Traumatisierung durch Ebola sowie über Fortbildungsmöglichkeiten für die Lehrer und Betreuer des geplanten Internates gesprochen und es sieht ganz so aus, als würde es bald zu einer guten Zusammenarbeit kommen.

Momentan dreht sich also vieles um das momentane Herzstück, das Schulprojekt und wir freuen uns riesig über die ganzen Fortschritte, die in den letzten Tagen schon erreicht wurden!


Sierra Leone 2015, Part Two

Im Mai waren wir vor Ort um verschiedene Projekte zu planen, jetzt folgen schon die ersten konkreten Schritte.

07.11.2015

Die Koffer sind gepackt, die Flüge gebucht und unsere 2. Sierra Leone Delegation in diesem Jahr ist bereits am Flughafen oder schon im Flieger, wenn dieser Blogeintrag online gestellt wird. Dieses Mal wird der Blog von einer außenstehenden Person, die nicht mit in Sierra Leone ist geschrieben, nämlich mir: Pia. Ich bin im ständigen Kontakt mit unserer Gruppe und werde Euch alle gemeinsam mit Jan auf dem Laufenden halten.

Das Team vor Ort besteht dieses mal aus den alten Hasen Jakob, Nick und Till, sowie der erstmalig nach Sierra Leone reisenden Elisa, dem Journalisten Alex und dem Kameramann Martin. Letztere werden Filmaufnahmen für einen Dokumentarfilm machen und die Arbeit der Gruppe begleiten, denn Arbeit gibt es reichlich! Im Gepäck haben die Vier eine große Aufgabenliste. Hier ein Auszug: die Vorbereitung des ersten Spatenstichs der geplanten Boarding-School; Prüfung der Umsetzbarkeit des umgekehrten Generationenvertrages(UGV) für 6 Fachkräfte des Magbenteh Community Hospital, und die Prüfung des UGVs für Studierende in Makeni.

Der umgekehrte Generationenvertrag lehnt sich an das Modell des UGVs der Universität Witten/Herdecke an und funktioniert im Prinzip so, dass die geförderte Person ein Stipendium für ihre Ausbildung bekommt und dieses sobald sie ein geregeltes Einkommen hat, mit einem Prozentsatz davon zurückzahlt und somit neuen Stipendiaten eine Ausbildung/ein Studium ermöglicht.

Wie diese Finanzierungsmöglichkeit aber in einem Land funktionieren kann, in dem geschriebene Verträge einen anderen Stellenwert besitzen als in Deutschland, wird das Team durch wissenschaftliche Datenerhebungen, diverse Meetings und ihrem scharfen Verstand versuchen herauszufinden. Während es für die 6 Fachkräfte des Krankenhauses schon sehr realistische Grundlagen in der Umsetzung gibt, sieht die Situation mit Studenten ganz anders aus. Denn diese haben noch keinen festen Job oder ein vertraglich geregeltes Arbeitsverhältnis. Deshalb wird es eine der weit schwierigeren Aufgaben sein, Kriterien auszuarbeiten nach denen die Geförderten ausgesucht werden. Es stellt sich die Frage wer dieses Privileg erhalten soll, wenn doch der Großteil der Bevölkerung die Möglichkeit einer Ausbildung dringend gebrauchen könnte.

Auch bei der geplanten Schule wird das Problem entstehen Geförderte auszuwählen, allerdings muss die Schule vorher erst einmal gebaut werden. Mit viel Idealismus wird der Baubeginn bereits in den nächsten 10 Tagen stattfinden. Bis dahin müssen allerdings noch Kooperationsverträge zwischen der Swiss Sierra Leone Development Foundation (SSLDF), dem britisch-sierra leonischen Verein EducAid und L’appel ausgetüftelt werden. Erst wenn alle drei Seiten ihre jeweiligen Zuständigkeitsbereiche und Aufgabenfelder festgelegt haben (also wer in welchem Rahmen für was zuständig ist und welche Ziele gemeinsam wie verfolgt) wird es mit Vollgas losgehen. Die To-Do-Liste ist also lang, sehr lang und sehr ambitioniert. Doch wenn sich die Vier selbst übertreffen, werden am Ende der Reise stabile Grundlagen für die Projekte gelegt und Selbstläufer aus den Vorhaben geworden sein.

An Motivation, Energie und Engagement wird es jedenfalls nicht scheitern, denn Sierra Leone ist nun offiziell Ebola-frei und die Vorfreude auf das Ermöglichen von Bildung ist riesig.


Ruanda 2015: Ein Reisebericht

Stimmen aus einer fernen Welt. Drei Wochen danach.

22.10.2015

Eine gewisse Melancholie erfasst uns während wir diese Zeilen schreiben, um zusammen zu tragen was wir dieses Jahr erneut in Ruanda erleben konnten, um euch an Momenten dieser Reise teilhaben zu lassen.

Ungewohnt für uns, neu und aus einer unangenehmen Notwendigkeit heraus geboren, schreiben wir unseren Reisebericht für euch Wochen nach unserer Wiederkehr nach Deutschland. Die Dichte der Arbeiten vor Ort und der Fokus mit dem wir unseren Zielen nach gingen erlaube es nicht wie gewohnt den Live-Blog zu führen. Wir sitzen nun in der wolkenverhangenen Heimat, lassen uns von Musik leiten die uns in Gedanken in die Vergangenheit befördert. Nicht selten schließen wir die Augen während wir schreiben und sind wieder dort – im geliebten Ruanda.



Carlas einsamer Kampf

Unsere Reise beginnt mit der Ankunft Carlas in Ruanda. Als Veteranin unter uns schaut sie inzwischen auf ein halbes Jahrzehnt Erfahrungen in diesem Land zurück. Carla hat etwa zwei Wochen Zeit vor Ort in denen sie von uns getrennt, alleine mit unseren Partnern ihren Aufgaben nachgehen will. Und diese Aufgaben werden sich für sie im Verlauf der Zeit als kräftezehrend erweisen. Carlas Hauptaufgabe ist es daran zu arbeiten, dass unsere Krankenstation in Kiruhura während unseres Aufenthaltes in Ruanda, spätestens bis Mitte September, eröffnet wird. Dies gilt für uns als Ziel, eine Deadline die es einzuhalten gilt. Ihr werdet der Tatsache, dass ihr eine entsprechende Bekanntgabe durch uns nicht finden könnt, entnehmen, dass sich dieser „unumstößliche“ Beschluss eben doch umstoßen lässt.

Erstmalig reist Carla als Vertreterin L’appels und damit in einer offiziellen Mission nach Ruanda, erstmalig nach mehreren Jahren privaten Engagements. Mit dem ersten Schritt auf ruandischem Boden trifft sie nicht nur ihre lange vermissten Freunde wieder, sondern begegnet ihnen als Partner, vertraut mit Pflichten, Verantwortungen und Hoffnungen. Eine Tatsache, die Carla in den ersten Tagen in Ruanda häufig beschäftigt.

Unmittelbar sieht sie sich auch den ersten Problemen konfrontiert. Die Krankenstation wird zwar baulich wie geplant fertig gestellt und damit von unserer Seite termingerecht bereitgestellt, jedoch scheint die Lokalregierung alle Erinnerungen an unsere Übereinkünfte und Verträge abgelegt zu haben. Unerwartet erkennen Unterzeichner von Verträgen scheinbar ihre Handschrift nicht mehr und in Gesprächen in verschiedenen Instanzen erkennt Carla, dass hier vor allem gefeilscht wird. Versucht hier jemand sich an uns zu bereichern? Sind die Aussagen, es mangele an Finanzmitteln zum Betrieb der Station, wahr? Ist weitere finanzielle Hilfe tatsächlich notwendig?

Geistesgegenwärtig macht sich Carla, stets begleitet von unserem Projekt-Manager Emmanuel, daran weitere Instanzen aufzusuchen, beharrlich zu bleiben. Erstmals begegnet sie dabei in Ruanda einer Geschlechterproblematik. Carla kann kaum Gespräche ohne Begleitung von Emmanuel führen. Gespräche brechen oft unvermittelt ab wenn sie alleine ist. Man begegnet ihr bei Behörden stellenweise nicht auf Augenhöhe. Der Verdacht kommt auf dies hänge damit zusammen, dass sie als Frau alleine in diesen Gesprächen nicht respektiert und ernst genommen wird. Eine frustrierende, wenn auch interessante Erfahrung für Carla und auch für uns, da dies doch erneut aufzeigt wie schwer dieses Land manchmal einzuschätzen ist. Hier erleben wir traditionelle, geschlechtsdefinierte Rollenverständnisse und zeitlich hört man im Radio Ansprachen des Präsidenten Kagames zum unersetzlichen Mehrwehrt starker und selbstständiger Frauen für das Land. Einerseits spürt Carla wie sie kaum eine Stimme in den Gesprächen zu haben scheint und andererseits bekleiden Frauen viele hohe politische Ämter im Land. Ist dies ein kleines lokales Problem, oder sehen wir hier die Ohnmacht die in der ruandischen Politik mit diesen Ämtern einhergeht?

Der nötige Nachdruck und der persönliche Draht zu den richtigen Stellen (vor allem auf Nachhilfe unserer Partner vor Ort) führen letztendlich dazu, dass Gespräche viel offener geführt werden können und eine gute Lösung scheint sich zu finden. Aus den umliegenden Krankenhäusern und –stationen soll Personal abgezogen werden um unsere Krankenstation zu betreiben. Dies geschieht so lange bis im Januar die staatlichen Finanzen neu vergeben werden. Eine Lösung scheint gefunden, die Eigenverantwortlichkeit der Organe und Organisationen vor Ort in der Führung der Anlage ist bewahrt. Nun stellt sich nur noch die Frage nach dem „wann?“. Es heißt, dass der Betrieb unmittelbar nach Fertigstellung des Gebäudes aufgenommen wird. Wir wissen, dass das für uns sieben Tage bedeutet. Was „unmittelbar“ für die andere Seite in diesem Fall heißt zeigt sich für uns bis heute.

 

Carla beschäftigt sich noch mit einer zweiten, großen Aufgabe. Ein neues Projekt-Konzept soll recherchiert werden. Dabei handelt es sich um eine wirtschaftliche Unterstützung unserer Projektregion durch die gezielte Förderung der Produktion von Handwerkswaren, Kunstgegenständen und weiteren traditionellen (schiffbaren) Produkten. Die Rede ist hier von einem „Handels-Projekt“. Waren sollen auf Fair-Trade Basis vor Ort produziert werden. Womit es sich hier genau auf sich hat findet ihr im Abschnitt „Infrastruktur“. Mit dem Konzept dieser Projekt-Idee, inzwischen als Social-Business-Konzept, können wir gezielt die Entwicklung schwacher Regionen fördern und den Menschen mit einem einzigen Mittel die eigene, faire Entwicklung erleichtern: Dem Zugang zu vorher unerreichbaren Märkten.

Carla besucht dafür in ihren ersten zwei Wochen verschiedene Kooperativen in Kigali, Produzenten und Händler die bereits jetzt für das Ausland produzieren. Sie hinterfragt tiefgehend die Arbeitsbedingungen vor Ort, Gewinnmargen und sucht nach Antworten auf die Frage wer von den Produkten eigentlich profitiert. Es geht um Fragen des Qualitätsmanagements, der Fair-Trade-Produktion und vieles mehr. Aus all diesen Gesprächen ergeben sich viele Anregungen, Ideen werden konkreter oder wieder verworfen. Vor allem aber stellen sich mehr und mehr Fragen. Fragen mit denen Carla und einige Tage später auch wir konfrontiert werden.

 



Im Team stärker

Mitte bis Ende September erreicht endlich der Rest der diesjährigen Delegation-Ruanda ihr Ziel. An einem Abend sitzen wir alle gemeinsam, Jan, Carla, Christoph, Janine und Jakob, zusammen in unserer Unterkunft und besprechen in gemütlicher Runde die Aufgaben der kommenden zweieinhalb Wochen. Die Projektreise hat offiziell begonnen – und sie wird intensiv.

Unsere Aufgaben können wir in fünf große Pakete schnüren, jedes spannend auf seine eigene Weise. Seht selbst!

 


Gesundheit – Krankenstation reloaded

Der erste große Block ist die Krankenstation. Zur Vervollständigung unserer Aufgaben heißt es also die Einrichtung zu organisieren, Materialien zu erwerben und die Station zu übergeben. Zusätzlich wichtig ist es die mündlichen Absprachen, die Carla hat treffen können, zu festigen und abzusichern. Der Eröffnung der Krankenstation steht damit nichts mehr im Wege.

 

Nach Vergleich dreier Konkurrenten konnten wir über einen kenianischen Händler die benötigten Materialien zu erstehen. Binnen zweier Tage waren das Material und die Einrichtungsgegenstände organisiert, die Bestellliste mit der Lieferung abgeglichen und abgezeichnet, das Material verladen und an einem Samstagmorgen per Transporter nach Kiruhura transportiert. Die Anfahrt im nicht geländetauglichen Fahrzeug, bei dem es um Haaresbreite an einer Stelle nicht mehr weiter gegangen wäre, ist dabei allerdings eine Geschichte für sich. Wen das neugierig macht, der sollte Carla oder Jakob mal auf die Aussagen „aus diesen Steinen da drüben können wir eine Rampe stapeln“, oder „Zurück können wir diesen Weg jedenfalls nicht nehmen“ ansprechen. Beide Aussagen stehen übrigens in einem Zusammenhang.

Das Mobiliar konnten wir erfreulicherweise direkt bei Schreinern in Kiruhura herstellen lassen. Die Möbel sind belastbar und robust und aus lokalem Material gefertigt. Optisch zwar etwas fremd, aber eine hervorragende Gelegenheit für die lokalen Schreiner sich auch in das Projekt einzubinden.

Die Krankenstation in Kiruhura ist in ihrem erstem Bauabschnitt, der Ambulanz und Administration fertig gestellt. Die, durch neue Auflagen benötigten, größeren Toiletten- und Hygieneanlagen, die Stützmauer der Terrasse, Regenwasserauffangbecken und Überläufe, Fußwege und Garten, Auffahrt und Fahrzeug-Rampe sind fertig gestellt. Nichts steht von unserer Seite der Eröffnung und dem Betrieb im Weg. Die aktuellste Aussage der Behörden versprach eine Eröffnung am 03.Oktober 2015. Dieses Datum ist nun verstrichen und mit großem Nachdruck eifern wir und unsere Partner, die inzwischen fast täglich auf der Türschwelle der Behörden sitzen, nun der tatsächlichen Eröffnung entgegen.

Zuletzt gab es im Rahmen des Gesamt-Projekts natürlich auch Planungen für die Zukunft und so berieten wir gemeinsam mit dem Gemeinderat, dem Präsidenten des Ältestenrats und der Leitung der Zelle Kiruhura darüber wie der Bau fortschreiten soll. 2016 wird das Jahr sein in dem das zweite große Gebäude, das Geburtenhaus, gebaut wird.

 

 

Organisation – Partner, die Vergangenheit und die Zukunft

Mit diesem Meilenstein in Reichweite ist die Zeit gekommen mit unseren Partnern die bisherige Zusammenarbeit zu hinterfragen und Schlüsse aus dem gemeinsam gelernten zu ziehen. Ebenso möchten wir die Zukunft unserer Kooperationen besprechen. Diese Ziele beinhalten spannende Gespräche, aber auch formelle Arbeiten. Das Papier ist hier geduldiger als wir es sind.

Leitendes Fazit dieses Aufgabenblocks ist erneut, dass die Uhren nirgendwo so ticken wie zu Hause und dass mit jedem Partner und jeder Kooperation andere Kompromisse gefunden werden müssen. Wer letztes Jahr unseren Blog gelesen hat erinnert sich vielleicht daran, dass wir viel Mühe darauf verwendet haben uns als Internationale Entwicklungsorganisation in Ruanda registrieren zu lassen – sozusagen eine NGO in Ruanda zu gründen. Dies hat formelle, organisatorische, aber auch finanzielle Vorteile (z.B. weniger Bankgebühren). Dieser Prozess war bereits letztes Jahr weit fortgeschritten und sollte dieses Jahr abgeschlossen werden. Wie man es sich von guter Bürokratie wünscht, war aber der Registrierungsprozess inzwischen vollständig überarbeitet und aufballoniert worden, sodass wir von vorne beginnen durften. „Passier-Schein A38“ klingelt es jetzt im Hinterkopf eines jeden Asterix-Kenners.

 


Forschung – denn Antworten bekommt nur der der fragt

Mit der baldig abgeschlossenen Krankenstation sind unsere Köpfe offener für neue Fragen und Probleme. Unsere Beobachtungen in Ruanda stützen sich inzwischen auf Erfahrungen einiger Jahre und auch unsere Organisation ist gereift. Neuen Aufgaben stellen wir uns gänzlich anders als vor drei Jahren und somit tauchen wir in das Gebiet der Feld-Forschung und Regionen-Analyse ein. Wir sind mehr als aufgeregt, denn endlich haben wir die Kapazitäten und das Know-How um seit Jahren stehende Aussagen über unsere Projektregion zu hinterfragen und viel bisher Unbekanntes zu lernen. Wir haben zum Ziel die Menschen und die Region in der wir uns engagieren nun nicht nur persönlich, sondern auch faktisch kennen zu lernen.


Dieses Jahr erfolgte genau diese Arbeit im Rahmen von zwei unabhängigen Studien, welche wir parallel durchführten, als wir dieses Jahr unseren fünftägigen Aufenthalt in Kiruhuha hatten. In der ersten der beiden Studien setzten wir uns mit einer medizinischen Fragestellung auseinander. Auf der Suche nach der Häufigkeit von nicht-übertragbaren Erkrankungen, wie Bluthochdruck, Diabetes und anderen (manchmal auch „Zivilisationskrankheiten“ genannt), sind wir damit nicht nur einem ausgeschriebenen Forschungszweig in den nationalen Entwicklungszielen Ruandas gefolgt, sondern konnten gleichzeitig Schlüsse für die unmittelbare Arbeit in der Behandlung an unserer Krankenstation ziehen. Behandlungspläne im ländlichen Ruanda sehen aktuell nicht vor Krankheiten wie die oben genannten abzufragen oder zu behandeln. Die internationale Literatur und Forschung ist sich einig darüber, dass diese ebenfalls kaum in der ländlichen Bevölkerung Afrikas vorkommen. Durch die Befragung und Untersuchung von 261 Erwachsenen Kiruhuras konnte sich zum einen Janine, Kardiologin aus Köln und Team-Mitglied von L’appel, Grundlage für ihre Dissertation schaffen. Zum anderen konnten wir bereits frühzeitig die Erkenntnis gewinnen, dass die nicht-übertragbaren Krankheiten durchaus ein Thema sind und Behandlungsbedarf besteht. Wir sind auf die Auswertung und Ergebnisse dieser Studie sehr gespannt und erwarten sie für 2016.

Die zweite Studie sollte umfassendere Daten über die Gesamtsituation der Region und der Menschen liefern. Neben Fragestellungen zu sozio-ökonomischen Faktoren ging es vor allem um Fragen der Elektrizität. Dabei war uns wichtig zum einen den genauen Bedarf der Elektrifizierung zu ermitteln, sowie die benötigte Kapazität. Es sollte geklärt werden welche elektrischen Geräte und Anwendungen bereits heute genutzt werden, als auch ermittelt werden wie sich dieser bei bestehendem Stromanschluss entwickeln würde. Zuletzt sollte die wirtschaftliche Machbarkeit einer Elektrifizierung gezeigt werden. Ihr erkennt schnell, dass diese Umfrage sehr wirtschaftliche, unternehmerische Dimensionen hat. Die Begründung dafür könnt ihr weiter unten im Bereich „Elektrizität – das Lebenselixier unserer Zivilisation?“ finden. Auch für diese Energie-Studie wurden 261 Erwachsene nach ihren Haushalten befragt. In einer etwas veränderten Umfrage konnten wir aus mehreren Dörfern der Region von Dorf-Sprechern, Oberhäuptern und Ältesten wichtige Informationen erhalten.

Ohne die Unterstützung ruandischer Partner und Helfer hätten wir diese Studien nicht durchführen können. Unser besonderer Dank gilt hier Francine und Longin von einem lokalen Solarbauer die nicht nur den Umfragebogen der Energie-Studie mit uns gemeinsam entworfen haben, sondern ein Wochenende mit uns gereist sind um unsere Übersetzer anzulernen und zu trainieren. Mindestens ebenso groß ist unser Dank an unsere sechs lokalen Übersetzer, die vier Tage lang von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang unermüdlich in den Räumlichkeiten der Krankenstation, die dadurch zum Leben erweckt wurden, Menschen befragten. Silvestre, Projektbetreuer vor Ort und Vorsitzender des Ältestenrates der Region, hat dabei erneut seine organisatorischen Fähigkeiten bewiesen und es geschafft ohne moderne Kommunikation (okay, ein paar Telefonate waren dabei) jeden Morgen koordiniert Menschen aus einem anderen Dorf zur Krankenstation zu bewegen.

Was für uns das wertvollste daran war? Wir haben endlich die Menschen der Region besser kennen gelernt. Wo in den letzten Jahren vor Ort Kinder unseren Alltag bestimmt haben sind wir nun mit den Erwachsenen, Ältesten, Weisen und Gebrechlichen in Kontakt getreten. Wir konnten hautnah ihre Probleme sehen und erfragen und haben uns ihre Geschichten anhören können. Ebenso haben wir von ihren Erwartungen und Wünschen, auch an uns, gehört und ein unheimlich feines Gefühl dafür entwickelt „wer“ eigentlich in Kiruhuha und seinen Dörfern lebt. Für diesen Mehrwert sind wir sehr dankbar.

 

 

Infrastruktur – ist wirtschaftliche Förderung überhaupt eine Aufgabe von Hilfsorganisationen? Und wenn ja, ist sie sinnvoll?

Alles fing mit einer kleinen, schönen und romantischen Idee an. Nutze das Können der Menschen vor Ort. Nimm ihre Waren, ihre Kunst und ihre Kultur und gib ihr einen neuen Markt. Benutze dafür einen wohlhabenden Markt. So wohlhabend, dass Einnahmen für die herstellenden Menschen vor Ort als Überschuss bleiben. Mehr Überschuss als sie bisher selbst erwirtschaften können. Genug Überschuss um damit anhaltende Entwicklung zu fördern. Wir mögen dieses Konzept der internationalen Zusammenarbeit sehr, denn es bringt Vorteile für alle Beteiligten mit sich. Je mehr wir uns mit dem Konzept jedoch beschäftigten, desto weniger romantisch wurde es. Es wurde geschäftlicher, es wurde buchhalterischer, es wurde größer und aufwendiger. Vor allem wurde es dadurch aber faszinierender!

 

Sehr schnell wurde uns in den abendlichen, kreativen Runden klar, dass sich dieses Projekt nur sinnhaft lohnen würde, wenn es eine gewisse Mindestgröße wahrt. Ein Ansatz der vielerorts im Kleinen umgesetzt wird scheint uns dabei nicht förderlich. In diesem Konzept reisen Privatpersonen regelmäßig ins Zielland, kaufen lokale Produkte ein bis ihre Koffer voll sind, reisen zurück nach Hause und vertreiben dort diese Produkte. Das ganze trägt sich finanziell grade so selbst. Die Entwicklungsförderung für die Menschen im Zielland besteht aus den Erlösen vom Verkauf. Da wir aber planen mit dem erzielten Gewinn der Verkäufe einen Förder-Topf zu tragen der weitere klein-wirtschaftliche Initiativen fördern soll muss größer geplant werden. Schubweise Produktion wird den Menschen letztendlich nicht ausreichend helfen. Denn wir wissen: Der Gicumbi District, in dem unsere Projektregion der Zelle Kiruhura liegt, ist der ärmste District in der nördlichen Provinz Ruandas und gehört mit einer Bevölkerung von 25% in absoluter Armut und über 40% in Armut zu den ärmsten im Land. Viele beeindruckende Entwicklungen die das Land in den letzten Jahres gemacht hat sind an dieser Region vorbei gegangen. Sie ist damit nicht mehr typisch für das Land, aber das beste Beispiel dafür wie Entwicklung nicht homogen und linear erfolgt. Sie ist nicht fair für alle. Die von der Armut betroffenen haben diese nicht selbst verschuldet. Grundsatz bei der Förderung von Initiativen sollte also dabei immer die Stärkung der ökonomischen Sicherheit sein.

In diesem Umfang kann das Projekt letztendlich nur als Social Business funktionieren. Ein eigenes Unternehmen, entkoppelt von L’appel. Dies bedeutet, dass eine gute Unternehmensplanung notwendig ist. Da zusätzlich eher mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet wurden kommen wir mit vielen Fragezeichen wieder nach Deutschland. Doch keineswegs kommen wir mit leeren Händen. Das Projekt trägt nun sozusagen neue Farben. Es ist ein verändertes Konzept und wird in dieser Form, wenn erfolgreich umgesetzt, deutlich mehr Wirksamkeit in der Entwicklung vor Ort zeigen als sein kleinerer Vorgänger. Die weitere Projektplanung und –Recherche liegt nun bei Carla und ihren wachsenden Team an der Lüneburger Leuphana Universität. An dieser Universität werden wir durch Lehrstuhlinhaber beraten. Ein weiter Weg liegt noch vor diesem Projekt und wir sind gespannt wie es sich entwickeln wird.

 

Was nun noch stehen geblieben ist, ist die Frage aus der Überschrift. NGOs und wirtschaftliche Förderung – passt das überhaupt zusammen? Große und erfolgreiche Organisationen wie ASHOKA haben ihr Dasein genau diesem Kontext gewidmet. Und das mit einem guten Grund.

Die Förderung wirtschaftlicher Entwicklung bedeutet nicht nur Kapital in erfolgsversprechende Ideen zu investieren, sondern vor allem direkt die Fähigkeiten der lokalen Menschen zu fördern. Dabei ist die Unterstützung der Gründung von Kooperativen, Initiativen oder Unternehmen die Nachhaltigste der Hilfen. Einmalige Hilfen, wie beispielsweise Akuthilfen, Lebensmittel, Medikamente, Kleidung und anderes sind Tropfen auf dem heißen Stein. Ähnlich wie ein Schokoriegel bei Heißhunger schaffen sie eine kurzzeitige Erleichterung der Problemsituation, führen aber langfristig eher zu noch mehr Problemen in Form von wachsender Abhängigkeit. Eigenständige Entwicklung braucht Ressourcen und Ideen. Ideen gibt es vor Ort zu genüge.

Konzepte die funktionieren werden stabile Arbeitsplätze schaffen. Erfolge mit diesen Geschäften führen dazu, dass Eigentümer eigenständig und kontinuierlich sich, ihre Familie und Dritte ernähren können. Was der Region in der wir aktiv sind fehlt sind Investitionen und Kapital mit dem „angefangen“ werden kann. Dieses wollen wir nicht einfach so einschießen, denn das verlagert das Problem nur. Es gegen eine „Gegenleistung“, sprich Arbeit, zu tauschen erscheint dabei sinnvoller.  Nicht ohne Grund fordern namhafte Experten wie William Easterly in seinem Buch „Wir retten die Welt zu Tode: Für ein professionelleres Management im Kampf gegen die Armut“, dass Entwicklungsgelder zukünftig eher wie unternehmerische Investitionen behandelt werden sollten – kritisch auf ihren Erfolg und die erzielte Wirksamkeit geprüft.

Und schon sind wir bei der Projektidee. Ob es richtig und erfolgsversprechend ist dieses Projekt anzugehen werden die Analysen des kommenden Jahres zeigen. Für 2016 erwarten wir hier die ersten konkreten Schritte.



Elektrizität – das Lebenselixier unserer Zivilisation?

Schon seit unserem ersten Jahr in Ruanda wissen wir aus Gesprächen, Erzählungen und eigener Erfahrung um den Bedarf der Elektrifizierung unserer Projektregion. Bewohner nennen fehlenden Strom als ihr größtes Problem. Trotzdem kommen den kulturell bewussten unserer Mitglieder schnell berechtigte Zweifel, ob die „klassische“ Elektrifizierung, gepaart mit der Erschließung der westlichen Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten der richtige Weg für jede Gesellschaft, Gruppe oder Kultur per se ist. Nichtsdestotrotz nehmen wir die Appelle und nun auch empirisch analysierten Bedürfnisse der Menschen in unserer Projektregion ernst und sehen selbstverständlich auch selbst die unmittelbaren Vorteile und Verbesserungen die durch Elektrizität erreicht werden. Wir sind uns allerdings auch der Folgen gewiss. Wie sagte Onkel Ben schon zu Spiderman: „Mit großer Macht kommt große Verantwortung“ – über Elektrizität und den Zugang zu „unserer“ Welt kann man das gleiche sagen. Die Verantwortung liegt bei uns.

 

Für unsere Energie-Studie in Kiruhura kooperierten wir mit einem privaten Unternehmen. Wir haben diesen Entschluss gefasst, da wird dieses Projekt in seiner Gesamtheit für die Zusammenarbeit mit dem öffentlichen Markt planen. Wieso? Jede Installation in der Infrastruktur benötigt Wartung, Pflege sowie Aus- und Umbau von der Sekunde an in der sie fertig gestellt wird. Jemand muss diese Aufgaben übernehmen. Jemand muss in der Lage sein diese Arbeiten zufriedenstellend durchzuführen. Wir reden hier also davon, dass sich jemand für diese infrastrukturelle Installation verantwortlich fühlen muss und die notwenige Expertise besitzt. Besonders verantwortlich fühlen wir uns übrigens, wenn es bei der besagten Sache um etwas geht wovon wir unmittelbar profitieren. Dies gilt in besonderem Maß für Unternehmen, da hier nicht nur persönlicher Profit im Raum steht, sondern auch Sicherheiten für Angestellte, Investoren, Gläubiger und so weiter.

Entwicklungsorganisationen haben bei solchen Projekte oft einen schwierigen Stand. Anreize für einzelne Personen fehlen, da niemand profitiert (außer „die Gesellschaft“). Damit ist zwar Verantwortungsgefühl für einige Beteiligte gut steuerbar, aber keine unmittelbare Sicherheit. Wie groß ist die Chance, dass bei einem solchen Infrastrukturprojekt eine NGO auf viele Jahre in die Zukunft sicher die Ausbildung von Personal für die Wartung koordiniert, die Strom-Kunden betreut, Reparaturen und Umbauten finanziert und so weiter? Wir sehen hier in der Kooperation mit Unternehmen eine deutlich größere Chance, dass diese Faktoren gewahrt werden. Schließlich sind sie in unmittelbarem Interesse des Unternehmens. Zusätzlich ist das Unternehmen gewillt am neuen Standort zu wachsen und neue Kunden zu erreichen sobald der Standort einmal erschlossen ist. Aus entwicklungsspezifischer Sicht ist das genau das was wir wollen – Menschen bekommen Strom zu fairen Preisen. Was ist fair? Nun: Das ist Thema einer anderen Diskussion und leuchtet stets auf unserem Planungs-Radar.

Um die fairste Lösung im konkreten Fall Kiruhuras zu finden kommunizieren wir nun mit einer Hand voll Unternehmen. Diese (lokalen, ostafrikanischen und auch internationalen) Unternehmen sollen jeweils ein Projektkonzept für die Region schnüren. Danach erfolgt die Bewertung dieser verschiedenen Konzepte. Idealerweise wird L’appel sich dann gar nicht mehr engagieren müssen, da sich das Unternehmen selbst finanziert. Hier geht es aber um Fragen die erst im Verlauf geklärt werden. Vorerst erwarten wir die Ergebnisse der Studie für das erste Quartal 2016 und bauen unsere Schlüsse darauf auf.

 

 

Fazit

Unsere diesjährige Reise nach Ruanda endete so wie sie begann. Carla blieb noch für einige Zeit alleine vor Ort. So sollen es auch ihre Worte sein die den Bericht schließen und damit gleichzeitig das neue Jahres-Kapitel unserer Arbeit in Ruanda eröffnen.

Diese Wochen waren für mich voller Neuem in Bekanntem, Bekanntes im Neuen, Begegnungen und Momente voller Freude, Fragen und Erfahrungen. Das Land das ich bisher als Free-Mover, für mich auf meine Weise kennen und lieben gelernt habe, hat während wir als Team dort waren, teilweise ganz neue Gesichter bekommen. Wie verhalten sich Ruander in einem unternehmerischen Kontext? Welche Rolle spielen Hierarchien und Respekt vor Vorgesetzten? Oft war es eine Geduldsprobe in bürokratischen und sozialen Systemen die sich mir erst nach und nach erschlossen haben – oder auch nie. Gleichzeitig habe ich mich dadurch auch selbst von einer neuen Seite kennengelernt. Wie gehe ich mit Situationen um? Was nehme ich gelassen hin? Was lässt mich verzweifeln?

Unsere Erfahrungen haben Sachen oft für uns als Team verständlicher und nachvollziehbarer gemacht. Schön diese Erlebnisse mit euch teilen zu können. Ich bin bewegt von vielen Gesprächen, Umarmungen und Fragen der Menschen, stolz auf das was wir in diesen Wochen erreicht haben. Gedanken die sich jetzt weiter entwickeln. Prozesse die angestoßen worden.

Ich freue mich auf das was uns in den nächsten Monaten bevorsteht und auf eure aller Unterstützung dabei.

 


Eure Delegation Ruanda 2015





Ruanda 2015 - ein persönlicher Auftakt

Reisetagebuch von Einer, die das Land schon kennt und doch zum ersten Mal dort ist

25.08.2015

11.8.2015 - Deutschland

Ich bin noch Zuhause, es stehen letzte Besorgungen an bevor es für mich morgen losgeht. Ich freue mich und bin aufgeregt mal wieder nach Ruanda zu fliegen, in das Land das mir in den letzten Jahren zu einer zweiten Heimat geworden ist. Das so fern so anders und mir trotzdem ganz vertraut ist. Viele Freunde melden sich an, freuen sich auf meine Ankunft. Und doch wird einiges anders werden dieses Jahr.

Ich reise nicht als Privatperson, die Länder und Menschen besucht und selbstständig das eine oder andere Kleinprojekt begleitet. Dieses Jahr reise ich das erste Mal als Teil der Delegation von L'appel Deutschland, das heißt für mich auch, offizieller hier zu sein. Menschen nicht als Reisende sondern als Partnerin, Auftraggeberin oder Forschende zu begegnen.
Noch bin ich aber in Deutschland, gehe durch die Läden, Gastgeschenke, Kosmetik, Insektenschutzmittel einkaufen. Es ist heiß, ungefähr so wird es dann in Kigali auch werden, ein bisschen staubiger denke ich mir. Auf der Straße sind so viele Bettler, ganze Familien stehen da und singen. Und plötzlich überkommt mich die absolute Absurdität der Situation. Da stehe ich nun nachdem ich eine große Tasche voller mittelmäßig relevanter bis unwichtiger Dinge eingekauft habe um damit wenigen Menschen in Ruanda eine Freude zu machen, während hier direkt vor meiner Haustür Menschen sitzen, die Hunger haben, so steht es zumindest auf dem Schild. Zuhause in Deutschland habe ich viel Kontakt zu Geflüchteten, die gekommen sind, weil sie in ihrem Land keine Zukunftsperspektive sehen und haben. Um Ihnen zu helfen ist es sinnvoll in diese Länder zu reisen und die Menschen direkt dabei zu unterstützen Zuhause eine Perspektive zu finden und sie nicht so lange alleine zu lassen, bis sie alles was sie haben, aus Verzweiflung hinter sich lassen, um ein Leben in Europa zu versuchen. 

Diese Gedanken bewegen mich während ich jetzt also meine Sachen packe und freue mich auf 6 Wochen in Ruanda – Zeit, die ich dafür nutze gemeinsam mit den Menschen Zukunft zu schaffen. 

12.8.2015 - Ruanda 

Ich bin angekommen. Pastor Emmanuel, der für mich Gastpapa und jetzt auch Projektpartner ist, hat mich heute Abend am Flughafen abgeholt und wir sind nach Hause gefahren, zu seiner Familie. 

Durch Kigali fahren und all die vertraut-fremden Gerüche einatmen. Ankommen. 

Die Kinder von Emmanuel freuen sich riesig mich wieder zu sehen, ich auch. Wir haben eine Zeit lang zusammen gelebt und für mich sind Sie alle Familie. Früh morgens stehen einige obligatorische Dinge an: Geldwechseln, SIM Karte besorgen, Zeitpläne mit Emmanuel besprechen damit in den folgenden Wochen alles läuft und die Zeit bestmöglich genutzt wird. Ich bin mit einem großen Rucksack voller Aufgaben und Ziele für die nächsten sechs Wochen hier in Ruanda angereist. 

Ich bin die erste der diesjährigen Ruanda Delegation, die anderen werden Ende August nachkommen. Bis dahin werde ich alleine hier unterwegs sein, sehen wie die Situation in den bestehenden Projekten, insbesondere dem Health Post in Kiruhura, ist. Neue Wege ausloten, manches vorbereiten und Euch immer wieder auf dem Laufenden halten was so passiert. Heute ist es jedoch zu spät um noch irgendetwas zu erledigen, nach dem Abendessen falle ich müde ins Bett.


Jakob im Gespräch mit "Radio Deutschland"

Ein Telefoninterview aus Sierra Leone.

24.05.2015

Was treibt jemanden an, der nach Sierra Leone fliegt um dort Entwicklungshilfe zu leisten? Warum sprechen wir eher von Entwicklungszusammenarbeit? Am Anfang des Projektaufenthalts hat Jakob ein Telefoninterview mit "Radio Deutschland" geführt. Wie zuvor versprochen möchten wir Euch jetzt die Audio-Datei zur Verfügungstellen. Hört rein, hier bekommt Ihr schnell und einfach einen guten Einblick in unsere Arbeit vor Ort.



Ein Bild sagt mehr als tausend Worte


Ein tiefer Einblick in die Gesellschaft Sierra Leones.



Sierra Leone Reisegruppe Heute war ein heißer Tag! Die Temperaturen stiegen schon früh am Morgen auf über 40°C an und die Sonne stand bereits hoch am Himmel als wir um 9 Uhr unser erstes Treffen mit Viviana und den „Outreach Officers“ Rebecca und Michaela hatten. Der klimatisierte Raum im Head Office des Magbenteh Community Hospitals kam uns also sehr entgegen. Wie versprochen hatten Rebecca und Michaela einen großen Berg an Dokumenten mitgebracht. Rebecca selbst kommt aus Freetown, lebt aber seid ihrer Jugend in der Magbenteh Community. Die SSLDF beauftragte sie in den letzten drei Monaten damit, Informationen über die Lebensbedingungen der Familien in den verschiedenen Gemeinden rund um das Krankenhaus zu sammeln. Hierbei wurde die Familiengröße, die Anzahl der Kinder, die Schwere der Armut und weitere Daten ermittelt, um aus diesen Daten die bedürftigsten Familien der Umgebung zu identifizieren. An sie gehen die Reisverteilungen und anderen Sozialprogramme des Vereins.

Rebecca brachte uns ihre Notizen und die Dokumente mit, damit wir uns selbst ein Bild von ihrer Arbeit machen können. Wir waren begeistert von der Art in der Bedürfnisse und Appelle aus der Gemeinschaft wahrgenommen und berücksichtigt werden. Wir stellten viele Fragen über die Weise in der sie die Daten gesammelt hat und waren gespannt auf mehr. Auf die Frage, ob uns Rebecca die Gemeinden zeigen könne, schaute sie uns nur mit großen Augen an: „You want to walk there?“ Genau das wollten wir!

Sierra Leone ReisegruppeUnser Treffen wurde kurz vor Beendigung durch den „Chief“ (entsprechend dem Bürgermeister) der Magbenteh Community unterbrochen, der uns im Namen seiner Gemeinde herzlich willkommen hieß. Kurzes Meet and Greet mit Foto und schon war er wieder weg - scheinbar ein vielbeschäftigter Mann.
Wir füllten unsere Taschen mit Wasserflaschen und machten uns bereit für die Tour in die Gemeinden. Rebecca vorweg, sie kannte schließlich den Weg, ging es zunächst am Highway von Makeni zur „Baptist Primary School of Makeni“, wo man uns herzlich grüßte. Diese Schule ist derzeit die einzige Grundschule in der Umgebung und zugleich Endpunkt des morgendlichen Schulwegs der Grundschulkinder, die teilweise stundenlang dorthin laufen. Die Schule war ursprünglich für 350 Kinder ausgelegt, allerdings müssen dort derzeit etwa 900 5-12-Jährige beschult werden, viele mehr würden zusätzlich kommen wenn es möglich wäre. Inzwischen war es 11 Uhr und die Hitze wurde zunehmend stärker. Wir bogen gegenüber der Schule vom Highway ab und liefen auf einer kleinen Schotterstraße durch dichtes Grün bis wir nach etwa einer halben Stunde die erste Gemeinde erreichten.
 

Sierra Leone ReisegruppeSierra Leone Reisegruppe










Die Menschen waren sehr interessiert an uns und auch wir an ihnen. Rebecca zeigte uns, wie sie ihre Assessments in der Community durchführt und übersetze für uns von Timne, der Lokalsprache, auf Englisch. Und schon ging es weiter, immer tiefer hinein in die abgelegenen Orte der Magbenteh Community, die sich vor allem dadurch auszuzeichnen scheinen, dass sie mehr und mehr von jeglicher Infrastruktur der nahen Stadt abgeschnitten sind. Es gibt weder Strom noch fließend Wasser und die Zugangsstraßen sind selbst mit Motorrädern nicht mehr zu befahren. Doch auch hier begrüßte man uns herzlich und hieß uns willkommen. Die Gemeinde schien sich, neben der Landwirtschaft, vor allem über Ziegenhaltung zu finanzieren, da hier nahezu jedes Haus Ziegen an Pfeiler angebunden hatte. Die Kinder sprangen um uns herum und versuchten sich das Jonglieren von uns abzugucken. Sofort sammelten sie Mangos und Limonen vom Boden auf und versuchten es selbst, einige mit Erfolg.

Sierra Leone ReisegruppeÜberall wurden Palmenfrüchte in großen Blechtonnen gekocht und es dampfte aus mehreren Ecken der umliegenden Häuser. Die haselnussgroßen roten Früchte, die man auch direkt geerntet essen kann, sind sehr faserig und schmecken ölig. Doch genau das ist es, wofür sie genutzt werden: Zur Herstellung von Palmöl, das zu Seife und vielen anderen Produkten weiter verarbeitet wird. Was hier im kleinen Stil betrieben wird, betreiben Firmen im sehr großem: Im Norden Sierra Leones befinden sich gigantische Palmölplantagen zur Produktion von Palmöl für den Export in die ganze Welt. Somit sind Palmkerne und Palmöl neben Kaffee, Fisch und mineralischen Rohstoffen eine der meist exportierten Waren des Landes.


Sierra Leone ReisegruppeInzwischen befinden wir uns auf dem Weg in die letzte Gemeinde die Rebecca uns vorstellen möchte. In Begleitung von circa 12 Kindern kommen wir nach einem 20 minütigen Fußmarsch durch die Wildnis an einen Ort an dem etwa 15 Häuser stehen. Die Gemeinde empfängt uns auch hier herzlich, doch die Armut ist nicht zu übersehen. Die Häuser haben keine Türen und Fenster und sind aus den einfachsten Materialien gebaut. Die Geschichten, die wir hier hören sind herzzerreißend.
Auf dem Weg zurück nach Makeni kommen wir an weiteren kleinen Palm- und Cassava-Plantagen vorbei. Cassavaleaf (Blatt der Maniokpflanze) ist übrigens neben Reis und Bohnen das dritte Nationalgericht des Landes. Frisch geerntet werden sie gekocht und anschließend für circa eine Stunde gestampft und als Beilage zum Reis serviert. Der Geschmack ist für uns gewöhnungsbedürftig.

 

Zurück im Magbenteh Community Hospital füllten wir zunächst einmal unsere Wasserspeicher wieder auf. Die dreistündige Wanderung war doch anstrengender als erwartet. Aber so durstig wir auch alle waren, so glücklich waren wir auch darüber, dass wir diese Bereicherung an Kontakten, Eindrücken und der Natur erfahren durften.
Vom Mittagessen gestärkt bespricht Simon noch einige Dinge mit Harald Pfeiffer, während Jakob, Nick und ich zum Polio Camp aufbrechen, das unweit vom MCH liegt. Dieser Ort bietet Polioerkrankten Lebensraum und Arbeitsstelle und gehört auch zu den Projekten unseres Partners, der SSLDF. Die Menschen stellen hier Schuhe, Rollstühle und Gehstützen für den Eigenbedarf und Verkauf her. Die von der Gesellschaft schwer stigmatisierten Menschen haben hier einen Rückzugsort und leben in Gemeinschaft.

Am Abend lädt uns Vivianna zum gemeinsamen Essen mit Miriam von EducAid, zwei Laborarbeitern aus dem ETC of Makeni und Harald Pfeiffer ein um weitere Details für die geplante Grundschule mit ihrer „Boarding School“ zu besprechen. Miriam, eine Britin, die übrigens genau wie wir vom Band Aid Trust Fund gefördert wurde und seit 15 Jahren mit ihrer NGO im Bereich Bildung in Sierra Leone lebt und tätig ist, gibt uns wichtige Informationen und inspiriert uns sehr. Als Gründerin von 9 Schulen, davon 5 „Primary-„ und 4 „Secondary Schools“, weiß sie wie der Hase läuft und versucht sich von der alt hergebrachten und in vielen Punkten dysfunktionalen Bildungspolitik, die die UNICEF im Land implementiert, abzugrenzen. So spricht sie sich beispielsweise gegen die Lehre von Folgsamkeit, für erweiternde Curricula und den Brückenschlag zwischen armer Herkunft der Kinder und den Lebensbedingungen an den Schulen von EducAid aus. Ihre Erfolgsquote spricht dabei für sich und ist ein untrüglicher Indikator dafür, dass ihre Arbeit wegweisend ist. Wir sind froh sie als Ratgeberin und Verbündete für das Projekt mit im Boot zu haben.

Es war ein sehr produktiver Tag. Wir konnten viele schöne Fotos schießen, die ich euch nicht vorenthalten möchte. Denn frei nach dem Motto „ein Bild sagt mehr als tausend Worte“ wollen wir euch einladen die Menschen und die Atmosphäre in den Gemeinden auch visuell wahrzunehmen.

Euer Till

Sierra Leone ReisegruppeSierra Leone Reisegruppe













From mines to minds

Der Wandel eines Landes - im Zeichen der Zeit.

23.05.2015

Sierra Leone ReisegruppeSierra Leone Reisegruppe











Nach einer im wahrsten Sinne des Wortes rauschenden Reggae-Party am atemberaubend schönen Bureh-beach nahe der Hauptstadt Freetown entschieden wir uns noch einige Stunden dort zu verbringen. Entsprechend war heute ein verhältnismäßig entspannter Tag. Darum wollen wir den heutigen Block nutzen, um euch ein paar Hintergrundinformationen zu unserem neuen Projektland Sierra Leone zu geben.

Sierra Leone ReisegruppeMit seinen rund 6 Millionen Einwohnern ist die westafrikanische Republik zwischen Guinea und Liberia gelegen. Traurige Berühmtheit erlangte Sierra Leone aktuell durch den verheerenden Ausbruch der Ebolafieber-Epidemie und zuvor durch den 11 Jahre andauernden, barbarischen Bürgerkrieg, der erst zwei Jahrzehnte zurück liegt . In diesem Konflikt zwischen Regierungstruppen und der Rebellenarmee Revolutionary United Front (RUF), der Schätzungen zufolge bis zu 300 000 Menschenleben forderte, spielten die üppigen Diamantenvorkommen des Landes eine zentrale Rolle. Mithilfe dieser sogenannten Blutsteine, die während des Krieges durch Zwangsarbeit in zahlreichen Mienen gewonnen, außer Landes geschmuggelt und dann in Europa und den USA gewinnbringend verkauft wurden, konnten die jahrelangen Auseinandersetzungen finanziert werden. Auch Gold und seltene Erden wie Koltan und Bauxit verbergen sich in den fruchtbaren Böden des Landes.

Sierra Leone Reisegruppe Sierra Leone verfügt somit eigentlich über mehr als genug Ressourcen, um Wohlstand für seine Einwohner zu ermöglichen. Bemessen auf Fläche, Ressourcen und Einwohnerzahl könnte es rechnerisch sogar zu den am besten gestellten Ländern der Welt gehören. Korrupte Machthaber und profitgierige, multinationale Konzerne, die das Land seinen Schätzen berauben und sie im Ausland vermarkten tragen jedoch ihren Teil dazu bei, dass Sierra Leone de facto eines der ärmsten Länder der Welt ist. Im Human Development Index (HDI) der Vereinten Nationen rangiert es auf Platz 183 von 187. Konkret bedeutet das, dass über 70% der Bevölkerung am absoluten Existenzminimum von unter einem US-Dollar am Tag leben müssen. Es drängt sich ein Zitat des globalisierungskritischen ehemaligen UN-Sonderberichterstatters Jean Ziegler in den Sinn. Der nämlich sagt in seinem Werk „50 Vorschläge für eine gerechtere Welt“ folgendes: „Es geht nicht darum, den Armen mehr zu geben, sondern weniger wegzunehmen.“
Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei nur etwa 45 Jahren. Vor allem Neugeborene und Kinder sind von den Folgen der absoluten Armut betroffen: Die Säuglingssterblichkeit liegt bei nahezu 20%, die Müttersterblichkeit bei 2%, da nur ein Drittel aller Geburten medizinisch betreut werden können. Schätzungen zufolge erlebt fast jedes dritte Kind seinen fünften Geburtstag nicht. Der flächendeckende Zugang zu sauberem Trinkwasser, grundlegender Bildung, sanitären Einrichtungen und vor allem medizinischer Versorgung fehlt vielerorts nahezu vollständig. Über die Hälfte der Einwohner von Sierra Leone können weder lesen noch schreiben.

Sierra Leone ReisegruppeSeit seiner „Entdeckung“ 1440 durch die Portugiesen wurde Sierra Leone nicht nur wirtschaftlich sukzessive ausgeraubt, sondern verlor weitestgehend auch seine ursprüngliche Kultur. Ein Blick in die Geschichte dieses vielfach vergewaltigten und verstümmelten Landes lässt erahnen warum: Zunächst wurden in der portugiesischen Kolonialzeit hauptsächlich durch die späteren englischen Machthaber hunderttausende von Menschen aus Westafrika als Sklaven in die Neue Welt verkauft. Nach Verbot des Sklavenhandels in England 1807 wurden viele ehemalige Sklaven aus den unterschiedlichsten Teilen und Kulturen des Kontinents nach Westafrika zurückgebracht. Die Wahl fiel auf das Territorium der heutigen Hauptstadt Freetown, die dadurch zu ihrem Namen kam. Es folgten Zehntausende von Menschen aus sämtlichen Ländern der Westküste Afrikas. Alle brachten ihre eigene Kultur mit, die meisten verloren sie unter britischer Herrschaft und in den folgenden Kriegen jedoch vollständig in einem Gemisch aus verschiedenen christlichen Strömungen, Naturreligionen wie dem Voodoo, „Witchcraft“ und dem Islam, der sich seit Anfang des 18. Jahrhunderts in Sierra Leone ausbreitet und zu dem sich heute rund 80% der Menschen bekennen. 1961 wurde die wild zusammengewürfelte, britische Kolonie in die Freiheit entlassen und versank zunehmend im Chaos, das von 1991-2002 im eingangs erwähnten Bürgerkrieg gipfelte von dem es sich seither nur schleppend erholt. Vor allem die Bildungs- und Gesundheitssysteme können ihre Aufgaben nicht erfüllen. Die Ebola Epidemie, die derzeit Sierra Leone und seine Nachbarn heimsucht ist eine der Folgen davon und stürzt das Land in eine erneute Krise.

Sierra Leone ReisegruppeWir befinden uns mittlerweile auf der Rückfahrt von unserem sehr wohltuenden und auch projekt-technisch äußerst wertvollen Tag am Strand, bei dem wir mit Vertretern vieler lokaler und internationaler NGOs ins Gespräch kommen und Kontakte knüpfen konnten. „From mines to minds“ ist im Vorbeiflug in weißer Farbe auf einem Schulgebäude zu lesen. Dieser Appel beschäftigt uns die restliche Rückfahrt – passt er doch nur allzu gut in die neuen Bildungsprojekte, die wir gemeinsam mit unseren lokalen Partnerorganisationen planen. Diese nämlich sollen junge Menschen dazu ermutigen sich Kraft ihres Geistes aus der erlernten Hilf- und Perspektivlosigkeit zu befreien, statt sich -plakativ gesprochen- Prostitution und unmenschlichen Arbeitsbedingungen, wie sie in vielen Mienen herrschen, hinzugeben. Am Abend planen die Treffen und Interviews für den nächsten Tag und fallen dann todmüde, aber in großer Vorfreude auf das Kommende in unsere Betten.


Euer Nick
 



Mama Salone

Zuhause ist dort, wo wir Liebe und Familie finden.

22.05.2015
Sierra Leone Reisegruppe

Es ist sieben Uhr dreißig, als der Wecker uns aus unseren Träumen reißt. Nichts hält mich in den Kissen, wie ich es aus Deutschland gewohnt bin - hier spiegelt sich die große Entfernung zwischen Sierra Leone und unserer Heimat wieder. Der Tag wartet auf uns voller Ereignisse, für die es sich lohnt ohne weitere Verzögerung zu starten. Wir haben einen sehr vielversprechenden Arbeitstag mit drei großen Punkten vor uns: das am Montag beschlossene Training der WHO, zur gleichen Zeit wird Jakob ein Interview mit "Deutschland Radio" führen und am Nachmittag treffen wir Pastor Jose Ubaldino, der in Freetown mit der katholischen Mission Don Bosco ein Wohnstätte für Straßenkinder betreibt. Der krönende Abschluss unseres Tages ist besonders angenehm und wohlklingend: wir sind auf einer Hochzeit an einem der wunderschönen, tropischen Strände nahe Freetowns eingeladen.

Jetzt am frühen Morgen dürfen wir uns jedoch zuerst mit einem leckeren Frühstück mit Porridge, frischen Mangos und Ananas stärken. Wir bemerken, dass wir trotz der großen Distanz zu Deutschland immer mehr ein neues Zuhause hier in „Mama Salone“ finden – so nennen die Sierra Leonies Ihre Heimat. Vor dem Training haben wir ein kurzes Meeting mit Viviana, aber um Punkt neun treffen wir uns mit den offiziellen der WHO. Gemeinsam mit 21 „Cleaner“, Mr. Bangura (Krankenhausdirektor und Supervisor der Aktion) soll uns von Dr. Martina von der WHO die Details einer Dekontamination eines „Ebola Treatment Centers“ gezeigen werden. Es dauert einige Minuten bis der Beamer aufgebaut ist und die perfekte Position der Zuhörer eingenommen ist. Als es endlich losgeht stellen wir fest, dass die Präsentation zwar vorbildlicher Weise in Krio, der Landessprache, gehalten wird, die an die Wand geworfenen Folien jedoch nur aus englischen Texten bestehen. Kein einziges Bild illustriert die sachgerechte Beseitigung von kontaminierten Gegenstände, Anziehsachen oder Toiletten. Keine Bilder über die sichere Verbrennung von Abfall. Keine Bilder zu den konkreten Arbeitsabläufen und grundlegenden Prinzipien des professionellen „ Decomissioning and Decontamination of an Ebola Treatment Center“. Was scheinbar von der WHO vergessen wurde, ein Großteil der Anwesenden sind Analphabeten und sprechen kein Englisch. 
Mit gemischten Gefühlen verlassen wir den Schulungsraum. Man darf gespannt sein, wie lange es wirklich dauern wird bis die Arbeiten beendet sind und das Krankenhaus wieder mit voller Kapazität arbeiten kann. Umso spannender ist die Frage, ob die WHO die Ihr obliegende Zuständigkeit für die Koordinierung am Standort tatsächlich verantwortungsvoll übernimmt.

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Nach einer zweiten Begehung des verlassenen Geländes des Behandlungszentrums begleiten wir Dr. Martina und Ihren Assistenten zur Krankenhauspforte. Dort stoßen wir auf Viviana, die uns auf ein spontanes Kennenlerntreffen mit Miriam Mason-Sessay einläd. Also ab zur Universität von Makeni, wo Miriam auf uns wartet. Als wir ankommen stellt sich raus, dass Sie leider noch ein zweites Treffen hat, weswegen Sie uns nur in knappen, aber von Erfahrung strotzenden Sätzen, von Ihrem Lebenswerk erzählen kann. Sie gründete und leitet insgesamt neun Internaten für Waisenkinder mit Ihrer Organisation EducAid. Wir sind zutiefst beeindruckt von dieser kraftvollen und liebevollen Frau und wollen die Chance nicht verstreichen lassen, Sie näher kennen zu lernen. Wir laden Sie zu einem gemeinsamen Dinner im Magbenteh Community Hospital am Montag ein und verlassen tief beeindruckt die Universitätskantine.

Zurück zu Hause im Krankenhaus treffen wir auf einen schweißgebadeten, erschöpften und dennoch mit sich sehr zufrieden  Jakob. Die Netzverbindung für sein Telefoninterview mit Radio Deutschland war im Schatten nicht ausreichend und so musste er für 40 Minuten in der gleißenden, erbarmungslos herunterbrennenden Mittagssonne stehen und dabei gedankliche Hochleistung vollbringen. Im Interview ging es um unsere Verbindung zum Land, wie wir grade an diesen Standort gekommen sind, warum und wie wir uns engagieren, was die Quelle unserer eigenen Motivation ist, die Ziele unserer Arbeit, wie wir von den Menschen in Sierra Leone aufgenommen werden, den emotionalen Zustand der Gesellschaft hier (nah am Ende der Ebola-Krise) und einiges mehr.

 

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Schnell Projektordner, Hemd und (Bade-)Hose eingepackt und schon verlassen wir mit reichlich Verspätung die Klinik – auf zur Hochzeit nach Freetown. Im vollgepackten Jeep rasen wir zu sechst gen Hauptstast, den wunderschön in allen Farben bemalten Autos folgend. Auf den engen Straßen überholen wir die meisten, aufgrund Ihres jämmerlichen Wartungszustandes und Ihrer maßlosen Überladung, langsam fahrenden Autos in waghalsigen Manövern sobald die Straßenbreite es zulässt. So gut wie jedes Auto in Sierra Leone ist mit einer sinnvollen, segensbringenden oder den Status des Fahrers anzeigenden Botschaft beschrieben. So werden wir begleitet von „Big Boss“, „ Big Mummys“, „God bless Allah“, „Smoll Smoll“ und unzähligen weiteren amüsanten Slogans! 

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Nach stundenlanger Fahrt erreichen wir den Zubringer-Highway von Freetown. Die Hauptstadt Sierra Leones liegt eingekesselt von einer wunderschönen Bergkette und dem Sierra Leone River mit seiner weitläufigen Mündungsbucht auf einer Halbinsel an der Küste des Atlantiks. Der einzige Zugangsweg über Land ist der Highway von Waterloo über Devils Hole nach Freetown. Außer dem Highway existiert nur eine weitere Straße, die sich an der Küste vom Süden her der Stadt über eine von Schlaglöchern übersäte Holperpiste annähert. Ja, nur annähert, denn kurz vor den Toren der Stadt endet die Piste im Wasser des River No.3: die Brücke über den Fluss ist im Krieg zerstört worden. Von Devils Hole bis zu den Outskirts of Freetown schlängelt sich der vierspurige Highway den Berg hinauf um dann abrupt zu einer einspurigen Straße zu degenerieren und damit das Nadelöhr zur Stadt zu bilden. Dementsprechend plötzlich stehen wir in dichtesten „Traffic Jam“, umhüllt von schubweise heranwehenden Staub- und Rußwolken, an einer Stelle kurz bevor der tropische Regenwald den atemberaubenden Blick hinunter auf das dicht gedrängten Moloch Freetowns frei gibt. Ab hier gibt es für mehrere Kilometer nur noch die Sandpiste, der seit Jahren anhaltenden Straßenbaustelle. 

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In Serpentinen geht es hinab, die Ausläufer des Bergzuges in unserem Rücken. Vorbei an den mit dicken Mauern und Stacheldraht gesicherten Villen, der kleinen reichen Oberschicht, der Regierungsriege des Landes und der hochbezahlten ausländischen Angestellten multinationaler Konzerne, die das Land ihrer Bodenschätze berauben. Hier finden sich auch alle gängigen Botschaften und Konsulate. Am gegenüberliegenden Bergrücken erblicken wir einen grauen gigantischen Bunker mit einer hohen, das riesige Areal umgebenden, Mauer: die Botschaft der USA. Direkt darunter kann man durch die klare Meeresluft die Slums dieser Millionenstadt erkennen. Dicht zusammengedrängt stehen die kleinen Hütten um den Hafen am äußersten Zipfel dieser landschaftlich so ambivalenten Halbinsel, die neben dem urbanen Stadtbild auch noch karibisch anmutende Strände beheimatet. Je näher wir dem Stadtkern kommen, desto älter werden die Häuser. Diese geheimnisvoll und sagenumwoben aussehende Gebäude werden hier „bode ose“ oder „krio houses“ genannt. Beim Anblick dieser Häuser fühle ich mich wie in einer Stadt im Mississippi Delta des 19. Jahrhunderts. Der Verkehr ist hier nicht mehr so dicht. Jedoch haben wir mit überqueren der Grenze zur Altstadt das Revier der verrückten und todeslustigen Motorradtaxifahrern betreten. Links und rechts quetschen sie sich in halsbrecherischen Tempo zwischen unserem und den entgegenkommenden Auto oder den Hauswänden hindurch.

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Nach kurzer Fahrt erreichen wir das Wohnheim Fambul (Krio für Familie) der Don Bosco Mission. Kein Kinderheim im herkömmlichen Sinne, sondern ein Wohnheim für Straßenkinder, die nur bis zur erfolgreichen Reintegration in Ihre alte oder neue Pflegefamilie übergangsweise hier wohnen können. Die ausschließlich männlichen Kinder und Jugendliche kommen aus den ärmsten Verhältnissen der Stadt und des ganzen Landes. Freiwillig oder gezwungenermaßen verlassen Sie Ihre Familien aus den unterschiedlichsten Gründen. Hier in der Hauptstadt arbeiten Sie vor allem auf dem Markt und verdienen als Träger das Geld für Ihr tägliches Überleben. Vor Ebola-Zeiten waren die Streetworker der Mission auf den Märkten der Stadt unterwegs mit einem extra dafür hergerichteten und mit Spielzeug und Sportgeräten ausgestatteten Bus. Den Kindern sollte neben Spiel- und Sportmöglichkeiten auch kulturelle Aktivitäten, wie Improvisationstheater und Musik ermöglicht werden. Dabei konnten die Streetworker die Kinder kennen lernen und gegebenenfalls von der Notwendigkeit zur Schule zu gehen überzeugen. Alles mit dem Ziel das Kind wieder in eine oder seine Familie zu reintegrieren. Der venezuelanische Leiter des Hauses, Pastor Ubaldino, empfängt uns herzlich an der Eingangstür und führt uns durch das große mit mehreren Treppen, Gängen und Innenhof verschachtelte Haus. Es ist Nachmittag und fast alle Jungen halten sich in dem großen, sonnendurchfluteten Innenhof auf, der als Sport- und Spielfeld gestaltet wurde. Wild tobend und schreiend erfüllen Sie das Haus mit Leben. Im fünften und obersten Stock befinden sich die Verwaltungsräume und der Aufenthaltsraum der Brüder der Don Bosco Mission. Von dem Balkon zur Vorderseite des Hauses blickt man über die Stadt auf das Meer und zur Rückseite überblickt man ein kleines Slumgebiet, das auf der anderen Straßenseite beginnt. 

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Bei einem Kaffee erzählt uns der Pastor von der Arbeit mit und für die Kinder. Insbesondere seine Schilderung der Situation während der Ebola-Hochzeit geht unter die Haut. Er berichtet von den Zuständen der sogenannten Interim Care Centers (ICC) zur Versorgung der Kinder, deren Eltern an Ebola leidend in einem der Behandlungszentren verweilten. Auf Grund der hohen Gefahr einer Infektion durch die Eltern muss für 21 Tage (Inkubationszeit von Ebola) ebenfalls unter Quarantänebedingungen für diese Kinder gesorgt werden. Während die Zentren von Don Bosco oder Cap Anamour aus allen Nähten platzten, stand zum Beispiel das für Millionen von Euro errichtete Behandlungszentrum der britischen Ebola-Hilfe in Kerrytown vollkommen leer! Es ist erschreckend und traurig zu sehen wie auch hier die Hilfe auf Grund von Fehlverteilung, überdimensionierten Vorsichtsmaßnahmen und mangelnder Kooperation nicht ankamen. Versehen mit neuen wertvollen Informationen zur Waisen- und Straßenkinderproblematik und deren Lösungsansätzen verabschieden wir uns von Pastor Ubaldino. Der letzte Tagespunkt steht an: Die Hochzeit am Strand von Freetown. 

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Auf dem Weg zum Bureh Beach, zurück über das „Nadelöhr“ und um die gesamte Halbinsel herum, können wir einen kurzen Blick auf das Ebola Zentrum von Ärzte ohne Grenzen und auch auf das besagte in Kerrytown werfen. Es beginnt schnell zu dämmern, wie es nahe des Äquators üblich ist und als wir den Strand erreichen steht die Sonne schon am Horizont. Es empfängt uns eine einmalige Atmosphäre: vor Ihren Fischerhütten sitzen die Bewohner vorm Lagerfeuer um sich ihr Abendessen mit Fisch und Reis zu kochen. Unter den dichten Bäumen erleuchtet der geheimnisvolle Feuerschein die Szenerie. Durch die Rauchschwaden hindurch sehen wir den von Palmen gesäumten weißen Sandstrand, dahinter das offene Meer mit der untergehenden Sonne. Die Party hat noch nicht begonnen, da das Brautpaar noch auf sich warten lässt. Darf ich vorstellen: Imma aus Spanien heiratet David, einen Yogalehrer, aus Sierra Leone. Beide gehören der Rastafari-Community an und so sorgt eine bekannte Reggea-Band für die passende Musik, zu der die vielen Gäste barfuß im Sand tanzen. Endlich trifft das Brautpaar ein! Eine Frau kommt auf uns zu: „Give me your shirt, give me your shirt!“ ruft sie verzweifelt. Ich verstehe nicht warum Sie so dringend gerade mein Hemd braucht. Als Sie das zweite Mal mit Nachdruck darum bittet gebe ich es Ihr. Jetzt verstehen wir warum: zum Einzug des Brautpaares ist es Sitte der Rastafaris, dass alle Frauen Ihren Kopf bedecken. So erlebe ich das erste Mal in meinem Leben den Einzug eines Brautpaares mit nacktem Oberkörper. Die Party startet früh und geht bis tief in die Nacht. Die Gäste feiern glücklich und ausgelassen zu den Klängen Bob Marleys. Kurz bevor wir nach ausgiebigem Tanzen und anschließendem gemütlichen Sitzen um das großen Freudenfeuer am Strand zu später Stunde todmüde in unser Zelt fallen, gehe ich für einen letzten ruhigen Moment des Tages am Meeresufer entlang.

In der Ferne höre ich schnell näherkommend den Ruf einer großen Schar von Zugvögeln, die entlang der Küste gen Süden fliegen. Am monderhellten Himmel sehe ich sie in ihrer typischen Keilformation über mich hinweggleiten. „Woher kommen sie und wohin ziehen sie? Was ist ihr Zuhause?“ Die letzten Gedanken eines ereignisreichen und wundervollen Tages, mit dem wir noch mehr im Schoß von „Mama Salone“ angekommen sind! 

Gute Nacht! Euer Simon


Das Abhängigkeits-Syndrom

Ein "Krankheitsbild" der Bevölkerung armer Länder.

21.05.2015

Das "Abhängigkeitssyndrom" beschreibt eines der am weitesten verbreiteten Krankheits-Syndrome armutsbelasteter Bevölkerungen. Das Syndrom beschreibt die Einstellung und Überzeugung, dass eine Gruppe von Menschen Ihre Probleme nicht ohne Hilfe von außen lösen kann. Zu den größten allgemeinen Risikofaktoren gelten das Leben in absoluter Armut, schlechte Regierungsführung, Ausbeutung durch Industriestaaten, aber auch ungeschickte Wohlfahrt und Wohltätigkeit Anderer und der damit verbundene Verantwortungsentzug für das eigene Schicksal. Die genaue Auseinandersetzung mit jeden einzelnen dieser Faktoren würde ein Buch füllen. 

Sierra Leone ReisegruppeBetroffen sind vor allem Menschen mit Einkommen von unter einem Euro am Tag und deren Kinder, die durch das Setting in das Syndrom hinein geboren werden. Wie bei einer genetischen Erkrankung wird das Abhängigkeitssyndrom an die nächste Generation weiter vererbt. Das Abhängigkeitssyndrom wird also, sowie die Armut, mit jeder Generation schwerwiegender und intensiver. Die Prognose für die Betroffenen des Syndroms ist schlecht und in der Regel mit einer Verkürzung der Lebenserwartung verbunden. Es bedeutet ein Leben in instabilen Lebensverhältnissen, hoher Kinderzahl pro Familie, Aufgabe von Hoffnung, Perspektivlosigkeit – ein Leben von der Hand in den Mund. Die starke Lebensgemeinschaft und der Zusammenhalt unter den betroffenen Menschen kann dabei nur bis zu einem gewissen, meistens niedrigen, Schwellenwert die Symptome kompensieren. Mit Erstauftreten der Symptome rutschen die Menschen immer mehr in die ungewollte Abhängigkeit und das Einzelkämpfertum ab. 

Ich wollte Euch mit dieser kleinen, „medizinischen“ Einleitung den Begriff des "Abhängigkeitssyndroms" näher bringen. Die Parallelen zwischen diesen Gesellschaftsphänomenen und einer medizinischen Krankheit sind so markant, dass der Begriff des "Dependency Syndromes" bereits bei einigen Offiziellen etabliert ist. Auch die Menschen in Sierra Leone leiden unter diesem Syndrom. Für uns ist die Auseinandersetzung mit dem Problemgeflecht hinter diesem Begriff nichts Neues. So begleiten uns die vielen armutsfördernden Faktoren täglich bei der Arbeit, sind Grund für unserer Existenz und die Ursache, wieso wir weiter machen und das Ziel des Vereins immer im Auge behalten müssen. Wir wollen das selbstständige Engagement der Betroffenen fördern und somit langfristig und tiefgreifende Veränderungen bewirken. Tiefer in das Thema einzusteigen übersteigt aber definitiv das Format dieses Blogs und selbst jetzt habe ich schon ein kleines schlechtes Gewissen Euch wieder mit so viel Text zu quälen. Kommen wir also zum Punkt. ;)

Der aktuelle Grund wieso ich über diesen Begriff nachdenke ist, dass er uns heute das erste Mal in einem offiziell Meeting begegnete. Er wurde in einem Meeting genutzt, dass augenöffnend und inspirierend war. Willkommen zum Blog dritten Tag unserer Reise. Heute lernten wir eine seit fast 25 Jahren in Sierra Leone tätige und, viel wichtiger, vollständig durch Sierra Leonies geführte Entwicklungshilfsorganisation kennen. Der Name der Organisation lautet MADAM und Sie brachte uns den Begriff „Dependency Syndrome“ bei.

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Unser Termin war auf 9:00 Uhr festgelegt. Typisch brauchten wir für unseren Aufbruch dann doch etwas länger und um 9:15 Uhr fuhren wir auf dem Hof von MADAM am anderen Ende Makenis. In der fünfzehnminütigen Zwischenzeit hatte Mohamed Conteh, der Direktor der Organisation, es geschafft mich anzurufen und sich bei mir zu erkundigen ob wir Probleme auf dem Weg haben - er mache sich aufgrund unserer Verspätung Sorgen. Ein klares Statement für die Art der Arbeit bei MADAM - pünktlich, koordiniert, engagiert. 
Wie bei allen unseren Meetings und Besuchen hatten wir in Vorfeld der Reise einen Fragenkatalog mit Themen und konkreten Inhalten erstellt. Zum Einen um uns selber vorzubereiten und keine relevanten Dinge in den langen Gesprächen zu vergessen, zum Anderen um auch unseren Gesprächspartnern die Gelegenheit zu geben, sich auf das Meeting vorzubereiten. So hatte auch MADAM im Vorfeld den Fragenkataloges erhalten.

Sierra Leone ReisegruppeWas nun folgte war ein weiteres Statement. Nicht nur hatten Sie den Fragenkatalog erhalten und ausgedruckt (das alleine wäre schon ein Sieg für die Kommunikation gewesen), sondern sämtliche Fragen in digitaler, schriftlicher Form minutiös beantwortet. Diese dann als Agenda für das Meeting aufgereiht, sechs oder sieben Personen aus der höheren Management-Ebene an den Tisch geholt, um die jeweiligen Fragen von den jeweiligen thematischen Experten beantworten zu lassen und uns dann damit herzlichst in ihrem Konferenzraum empfangen. Erster Eindruck? Eingeschüchtert. Auf diesen Level waren wir nicht vorbereitet – wäre ein Anzug angemessener gewesen?
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Der Business-Charakter dieses ersten Eindrucks verflog jedoch nach und nach als das Gespräch nach einer formalen Eröffnung und Vorstellungsrunde langsam flüssiger wurde und an Fahrt gewann. MADAM berichtete uns über Ihre Programme, die langjährige Erfahrung Ihrer Arbeit und über Erfolge, die auf dem Weg gefeiert werden konnten, sowie von den Problemen und Hindernissen, denen man in der Arbeit in Sierra Leone begegnet. Unsere Neugier über Hintergrundinformationen konnte ebenfalls gestillt werden und wir erfuhren viele faszinierende Fakten zur Arbeit der Konzerne im Land, zu Landenteignungen, zur Entwicklung der Gemeinden, zum Bürgerkrieg. Ferner auch zu spezifischeren Themen wie der Ebola-Stigmatisierung, der Waisensituation, berichteten Fällen von Menschenhandel, Fehlern der NGO’s und der internationalen und nationalen Regierungsorganisationen. Das Meeting dauerte mehrere Stunden, letztendlich konnten wir den Fragenkatalog schließen und eine Mittagspause machen. 

MADAM lud uns ein, eines ihrer Projekte zu besuchen. Das war für uns natürlich eine besondere Gelegenheit mit eigenen Augen zu sehen wie die lokalen Menschen versuchen ihre Probleme selbst zu lösen – wie Sie dem Abhängigkeitssyndrom selbst begegnen. Wir machten uns also mit einem Mitarbeiter von MADAM auf nach Makali, welches 45-minütige Fahrt ins „Hinterland“ südostlich von Makeni entfernt liegt. Die Siedlungsdichte nahm mit jedem Kilometer ab, die Berge rückten näher an die Straße, die Vegetation wurde dichter. Die grün flankierte Straße schlängelte sich beinahe unrealistisch anmutend durch eine Landschaft, die noch nie von Menschenhand berührt worden zu sein schien. Die Natur Sierra Leones ist immer wieder beeindruckend und eine Erwähnung wert.

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In Makali angekommen besichtigten wir eine Grundschule, die von MADAM seit einigen Jahren erfolgreich betrieben wird. Sie begegnet einer Vielzahl von Problemen gleichzeitig. Ich als Mediziner würde das jetzt interdisziplinär nennen. Hier wird ein „Symptom“ durch eine Choreographie von zusammen wirkenden Maßnahmen breitbasig und vernetzt angegangen. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit für Erfolge – das funktioniert spannenderweise in der Medizin genauso (nicht die einzige Parallele zwischen beiden Welten!). Die Besonderheit dieser Schule ist, dass sie nur so genannte „Drop-Out’s“ betreut. Drop-Out’s sind Kinder, die aus verschiedenen Gründen in der Vergangenheit die Schule vorzeitig verlassen haben. Die häufigsten Gründe hierfür sind: Armut im Elternhaus, weswegen Schuluniform und Schulmaterialien, sowie Gebühren nicht mehr bezahlt werden konnten, alleinerziehende Eltern, Krankheit in der Familie oder ökonomische Unsicherheit, die das Kind dazu zwingt ein Einkommen für die Familie zu erwirtschaften. Alles auch Effekte, die im Zusammenhang mit der Ebola-Epidemie stehen. MADAM nähert sich diesen Kindern in den Gemeinden langsam an und integriert Sie in der Schule wieder in das Bildungssystem, die Kosten dafür trägt das Programm. Über die Vertrauensbasis, die sich die Sozialarbeiter von MADAM mit dem Kindern und Jugendlichen aufbauen, können sie tief in Ihre sozialen Strukturen und Probleme eintauchen. Sie schaffen es so nicht nur in dem jeweiligen Kind einen Denkprozess anzustoßen, an dessen Ende die freiwillige Entscheidung stehen soll wieder die Schule zu besuchen, sondern auch in der Familie ein Verständnis dafür aufzubauen.

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Parallel zur Grundschulbildung, erhalten die Kinder extracurriculare Bildungsmöglichkeiten – ähnlich einer Berufsschule. Dies ist vielleicht der relevanteste Bonus in der Ausbildung. Denn er greift das Problem direkt an und zeugt vom Verständnis der wahre Problematik. Vielen Drop-Outs steht durch ihr Alter der Weg an die Sekundarschule und noch höhere Ausbildungen kaum mehr offen. Zusätzlich sind Sie ja nicht ohne Grund Drop-Outs geworden. Eine simple Bereitstellung von Primärbildung würde also an dem Problem selbst nichts lösen. Die Kinder/Jugendlichen würden nach ihrem Abschluss einfach wieder in die gleichen Armutsverhältnisse entlassen werden, könnten nicht von der Bildung profitieren und würden wieder tageweise arbeiten und die Familie unterstützen. Was ist dann der Wert der erfolgten Bildung? Erst wenn man den Jugendlichen zusätzliche Kompetenzen gibt, die es ihnen ermöglichen die alten Verhaltensweisen abzulegen und andere Möglichkeiten zu wählen, können Sie von der Bildung profitieren. Simple Dinge wie eine zusätzliche Näher-Ausbildung eröffnet neue Arbeitsmärkte, neue Kompetenzen und eine bessere Chance zur Bekämpfung von Armut – dem Ursprünglichen Grund für das „Out-Droppen“. Man nennt das „capacity-building“.

Für die erfolgreiche Bekämpfung des Abhängigkeitssyndroms gibt es keine Pauschallösung. Keine Wunderpille. Lokale und individuelle Probleme brauchen lokale und individuelle Lösungen. Sie müssen innovativ, mutig und passioniert verfolgt werden. MADAM hat uns an einem Beispiel gezeigt wie so ein Lösungsansatz aussehen kann und uns damit eine Menge frischer Gedanken mit auf den Weg gegeben.

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Auf der Rückfahrt nach Makeni hielten wir noch am Mateh Ebola Treatment Center an, das aktuell im „stand-by“-Modus betrieben wird. Seit wenigen Monaten ist auch diese Einrichtung ohne positiven Ebola-Patienten und wird von den „International Medical Corps“ aus Groß Britannien betrieben. Wir ließen uns eine kurze Führung über das Gelände geben und konnten mit dem dortigen IPC-Experten (Infection and prevention control) einige Fragen zu dem noch anstehenden Abbau des ETC (Ebola Treatment Center) am Magbenteh Community Hospital klären, von dem wir Euch vor einigen Tagen schon berichtet haben. Zurück in Makeni war unsere Arbeit trotz des langen, Reiseintensiven Tages noch nicht beendet. Für den Abend hatten wir noch zwei Interviews und ein Meeting mit Viviana geplant.

Nick und ich (Jakob) versanken mit Viviana im Gespräch über die Unfassbarkeiten, die einigen NGO’s hier in der Vergangenheit widerfahren sind, über Korruption und Fälschung von Tatsachen, Vertrauen und Ehrlichkeit und vor allem das Abhängigkeitssysdrom. Wie soll man Projekte in einem so extrem besonderen Land wie Sierra Leone überhaupt anpacken? Till und Simon hatten die Chance ein Gespräch mit Mohamed Kalokoh und Aminatu Bah zu führen, beide Mitarbeiter und Mitarbeiterin des Pflegepersonals im Magbenteh Commuity Hospitals. Vor allem waren Beide auch während der Ebola-Krise im Einsatz und konnten somit einen unverfälschten Bericht der Erlebnisse im Ebola Treatment Center abgeben. Diese bewegenden Interviews werden wir selbstverständlich auch für Euch aufarbeiten und in Zukunft zur Verfügung stellen. 

Ich werde diesen Blogeintrag jetzt schließen. Meine Gedanken zum "Abhängigkeitssyndrom" kreisen jedoch weiter. Die Zeit hier in Sierra Leone bringt mich in dem Thema "Entwicklungszusammenarbeit" weiter voran, als alles zuvor. Es kann also sehr gut sein, dass Ihr mich an einem anderen Ort, zu einer anderen Zeit wieder von dem "Abhängigkeitssyndrom" erzählen hören werdet ;) 

Euer Jakob






Die Natur - ein Greenroom

In der grünen, wilden Natur Makenis zeichnet Pastor Famundo ein Bild der Zukunft. 

20.05.2015 

Die erste Nacht in unseren neuen Betten haben wir so tief geschlafen, dass das Gewitter fast unbemerkt an uns vorbei zog. Die Strapazen und Eindrücke der Anreise konnten wir in unseren Träumen umso besser verarbeiten.

Nach dem Frühstück auf der Terrasse des Gästehauses stand bereits unser erstes Treffen für den Tag an: Eine Begehung des ETC (Ebola Treatment Center) zusammen mit zwei Vertretern der WHO. Zusammen besichtigen wir die gespenstig verlassene „Red Zone“, in der sich die Ebola-Patienten aufhielten, sowie die administrativen Bereiche und zurückgelassenen Gruben, in denen kontaminiertes Material verbrannt wurde. Die Anlage, mit ihrer ehemaligen Kapazität von 100 Betten, die zu der Hochzeit der Epidemie vollständig ausgelastet war, mutet jetzt merkwürdig still und zurückgelassen an.

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Ziel des Treffens war es vor Allem eine Lösung für einen kontrollierten und nach Vorgabe der WHO zertifizierten Abbau des Zentrums zu finden. Am Ende der Begehung werden Kontakte zwischen der WHO und SSLDF bezüglich eines Trainings für das Reinigungspersonal des Magbenteh Community Hospitals ausgetauscht, welches vermutlich am Freitag stattfinden soll. Anders als vor einem Jahr sind hier inzwischen glücklicherweise Protokolle und Verfahrensstandards aktiv, denen auch im ganzen Land gefolgt wird. Zwar sagt uns unsere Erfahrung, dass solche Koordinationsaufgaben durch die WHO immer erheblich länger dauern als es versprochen wird und auch Verantwortlichkeiten unter den Beteiligten hin und her geschoben werden, jedoch haben wir persönlich ein gutes Gefühl mit dem Ablauf der Planungen am ETC. Wir hoffen, dass die für die Ebola-Behandlung genutzten Gebäude zu ihrem ehemaligen Zweck zurück finden und in Kürze wieder starten können, wie zum Beispiel die ursprüngliche Ernährungsstation für unterernährte Kinder oder das Programm zur kostenlosen Versorgung von unter fünfjährigen Kindern.

Anschließend erwartet uns bereits Pastor Famundo am Eingangstor des Krankenhauses. Er möchte mit uns einen Spaziergang in das dichte Grün der Landschaft vor dem Krankenhaus machen. Dort liegt der fruchtbare Boden und Raum für neue Projekte und Konzepte. Wir verlassen die Hauptstraße, einen der neuen, von der EU subventionierten „Highways“, und beginnen unsere Trip auf der von den Anwohnern selbst ernannte „Freedom Road“. Bereits am Vortag erhielten wir von Viviana eine kurze Einführung in die Projekteideen und –konzepte, die die SSLDF in den kommenden Monaten und Jahren planen und umsetzen möchte. Anders als in der Vergangenheit stehen einige dieser Projekte nicht mehr in direktem Zusammenhang mit dem Krankenhaus, sondern integrieren sich in die Communities (Gemeinden) im Umfeld. Das Krankenhaus selbst ist mittlerweile in der Lage die laufenden Betriebskosten über die Einnahmen aus der Behandlung von Patienten, Zuschüssen des Staates und Verträgen mit einigen privaten, internationalen Unternehmen der Region zu finanzieren. Dadurch konnte die SSLDF ein Charity-Programm starten, das sich völlig unabhängig vom Krankenhaus finanzieren soll und darauf abzielt die Entwicklung der Region zu fördern. Unser zukünftiges Engagement wird im Kontext dieses Programms seine Wirkung zeigen.

Während ich Euch all dies erkläre sind wir auf unserem Marsch mit Pastor Famundo natürlich schon einiges weiter gekommen und haben die fest getretene, rote Schotterpiste der Freedome Road gegen noch schwierigeres Gelände getauscht und durchqueren nun einige kleine Siedlungen. Trotz der Abgelegenheit vom Zentrum herrscht hier reges Leben: Es wird gebaut, diskutiert, gekocht und gegrüßt. Mehrfach kreuzen Familien, Motorräder und Frauen, die Wassereimer mit afrikanischer Kunst auf dem Kopf balancieren, unseren Weg. Und wenn keine Menschen in der Nähe sind fällt einem die Tierwelt umso mehr auf: Hunde, Katzen, Hühner und Vögel beobachten jeden unserer Schritte genauestens.

Über Stock und über Stein erreichen wir schlussendlich nach dem durchqueren einer kleinen Ananasplantage das Gelände von dem Pastor Famundo spricht und stehen quasi mitten im Gestrüpp. Das Ziel dieses Marsches, der in Wirklichkeit viel kürzer war als es hier den Anschein erweckt, ist uns das Gelände zu zeigen, auf dem mithilfe der SSLDF eine Grundschule mit angeschlossenen Wohnmöglichkeiten entstehen soll. Hintergrund dieser Projektidee ist die durch die Ebola-Epidemie in erheblichem Maße verschärfte sozio-ökonomische Problematik der Waisenkinder.

Eine Schule soll nicht nur Zukunft sichern, sondern auch ein zweites Zuhause sein.


Die Zahl der Waisen ist durch die Todesopfer der Ebola-Epidemie stark angestiegen. Da die Familien hier sehr vernetzt und inkludierend leben, sind die verwaisten Kinder in der Community unter gekommen und leben mit Familien der ferneren Verwandtschaft, bei fremden Familien oder schlagen sich in Haushalten mit alleinerziehenden Männern oder Frauen durch. Die Schule zeichnet sich vor allem durch das Merkmal der Wohnmöglichkeit, die einem Internat gleich kommen sollen, aus; einzigartig in der Region. Dadurch soll den Familien die Möglichkeit geben werden die neue, zusätzliche Belastung nicht mehr selbst tragen zu müssen, sondern sie mit der Community und der SSLDF am Standort der Schule zu teilen. Die Kinder kommen unter der Woche an ihrem Ausbildungsort unter, werden versorgt und haben in besonderem Maß die Möglichkeit Bildung und Persönlichkeitsentwicklung zu genießen. Am Wochenende kehren sie zu Ihren Ziehfamilien zurück und verlieren nicht den Anschluss an die neuen Eltern, Geschwister und den sozialen Verbund.

Pastor Famundo ist übrigens eine sehr menschen- und naturverbundene Person, der so ziemlich jeden in Makeni kennt. Er wird von allen respektiert und für viele wichtige Fragen adressiert. Umso mehr freuen wir uns, dass gerade Er uns das ca. 2 Hektar große Gelände zeigt. Hier also soll die Schule entstehen! Es ist wunderbar sich dieses Gelände als zukünftiges Schulgelände vorzustellen, es ist wie dafür geschaffen: So nahe an Makeni und doch so fern in der Natur. Der Plan sieht es vor die Schule eco-friendly zu errichten: das bedeutet, dass nur die Bäume entfernt werden sollen wo es wirklich nötig ist. Der Großteil, der ca. 40 m hoch in den Himmel ragenden Bäume, wird den Schulkindern erhalten bleiben. Was von der Vegetation weichen muss wird wieder aufgeforstet. Regenwassersammlung, Solaranlagen und der Einsatz umweltfreundlicher Materialien schließen den Kreis. Eine Anlage, die in die Landschaft passt und dort hin gehört.

Kurzerhand entschließen wir uns ein Interview mit Pastor Famundo vor Ort zu drehen, welches Ihr Euch bald anschauen könnt. Seid gespannt! Doch zuvor noch einige kurze Fakten über das Grundstück: Das Land wurde der SSLDF von der Community of Makeni zu einem deutlich reduzierten Preis überlassen und hat eine Größe von etwas mehr als 2 Hektar. Es befindet sich ca. 1 km vom MCH entfernt und ist zu Fuß in ca. 12 Min zu erreichen, was für afrikanische Verhältnisse sehr nah ist. Derzeit gibt es zwei Möglichkeiten, wie die Schule designt werden könnte. Architekten, die jahrelange Erfahrung in Afrika (Wind, Wetter, Hitze, Licht) haben, haben diese Pläne entworfen. Für welche Option sich entschieden wird oder ob es sogar noch größere Änderungen am Konzept geben wird, ist allerdings noch offen. Das Anforderungsprofil, die Leistungen und Ziele des Projekts sind noch nicht abschließend geklärt. Ein intensiver Prozess unter Einbeziehung aller Beteiligten, vor allem jener Familien der Community, die von der Schule profitieren sollen, wird hier den Fokus schaffen. L’appels Konzepte und Ideen findet sich hier also schon wieder.

Auf dem Rückweg erzählt uns Pastor Famundo viel über die Gegend und ist begeistert von dem Konzept von L’appel und die Funktion des Sprachrohrs zu übernehmen: „You are excactly what the people of Sierra Leone need: you ask the community for the problems they are facing here and bring this information to the german people. L’appel is what we so call a ‚Mouthpiece‘!“.

Zurück im MCH teilen wir uns nach dem Lunch auf. Nick und Jakob treffen sich mit Viviana und besprechen die Grundlagen der Kooperation zwischen L’appel Deutschland und der SSLDF im Detail, während Simon und ich (Till) uns mit Mr. Bangura, dem Klinikmanager, treffen um offen gebliebene Fragen zu klären und anschließend ein weiteres Interview zu drehen. Im Interview geht es um Seine Erfahrung mit Ebola und dem ETC, Seine Einschätzung der aktuellen Lage sowie Seinem persönlichen Appell an die „Welt da draußen“ - was Er sich für die Zukunft erhofft.

Die Treffen verlaufen beide sehr erfolgreich, dauern einige Stunden und wir sind geschafft vom langen Tag. In der Abendsonne von Sierra Leone filmen Nick und ich für Euch eine Begehung des ETC um Euch darin zu erläutern, wie die Ankunft eines Ebola-Falls ablief und wo das Personal sich eingekleidet bzw. entkleidet hat. Es ist spannend an diesem Ort, an dem so viel passiert ist, ein Video zu drehen. Ihr könnt Euch also auf noch mehr Videomaterial freuen!

Noch lange sitzen wir, Simon, Nick, Jakob und Ich (Till), bei Kerzenschein auf der Terrasse zusammen und besprechen das Erlebte vom Tag, sowie unsere Pläne für Morgen. Der Strom ist ausgefallen und wir kommen langsam zur Ruhe. Es gibt viel zu besprechen und es ist uns ein Anliegen gemeinsam im Austausch über unsere Impressionen zu bleiben. Es ist ein Geschenk hier sein zu dürfen!

Schnell wird es dunkel und ein herankommendes Gewitter erleuchtet mit seinen Blitzen den Himmel in Sekundentakt. Gleich wird es regnen! Und wenn es in Sierra Leone regnet, dann wie aus Eimern! Wir wollen die kurze Abkühlung der Luft also nutzen um uns schlafen zu legen und verabschieden uns damit vom Laptop.

Morgen wird ein neuer spannender Tag für den bereits viel auf dem Plan steht. Gute Nacht aus Makeni. Gute Nacht aus Sierra Leone. Gute Nacht aus Afrika. Euer Till




"Ebola is not over!"

"Together We can reach O cases - together We can keep O cases." 

19.05.2015 
Sierra Leone Reisegruppe

Es ist fünf Uhr morgens Ortszeit. Wir sind grade in Sierra Leone gelandet. Fast 20 Stunden Reise liegen hinter uns – einige Stunden mehr erwarten uns noch. 

Der Schritt aus der Flugzeugtür offenbart uns ein neues Land, einigen bereits etwas vertraut, anderen völlig neu. Tausende Kilometer von Ruanda entfernt betreten wir als Organisation hier neuen Grund – wahrhaftig und auch metaphorisch. Dies soll aber auch der letzte Vergleich zu dem alt vertrauten Land im ostafrikanischen Hochland gewesen sein, denn so unterschiedlich wie Kulturen und Geographie in Afrika sein können, so einzigartig und besonders sind sie. Dem wollen wir natürlich gerecht werden. 

Wie fühlt er sich nun an, dieser erste Schritt auf Sierra Leonischem Boden? Schwül, warm, feucht. Auf dem Flughafen herrscht beinahe Stille. Einige Flughafenarbeiter beginnen sich um das Flugzeug und das Gepäck zu kümmern. Es wird nicht viel geredet. Alles wirkt etwas ausgestorben. Ich erfahre, dass maximal zwei oder drei Maschinen pro Tag das Land anfliegen – es ist eben nicht der beliebteste Fleck auf unserer Weltkugel.
Aus Sicht der Mediziner-Augen ist das was uns jetzt erwartet eine Routine die zu begrüßen ist. Abstand halten beim Gang über das Rollfeld, versuchen Körperkontakt zu meiden, sich Anstellen zur Händedesinfektion am Ausgang des Flughafengeländes, Ausfüllen eines Gesundheits-CheckUp-Bogens, ausführliche Kontrolle des Reisepasses, der Visa, ein Gespräch über den Zweck der Einreise und das Ziels der Arbeit vor Ort, Prüfung der Gesundheitsangaben, Interview zum Wohlbefinden und den Aufenthalten der letzten Monate, Temperaturmessung und letztendlich der Stempel – Einreise genehmigt. 

Aus Sicht eines Gastes bekommt man hier einen anderen Eindruck. Die Last der vergangenen Monate ist den Menschen anzumerken. Das Personal ist wortkarg und ruppig, die Beamten forsch und fordernd in ihren Fragen. Kaum jemand ist zu einem Lächeln zu begeistern. Man sieht schwere tränensackunterlaufene Augen, Müdigkeit und Erschöpfung im Angesicht dieser Menschen. Auch Ihr Leben war in den letzten Monaten besonders belastet und kraftfordernd. Sie brauchen eine Pause, Erholung, müssen Energie schöpfen um ihre afrikanische Frohnatur wieder zu finden. Wir verlassen das Flughafengebäude in die Dunkelheit der unterelektrifizierten Landschaft, der Sonnenaufgang am Horizont.

Wir freuen uns darauf nach der langen Reise von unseren Freunden der SSLDF abgeholt und unbeschwert nach Makeni transportiert zu werden. Schnell wird klar – noch ist niemand da. Ein Telefonat später ist und auch der Grund bekannt. In Makeni, dem Standort des Magbenteh Community Hospitals (unserer „Basis“), gibt es zurzeit Engpässe mit Diesel und Benzin. Der Wagen der schon sehr früh aufgebrochen ist sei auf halber Strecke mit leerem Tank liegen geblieben. Es dauere noch zwei Stunden und man kümmere sich darum. So etwas ist in Sierra Leone nicht unüblich. Es blieb also Zeit mit den Taxifahrern, Ticketverkäufern, SIM-Karten-Händlern und sonstigen Menschen vor dem Flughafen zu reden. Ohne, dass es groß verwundern würde kam das Gespräch natürlich zum Hauptthema der letzten Monate: Ebola. Während das Nachbarland Liberien die Epidemie besiegt zu haben scheint (42 Tage ohne registrierte Neuinfektionen), sind Guinea und Sierra Leone noch immer am kämpfen. Gestern wurden leider, nach knapp 10 Tagen ohne neue Infektion, in der Hauptstadt Freetown erneut zwei bestätigte Fälle hospitalisiert. So sitzen wir nun hier, im Terminal des Flughafens und holen noch etwas Schlaf nach, denn, sobald unsere Mitfahrgelegenheit den Flughafen erreicht und uns nach Makeni transportiert hat (4 Stunden Fahrt), beginnt für uns ohne Unterbrechungen die Arbeit. 

Unser Wochenplan ist dicht und wir können es kaum erwarten zu sehen was in den laufenden Projekten geschehen ist und was wir in Zukunft hier gemeinsam erreichen können. Der Blogeintrag ist somit für heute noch nicht beendet, aber pausiert vorerst. Wie haben wir als Kinder gelernt: Weiter geht es nach der Maus! (Das ist jetzt ein guter Zeitpunkt für euch um einen Kaffee oder Tee zu machen, nochmal zu Googlen wo Sierra Leone überhaupt noch mal liegt und wie weit die Strecke nach Makeni ist, euch vielleicht tatsächlich die eine Folge der Sendung mit der Maus anzugucken oder euch sonst auf irgendeine Art eine schöne Pause zu machen.

"Die Kontrolle hört nicht am Flughafen auf, sie wird konsequent bis ins Landesinnere fortgesetzt."

Unsere Jeep-Fahrt durch das satt-grüne, aber an jeder Ecke von Menschenhand geprägte, Land, vorbei an kleinen Dorfgemeinschaften und alten, sowie neuen Rohbauten, wurde zwei Mal von aufwändigen Polizeisperren unterbrochen. Fieber messen, ein paar Schritte laufen um sich ein Bild über unseren Gesundheitszustand zu machen, Handschläge vermeiden. Auch Schilder an der Straße erinnern überall daran: „Ebola is not over yet.“.
In den vergangenen Monaten waren es genau diese Straßensperren, die das Passieren von Distrikt zu Distrikt unmöglich machten. Es gab klare Quarantänezonen, Handelsschranken, geschlossene Grenzen, Sperrstunden und jede weitere Art von Reglementierungen. So langsam entspannt sich dieser Zustand wieder, Passagen sind möglich, werden aber weiterhin kontrolliert – eine richtige Entscheidung.

Sierra Leone Reisegruppe

Nach diesem etwas einschüchternden ersten Eindruck war der Empfang im Magbenteh Community Hospital umso herzlicher. Oftmals ging es dann doch sogar darüber hinaus und so wurden Simon, Nick und Till doch von vielen als lokale Helden begrüßt. Natürlich zauberte uns das ein Lächeln auf die Gesichter, so wurden die Drei aber nicht müde die Menschen daran zu erinnern wer hier die wahren Helden sind: Sie selbst! 
Nachdem wir unser liebevoll hergerichtetes Quartier bezogen und Sierra Leone Neuling Jakob gebührend vorgestellt hatten, waren eigentlich alle auf Ruhen und Erholen eingestellt, denn schließlich hatten wir grade eine lange Reise hinter uns. Wie dann aber nicht anders zu erwarten war hielt es uns nicht in den Räumen und wir begannen unseren Aufenthalt mit einer Tour über das Gelände bei dem Jakob den Standort kennen lernte. Gemeinsam konnten wir das erste Mal einen Blick auf das riesige, seit dem 15. März geschlossene Ebola-Behandlungszentrum werfen. Diesen Tatendrang bekamen wir dann aber auch kurzerhand von Viviana mit einem „I knew you guys couldn’t just sit still!“ quittiert – Recht hat Sie! 

Ha, haben wir euch wieder erwischt. Ihr habt einen Namen gelesen und angefangen zu grübeln woher ihr diesen kennen solltet. Aber ihr habt Glück, es ist tatsächlich ein neuer Spieler auf dem Feld. Wir stellen vor: Viviana, Landesdirektdorin der SSLDF in Sierra Leone, gebürtig aus Venezuela, Managerin des Krankenhauses, eine Seele von einem Menschen und ständig auf Achse. Was sie hasst: „Micromanaging“ – ja sie ist so ein Typ von Projektmanager. 

Hier weiß jemand was er tut. Nach unserer Tour über das Gelände des Treatment Centers war der Tag schon recht fortgeschritten und die Hitze mächtig. So konnten wir den restlichen Tag, Gott sei Dank, im klimatisierten Konferenzraum des Magbenteh Community Hospitals mit dem Präsidenten der SSLDF, Herrn Harald Pfeifer und Viviana, verbringen um über die bisherige und kommende Zusammenarbeit zu sprechen. Neben organisatorischen Themen, unserer Reiseplanung, Terminen und Dingen die zu organisieren sind bekamen wir vor allem die unglaubliche Geschichte von 12 Mitarbeitern des MCH erzählt. Sie steckten sich während der Ebola Epidemie an und verstarben schließlich daran. Die Geschichte nimmt viele, veworrene Umwege und zeigt noch einmal wie eine Verkettung von vielen kleinen, individuellen Fehlern zu schwerwiegenden Folgen führen kann. 
Wichtig ist nämlich eines hervor zu heben: Im MCH gab es keine einzige Infektion eines Angestellten durch Behandlungsfehler oder unter der Behandlung von Patienten. Bei den 12 Betroffenen handelt es sich um Fehler, die im privaten Leben stattfanden. Das Personal war sehr gut geschult und hat daher nicht nur sich selbst hervorragen geschützt, sondern vor allem dafür gesorgt, dass es in Treatment Center eine Überlebensrate von 66% gab – deutlich über dem landesweiten Durchschnitt.

Am Abend waren wir zum Essen bei Viviana eingeladen. Denn zeitgleich mit unserer Ankunft verabschiedeten sich hier die Vorsitzenden aus der Zentrale der SSLDF in der Schweiz, die ebenfalls für einen einwöchigen Aufenthalt hier waren. Gemeinsam mit Ihnen, Dr. Tuaray (dem einzigen Arzt des Krankenhauses), zwei Forschern der Cambridge University die an dem Ebola-Virus forschen und eines der Labore besetzen, Harald Pfeifer und einigen anderen ließen wir den Abend mit gutem Essen, einer Präsentation zum geplanten Schul-Projekt, Lachen und Trinken ausklingen.



2014

Traumwelten

Ein persönlich verfasstes offenes Ende

26.09.2014

Radu wird in wenigen Tagen 12 Jahre alt. Radu ist ein quirliger kleiner Junge, neugierig, fleißig, wissbegierig. Er spielt gerne Fußball, erprobt seine neuen Englischen Vokabeln wann immer ihm die Gelegenheit dazu geboten wird. Radu mag Biologie in der Schule, bei Mathe träumt er sich allerdings gerne auch mal weg von hier. Er würde gerne Arzt werden wenn er mal groß ist.

 

Radu wohnt in Kiruhura, Ruanda. Das kleine Dorf zwischen grünen Hügeln ist ruhig gelegen. Eine feste Straße gibt es nicht, dafür Teefelder und Ackerland soweit das Auge reicht. Kiruhura bietet viel Zeit zum träumen – weil es nichts gibt außer den Alltag, der jeden Tag aufs neue einfach nur das Überleben von den Familien fordert. Radu hilft mit wo er kann.

 

Zu einer Anstellung als Arzt wird es wahrscheinlich nicht kommen. In Ruanda ist es zwar möglich Medizin zu studieren, die Plätze aber sind rar, zudem teuer und verbunden mit einem unbezahlbaren Leben in der Hauptstadt Kigali. Die Landbevölkerung – soviel wurde im letzten Blogeintrag klar – wird systematisch von der akademischen Welt der Hauptstadt ausgeschlossen. Der Weg nach Kigali ist nicht weit, man könnte ihn an einem Tag laufen. Der Weg in ein Leben mit geregeltem Einkommen, einer absehbaren Zukunft dagegen fast nicht erreichbar.

 

Die Kinder und die jungen Menschen träumen trotzdem. Jene Menschen, die im Dorf groß werden und irgendwann realisieren, dass der viele Platz, die Felder, die Berge, der ungestörte Blick bis zum Horizont auch bedeuten, dass es schwer werden könnte dem Ganzen zu entfliehen.

 

Ein Unterschied wird mir als ehemaliger Schüler in Deutschland und gegenwärtiger Beobachter in Ruanda deutlich: Während die jungen Menschen in Ruanda ihren Träumen mit Wissbegier, Fleiß und Neugier entgegengehen, werden hierzulande Bücher zu Bestsellern, die sich selbst „Eltern-Ratgeber“ nennen. Sie schlüsseln z.B. auf „Warum unsere Kinder zu Tyrannen werden“. Ein Schulsystem das zu viel Stress erzeugt, Bewegungsmangel und Computersucht sind die hiesigen Probleme jener Schüler, die Bildung nicht mehr als Chance zu begreifen scheinen. In einem System, in dem Schule Pflicht ist, verschwindet die Wertschätzung für das „Lernen-dürfen“.

 

Ruanda setzt bisweilen hauptsächlich auf die ersten Stufen eines Bildungssystems. Ein Schulsystem ist vorhanden. Es gibt sogar eine Schulpflicht für die Kleinsten – theoretisch. In Wirklichkeit lässt sich der Gang zur Schule aber häufig nicht realisieren. Insbesondere die Kinder der Landbevölkerung sind durch ihre Mithilfe in den verarmten Großfamilien gezwungen ebenso kurzfristig zu denken wie ihre Eltern. Der nächste Tag ist meist das Maximum ihres zeitlichen Horizonts. Bildung kann so bei weitem nicht für alle entstehen.

 

Diejenigen die es schaffen der Einöde zu entfliehen sehen sich dann aber der nächsten Hürde gegenüber, die der Ruandische Staat bisher nicht alleine schafft abzutragen: Ein Studium oder eine Ausbildung, beides sichere Startpunkte für ein regelmäßiges Einkommen, sind schlicht nicht finanzierbar.

 

Hier setzt L’appel an. Das Modell des Umgekehrten Generationenvertrags ermöglicht jedem studierfähigen jungen Menschen ein Studium. Die Stipendiaten des Programms verpflichten sich, den erhaltenen Förderbetrag bei Eintritt ins Berufsleben zurückzuzahlen – nicht an den Förderer in Deutschland sondern an den nächsten potenziellen Studierenden.  Ein Modell, dass sich in naher Zukunft selbst tragen wird und möglicherweise weitere Kreise zieht – hinein in die Primarstufe der Bildungslandschaft. Eben dorthin, wo Bildung für viele bisher verborgen bleibt.

Was passiert mit den Träumen in einer Gesellschaft in der Bildung noch ein Luxusgut ist? Was träumt Radu, wenn er mal wieder vor Mathematikaufgaben sitzt? Wir haben die Kinder eines Waisenheims gebeten aufzumalen, was ihr größter Traum ist. Im nächsten Jahr werde ich hier zusammen mit L’appel und der „Forschungsgruppe UGV“ nachhaken und neue Bilder malen.



Videoblog 4

13.08.2014




Die Flocken des Wohlstands

12.08.2014
Zwei Tage bleiben bis sich unsere diesjährige Delegation von L’appel Deutschland trennen wird, um sich in alle vier Himmelsrichtungen zu zerstreuen. Einige werden in den wohlverdienten Urlaub ziehen, andere in die beinahe schon vergessene Heimat zurückkehren. So fern jedes Mal die Reise nach Afrika scheint, so befremdlich fühlt es sich an, bald wieder alle Vorzüge und Nachteile des „normalen“ Lebens anzunehmen.

Die unmittelbare Nähe des Endes der Reise spiegelt sich auch in unserem ewigen Begleiter, der To-do-Liste wider. Die offenen Punkte und Aufgaben werden weniger und die Zeit, die am Tage stattdessen zum Nachdenken und Rekapitulieren bleibt, länger und ausgedehnter.

Die Regenzeit klopft derweil viel früher an als gewohnt. Spätestens zum frühen Nachmittag hin öffnen sich die Pforten des Himmels und unvorstellbare Regenmassen ergießen sich über uns – tagaus, tagein.

Doch unsere heutige Erzählung basiert ursächlich nicht auf einer der vielen angeregten Diskussionen unter den Blechdächern, auf denen der einschlagende Regen eine Geräuschkulisse produziert, die dazu zwingt sich gegenseitig anzuschreien um überhaupt noch etwas zu verstehen. Grundlage der Erzählung, vielleicht ungewohnt kritisch, ist diesmal der Frühstückstisch:

In der Hauptstadt Kigali gibt es zwei Supermärkte. In beiden kann man vor allem „westliche“ Produkte kaufen. Unter anderem Cornflakes.

Sitzt man morgens vor einer Schüssel der goldgelben Maisflocken, studiert man aufgrund fehlender Morgenlektüre die Rückseite der Packung stellt man fest, dass man mit dem Kauf der 750g Cornflakes gleichzeitig etwas Gutes getan hat – nicht für den Supermarkt in Ruanda, noch nicht einmal für einen der Bewohner dieses Landes – Nein, für hungernde Kinder in England. Mit dem Kauf von Cornflakes in Ruanda (BIP/Kopf: 724 $. Platz 166 der Welt) unterstützen Ruandesen hungernde Kinder in Großbritannien (BIP/Kopf: 47.000 $) – wie absurd.

Haben wir, L’appel - seit Jahren als NGO in Ruanda - etwas verpasst?

Ruanda ist, wie viele Afrikanische Länder, von Krieg, künstlicher Grenzziehung und Kolonialismus geprägt. Der Genozid 1994 hatte allerdings ein weitaus dramatischeres Ausmaß als viele andere Bürgerkriege, Völkermorde und „ethnische Säuberungen“ davor und danach. Ruanda war tot. Leer. Vernichtet.

Die dramatische Dimension: Die Kolonialmacht Belgien nahm damals anhand banalster Kriterien eine Unterteilung der Gesellschaft in Hutu, Tutsi und Twa vor. Der anschließende Genozid kostete mehr als 1.000.000 Menschen das Leben, 3.000.000 Menschen flohen. Häuser lagen in Schutt und Asche. Die Infrastruktur lag brach. Krankenhäuser zerstört. Wissen vernichtet.
Und heute? Die Menschen entschieden sich nicht für Rache und Vergeltung, sondern für den brüderlichen Schulterschluss. „Genocide – Never Again“ prangt auf einer XXL-Werbetafel über Kibuye, einer kleinen Stadt am Kivu-See nahe der Demokratischen Republik Kongo. Die Probleme von damals scheinen vom Tisch. Stattdessen tauchen neue auf. Probleme, die mit der erschütternd sichtbaren Metropolisierung einhergehen:

Die Kluft zwischen einer hochentwickelten Hauptstadt mit Bankenviertel und Highspeed-Internet und einem mittelalterlichen Umland. Es findet in diesem Land erneut eine künstliche, gesellschaftliche Teilung statt. Eine die zwischen Kapital und Nicht-Kapital unterscheidet, zwischen Bus-fahren und Fahrer-haben, zwischen Arm und Reich, zwischen Kein-Frühstück und Cornflakes-mit-Milch. Die Hauptstadt rüstet mächtig auf und verkommt sogleich zur nahezu propagandistischen Hochglanzfassade ohne Inhalt. Sie ist Spiegelbild eines Versuchs, sich als Nation möglichst gut darzustellen. Grade kürzlich zur 20jährigen Gedenkfeier des Genozids (kwibuke20) war die Flut der erinnernden, reflektierenden und resümierenden Berichte enorm. Die Meinungen zur Entwicklung des Landes sind wenig überraschend sehr einschlägig gewesen. Schließlich gilt Ruanda, basierend auf Beobachtungen von Amnesty International nicht als Paradebeispiel einer Nation in der Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und das Vereinigungs- und Versammlungsrecht gilt. Organisationen und Journalisten werden immer wieder durch die Behörden behindert, in ihrer Arbeit gestört und beobachtet. So verwundert es nicht, dass die Agenturen dieses Landes die Stimme der Regierung wohlgesonnen aufnehmen und vervielfältigen. Diese Stimmen klingen wie folgt:

„Ruanda hat erreicht was niemand in den Nachwehen des Genozid für möglich gehalten hat. Es ist zur Wiege der Hoffnung für die Macht der Vergebung und Versöhnung geworden und hat der Welt gezeigt, dass Menschen zu allem in der Lage sind.“

„Ruanda und seine Menschen haben sich selbst erneuert – aus der Asche aufgestiegen, um eine starke, würdige und zunehmend wohlhabende Nation zu werden.“

„Was ich erkenne ist der Platz der „Frau“ in der neuen Ruandischen Gesellschaft. Aber es geht nicht nur um sie. Es geht um die Rechte ihrer Kinder und vor allem ihrer Mädchen für den Zugang zur besten Bildung. Gleichberechtigt. Es ist eine echte Revolution.“

„Zwanzig Jahre nach dem Genozid salutiere ich vor Ruandas gigantischen Fortschritten in der Bildung, Telekommunikation, ländlichen Entwicklung und dem Antrieb von Unternehmen in das Land zu investieren. Ich kann nicht genug die Gradlinigkeit herausstellen, die dieses Land zu einem Beispiel für ganz Afrika gemacht hat.“

Unsere Beobachtungen, Eindrücke aus Gesprächen und Begegnungen über die letzten Jahre und Sätze wie diese stehen nicht immer im Einklang. Was die Ruandische Gesellschaft geschafft hat ist ohne Zweifel ein Kraftakt, der seines Gleichen sucht. Doch ist unübersehbar, dass der Fortschritt an vielen, vor allem entscheidenden Punkten noch nicht angekommen ist. Die Armut in ländlichen Gebieten ist erschreckend, die Wirtschaftsnation Ruanda fußt noch immer auf über 65% Landwirtschaft. Bildung ist teuer und wird bisweilen wenig honoriert. Die Frau steht in der Ruandischen Gesellschaft weit hinten an.

Nordafrikanische Länder haben vor nicht allzu langer Zeit gezeigt, wie schnell Ungleichgewichte eskalieren können. In Ruanda hat man zwar das Gefühl, dass eine besondere Gemeinsamkeit einer solchen Eskalation mit voller Kraft entgegenstehen würde, dennoch zeichnet sich eine riesige Herausforderung ab, die es zu meistern gelten wird. Ruanda ist und bleibt eines der spannendsten Länder dieses Kontinents. Es gilt diesen Moment aber auch zu nutzen.

Unsere Diskussionen werden in Anbetracht der bevorstehenden Herausforderungen, Aufgaben und Konfliktpotentiale nicht verstummen. L’appel ist mittendrin und hat neben der Umsetzung der Projekte vor allem auch die Informationssammlung, Aufklärung und Transparenzschaffung zum Ziel. Frei nach dem Motto: „Tue Gutes und berichte darüber.“

Cornflakes wurden Ende des 19. Jahrhunderts übrigens vom US-amerikanischen Arzt John Harvey Kellogg entwickelt, um seinen Patienten ein Nahrungsmittel zu verabreichen welches den Genesungsprozess fördern sollte. Eine direkte Auswirkung auf die Genesung des Landes, 20 Jahre nach dem Genozid, ist bis hierhin nicht beobachtbar, doch könnten die unscheinbaren Flocken Sinnbild und Symbol werden, für die Herausforderungen dieser in vielen Belangen besonderen Nation.


- Christoph Lüdemann & Jakob Skatulla -



Eigentlich ein Tag Ruhe

11.08.2014
Gleich früh des Morgens begaben sich Jules und Christoph auf den Weg zum Ministry of Health, selbstverständlich wohl geruht und genährt vom gestrigen Festmahl. Mit vollem Körpereinsatz führten die beiden eine knallharte Argumentationskette an, die nicht ganz ohne Verluste bleiben sollte. Schließlich kehrten die beiden - Christoph den angeschlagenen Jules stützend - ins Isano zurück. Stolz berichteten sie von ihrer siegreichen Schlacht und ließen sich die, aus dieser resultierenden, Wunden versorgen. Jules hatte in seiner selbstlosen Manier sowie ganz im Sinne eines Gentlemans gehandelt, um einer Frau in Not die Last einer Sitzbank abzunehmen. Benommen von seinem Testosteronrausch übersah er den doch recht tiefhängenden Türrahmen und stieß sich an diesem den Schädel blutig. Zahlreiche Sternbilder vor Augen aufblitzend, tauschten sich fix die Rollen von Jules und der Bank- und schon wurde Jules von dieser getragen. Doch das sollte noch nicht das Ende seiner Kopfschmerzen sein, denn Jules übersah den Laptop von Christoph, der ihn ebenfalls recht tiefhängend, in für Jules‘ Kopf erreichbarer Höhe, trug. Den Rest könnt ihr euch sicherlich denken… Die Kopfschmerzen nahm Jules – zwar etwas wehleidig (laut weinend) aber mit stolzer Brust – hin, da der Besuch des Ministry of Health von Erfolg geprägt war: Man konnte die Ansprechpartner als Partner für L’appel gewinnen.

Noch etwas erschöpft von der langen und anstrengenden Woche in Kiruhura galt der Rest des Tages der Reflektion und Regeneration bei gemeinsamen Abendessen sowie anschließendem Kartenspiel. Die Eindrücke und Erfahrungen, die im speziellen unsere Erstis in dieser einen Woche sammeln konnten, waren gleichermaßen intensiv sowie zahlreich und brachten jede Menge Redebedarf mit sich. Mit dem Resümee eine äußerst produktive und unvergessliche Woche erlebt zu haben, beendeten wir ausnahmslos mit einem guten Gefühl den angebrochenen Abend.



Langsam wieder ankommen

10.08.2014 Unser erster Tag zurück in Kigali ist der Sprung zurück in eine völlig andere Welt gewesen. Bereits die Einfahrt in die Stadt, stetig bergab fahrend und Höhenmeter um Höhenmeter verlierend, zeigt wie westlich geprägt diese Stadt ist. Auch hier bleibt der „Kulturschock“ nicht aus. Trotz der Tatsache, dass grade unsere Neulinge diese Stadt (und Kultur) erst vor einiger Zeit kennen gelernt haben, fühlt es sich wie nach Hause kommen an. Vorbei ist die Zeit in der wir in Kiruhura zwar gut und glücklich gelebt haben, aber doch dem Meisten entsagen mussten was für unser Leben normal ist. Strom, warmes Wasser, bequeme Betten, saubere Kleidung, reiches Essen, Freiheit des Handelns fernab einer strengen Tradition, bedenkenlose Sicherheit, grenzenlose Möglichkeit und noch so vieles mehr. Der Aufenthalt in Kiruhura und das Miterleben des einfachen, harten Lebens zeigt jedem, jedes Jahr aufs Neue, wie schätzenswert unser Leben ist. Und eben auch wie sehr man sich in diese, unsere, Welt zurückversetzt sieht wenn man wieder nach Kigali einzieht. Was fällt dabei besonders auf?

Neben den gläsernen Hochhäusern und den Autos, ist gerade die Kleidung ein Merkmal, die den Unterschied vom Land zur Stadt, nicht nur auf finanzieller sondern vor allem ideeller Basis, anschaulich wiederspiegelt. Besonders hierbei ist das Auftreten der Frauen. Häufig ist die Kleidung sehr figurbetont und manchmal auch auffallend kurz geschnitten. Junge Frauen machen auf diese Weise deutlich, dass sie über sich entscheiden können und dass sie niemanden um Erlaubnis fragen müssen, frei sind und sich selbst entfalten und verwirklichen können. In Kigali haben Frauen Rechte, die sie auf dem Land so nicht wahrnehmen können, oder überhaupt nicht kennen. Sie haben aber auch ganz andere Pflichten und Sorgen. Wo auf dem Land die Frau das Haus versorgen muss, die Kinder erzieht, sich um die Ernährung der Familie sorgt und nebenbei meistens auch noch Zweitverdiener des Hauses ist, können Frauen in Kigali, mit Zugang zu Bildung, Studium, Aufklärung, westlichen Werten und Möglichkeiten, sowie vor allem finanziell anderen Mitteln ihre Aufmerksamkeit anderen Dingen zuwenden. In den letzten Jahren hat sich dieser Trend immer mehr gezeigt. Wo vor ein paar Jahren Paare weit voneinander entfernt gingen, so sieht man jetzt viele die Arm in Arm durch die Stadt schlendern. In Kiruhura sieht man vergleichbares nie.

Im ersten Moment mag einen diese Tatsache, zumindest für die Frauen und Männer in Kigali freuen, aber man hat nicht nur das Gefühl etwas wieder zurück zu bekommen wenn man nach Kigali einfährt. Man verliert auch etwas. Das ist die ruandische Kultur. Hier in der Stadt mischt sich Afrika mit dem Westen, die Menschen streben danach sich unseren Heimatländern anzugleichen, wollen auch Cola trinken, ins Kino gehen, Mercedes fahren und Chanel tragen. Sie wollen Banker sein, Anzüge tragen, einen Flachbildfernseher haben und in den Urlaub fahren. Wir können all diese Wünsche verstehen und nachvollziehen. Wer sehnt sich nicht nach einem besseren Leben für sich und seine Familie? Wir sehen aber auch, dass das Leben auf dem Land eine Kultur bietet, die viel älter und ursprünglicher ist als diese Sehnsüchte nach westlichem Materialismus und wir verspüren eine gewisse Trauer, dass diese Kultur und diese Vergangenheit bereitwillig aufgegeben wird um in eine Welt einzutauchen, mit der wir als Europäer heutzutage nicht mehr nur Gutes verbinden.

Wo wir uns nach mehr Ursprünglichkeit sehnen und das einfache Leben Kiruhuras für eine Zeit sehr genießen, versucht Ruanda diesem zu entfliehen. Doch zurück zu unseren Erlebnissen.

Sonntag ist, wie gewohnt, Messetag in Ruanda und so besuchten wir zum zweiten Mal die Messe unseres lieben Freundes Pastor Emanuel. Glücklicherweise mussten wir diesmal jedoch nicht zum ferngelegenen Kivu-See reisen, sondern konnten uns wohlgemutes auf ein „heimisches“ Moto schwingen. Nach einer Woche in Kiruhura ist der erste erneute Motofahrt besonders. Man sieht andere weiße Menschen und bekommt das Gefühl, dass diese irgendwie auch ein bisschen fehl am Platz sind. Wir erwischten uns doch tatsächlich dabei, dass man erstaunt „Muzungu“ ruft. Mit inbegriffen in der Einladung war auch ein gemeinsames Essen mit Emanuels Familie und einem anschließenden rasanten Fußballspiel auf dem direkt vor dem Isano befindlichen Fußballfeld. Eigentlich sollten wir um drei auf dem Platz stehen, aber erwartungsgemäß folgte bereits der immerhin nur um einige Stunden gedehnten Messe eine dringliche Besprechung Emanuels, sodass wir noch einige Zeit mit seiner Familie verbringen konnten, bevor wir genüsslich das liebevoll von unserer Gastgeberin zubereitete Essen verschlangen. Ein besonderes Highlight war der Nachtisch, eine fröhliche Zubereitung aus Früchten der Region, welcher insbesondere für Toby so einen Gaumenschmaus bedeutete, dass er selbst enthaltene Zitronenschalen gierig in sich einatmete.
Gegen fünf zogen wir dann gemeinsam in Richtung des Fußballfeldes aus, um die neuen Stollen des Pastors mit einem überaus glorreichen Siegesmanöver einzuweihen.

Und als sich bereits einige Zeit später abermals die Dunkelheit über Kigali legte, sanken auch wir glücklich und erschöpft in unsere Betten…



Streifzüge außerhalb des Nestes Kiruhura

08.08.2014
Als Weißer auf dem Moto durch Ruanda reißt man wie die Queen durch London – mit einer Hand winkend, von den Massen bejubelt.
Die Wahrheit ist wohl eher, dass man sich mit beiden Händen am Rücksitz des Motorrads festkrallt und mit jedem Buckel, Stein und Loch ums herunterfallen kämpft. Der Fahrer popelt währenddessen beiläufig in der Nase und die Kinder entlang der dürftigen Schotterpiste rufen einem „Mzungu“ entgegen, in der Hoffnung, dass man winkt oder die Hand zum Abklatschen ausstreckt. So reist man fernab der befestigten Straßen durch die nördliche Provinz Ruandas von Kiruhura in Richtung Mulindi und Byumba.

Mit diesem abenteuerlichen Ritt starteten wir in zwei getrennten Gruppen in den Tag.
Jule und Toby fuhren direkt nach Byumba, um das hiesige Pendant der Kreisverwaltung des Districts zu besuchen. Dort waren wir mit dem Executive Director des Immigration Office of Gicumbi verabredet. So wichtig wie sein Titel klingt, so groß war dann auch die Person, die die Beiden in Empfang nahm. Andrew, mit 2,10 Meter der größte Ruandese der uns jemals begegnet ist, sollte unseren Verein im District registrieren und uns ein Empfehlungsschreiben für noch höherrangige, zentrale Verwaltungen in Kigali ausstellen. Dies ist, wie schon einige der früheren Amtsbesuche in Kigali, Teil eines Prozesses, der es uns einfacher machen wird in Zukunft mit der Ruandischen Regierung zusammenzuarbeiten, bzw. deren Programme und unsere Projekte miteinander zu koordinieren. So ziehen wir alle an einem Strang,
Nach einer überraschend kurzen Wartezeit saßen die Beiden im Büro und sahen sich mit vielen Fragen über bisherige, laufende und zukünftige Projekte von L'appel Deutschland konfrontiert. Nach ungefähr einer Stunde Frage-Antwort Spiel stellte Jules kurzerhand einfach selbst mal zielführende Fragen um das Gespräch weniger den Charakter eines Verhörs zu geben und um dem eigentlichen Zweck des Termins etwas näher zu kommen: Den benötigten Papieren. Es stellte sich raus, dass die Dokumente schon längst geschrieben waren und das Meeting nur zum Kennenlernen und „Fan-Werden“ gedacht war.
Warum wir hier hochnäsig von Fans reden? Zum Gespräch gesellten sich über die Stunde hinweg immer mehr Beamte und auch der eine oder andere Pastor fand den Weg in das Büro. Zum Ende hin fühlten sich die zwei eher wie in einer Pressekonferenz, auf der alle darauf warten, dass die Zwei den alles entscheidenden Satz fallen lassen. Bis zuletzt wurden Jules und Toby allerdings den Eindruck nicht los, dass dies zu nicht kleinen Anteilen unserer deutschen Herkunft zu verschulden war. Sahen sie doch unter dem Sakko eines der Herren das DFB Trikot von 1996 hervorblitzen. Fußball baut eben doch manchmal ungeahnte Brücken.

Auch nach diesem Gespräch war das Gefühl die Queen von England zu sein, noch immer präsent. Schließlich führt das bloße „Weiß-Sein“ in den Sub-Sahara-Staaten Afrikas dazu, dass man mit besonderen Vorzügen behandelt wird. Das Gespräch über diese Thematik des Bevorzugens, von augenscheinlich privilegierte Menschen, führt in der Regel in die Irre und wird auf bloße Gastfreundschaft reduziert. Dennoch beobachten wir aber, dass die Ruandesen untereinander, sowie auch zu Gästen anderer afrikanischer Staaten, so eine Art der Gastfreundschaft nicht hegen. Vielleicht ist all das aber auch nur das, was wir in die ehrliche Gastfreundschaft hinein projizieren. Haben wir das Gefühl, dass diese Menschen uns als etwas „Besseres“ behandeln, weil wir uns daran erinnern, dass dies in der Geschichte dieses Kontinents eine auferlegte Praxis war und wir nun unterbewusst glauben, dass es den Menschen immer noch schwer fällt, diese Praxis abzulegen? Kann es daran liegen, dass wir als Europäer nicht sehen, dass sich die afrikanischen Völker selbst als stolze, wertvolle und aufstrebende Nationen sehen, sondern sich in den Schatten anderer stellen? Wahrscheinlich haben die meisten dieser Gedanken vor allem mit unserer eigenen, eingeschränkten Sichtweise zu tun. Wir erfahren hier jeden Tag wie schwer es ist unter die neue, strahlende Oberfläche des boomenden Ruanda zu schauen und in den Tiefen der Gesellschaft und Kultur das wahre Ruanda zu sehen und nicht jenes, das durch Regierung, Propaganda und chinesischen Glastürme versucht wird zu kaschieren.
Jedenfalls ändern unsere Überlegungen nichts daran, dass wir uns in solchen Situationen, in denen wir übertrieben stark im Mittelpunkt stehen, unwohl fühlen. Zwar sind wir geschmeichelt der Ehre wegen, die uns entgegen gebracht wird, dennoch wünschen wir uns hier mehr „Gleichberechtigung“, denn verschieden sind wir nicht.

Währenddessen unternahmen Jillian und Laura einen weitaus unspannenderen, wenn auch dennoch sehr informationsschwangeren Trip zum Health-Center von Mulindi, mit dem Ziel, die medizinische Versorgungskette nachzuvollziehen und damit weitere Informationen zur Organisation unseres Health-Posts einzuholen. Dabei ging es insbesondere um die Einrichtung der Krankenstation sowie die Frage, woher sich das entsprechende Material lokal beziehen lässt und welchen Anteil die Regierung dabei trägt. So ließen sie sich die unterschiedlichen Bereiche der dortigen Krankenstation zeigen, erkundigten sich in gebrochenem Französisch-Englisch-Eintopf nach Fallzahlen sowie hiesigen Diagnostik- und Therapiemöglichkeiten, dem ruandischen Versicherungssystem und so weiter. Danach ging es, wieder mal via Moto, zack-zack nach Byumba, zu einem dann doch in letzter Sekunde abgesagten Besuch des dortigen Krankenhauses, dem nächstgrößeren der Region. Schließlich trudelten wir alle, mehr oder minder lädiert, durch die Moto-Fahrten des Tages, wieder im inzwischen dunklen Kiruhura ein. Den nächsten Tag konnten wir dann doch noch mit glücklichen Fußball- und Seifenblasenmomenten inmitten der Kinder des Dorfes anklingen lassen, bevor wir uns erneut und mit verrückt-großen Rucksäcken beladen auf die Motos schwangen, um den Bus zu erreichen, der uns zurück in die Hauptstadt geleiten würde.



Welcome to playground Kiruhura

07.08.2014
Gibt es eine schönere Art und Weise in den Tag zu starten, als von ohrenbetäubendem Kindergeschrei und frequenzgleichem Kuhgemuhe geweckt zu werden?! – Natürlich nicht! ;-)

Und daher freuen wir uns auch jeden Tag aufs Neue, dass uns dieses Privileg zuteil kommt. Aber das soll unserer Motivation selbstverständlich nicht trüben, welche bei Jules und Toby sogar bis in die Haarspitzen reicht.

Insbesondere die allmorgendliche Stärkung in Form von Kaffee und der leckeren, dunklen Schokoladencreme über dessen korrekte Präposition womöglich jeder schon einmal diskutiert hat, bringen uns täglich auf die richtige Bahn. Apropos Stärkung – gleich nach dem Frühstück durften wir bereits unser Abendessen kennenlernen. Hoppel und Klopfer warteten im Innenhof unserer Behausung, um von uns beäugt zu werden. Nach einer umfangreichen Qualitätsabnahme von Jakob wurde die Ware nach den üblichen Preisverhandlungen ordnungsgemäß entgolten.

Cathi begannen den Tag etwas früher als die Anderen. Nachdem sie am Tag zuvor einen ruandischen Mathematik-Studenten getroffen hatte, der in den Ferien extra Unterricht für die Kinder im Dorf anbietet, machte sie sich morgens auf, um dem Unterricht beizuwohnen. Eine besondere Problematik wurde ihr relativ schnell offensichtlich. Der ruandische Unterricht wird durchweg auf Englisch geführt. Dies ist Folge eines, vor einigen Jahren getroffenen, Entschlusses der Regierung die Amtssprache zu ändern, die bisherige französische Prägung aufzugeben und das Land damit mehr an dem internationalen Sprachraum auszurichten. Nun trifft so eine Umstellung von heute auf morgen natürlich vor allem diejenigen der Bevölkerung, die schon im Vorfeld wenig Kontakt zu Fremdsprachen hatten besonders. Deutlich wurde dies für Jan und Cathi im besagten Unterricht. Der Lehrer, selber nur sehr schlecht in der Sprache ausgebildet in der er unterrichten muss, ließ vor allem vorformulierte Sätze rezitieren. Die Stunde glich einem Chor von rezitieren und wiederholen. Ein Unterrichtsgespräch, Fragen von Kindern zum Unterrichtsthema oder freie Erklärungen des Inhalts blieben aus. So lässt sich auch unsere allgegenwärtige Verwunderung erklären, wieso Kinder und Jugendliche auf dem Land, selbst nach jahrelangem Unterricht, kaum in der Lage sind mit uns auf Englisch zu kommunizieren. Die Lösung dieser Problematik fände sich in der Verbesserung der Ausbildung der Lehrer wieder. Die Tatsache aber, dass dieser Beruf in Ruanda sehr unbeliebt ist, da er unheimlich schlecht vergütet ist, verhindert eine positive Entwicklung. Mit diesen Gedanken durch ihren Kopf ziehend, verabschiedete sich Cathi, nach einer heiteren, kleinen Gesprächsrunde mit den Kindern im Unterricht, aus der Schule um diesen nicht weiter zu stören.

Bevor wir uns Abends zum traditionellen Fußballspiel trafen, hatten wir noch einige Punkte auf unserer To-Do-Liste zu erledigen. Zunächst stand ein wichtiger Termin mit dem Staatsangestellten für Landwirtschaft und Ernährung dieser Region an. Wir informierten uns ausgiebig zur Situation und Problematik im Agrarsektor. Dabei kristallisierte sich heraus, dass sich die großen Probleme der Region auf Armut, Erosion und Nährstoffmangel der Böden sowie fehlenden Schatten auf den Flächen zurückführen lassen. Nach Aussage des Beamten seien diese Probleme vor allem durch den Einsatz industrieller Düngemittel lösbar, die Region sei jedoch zu arm um diese flächendecken einzusetzen.

Der Rest der Gruppe kümmerte sich derweil um die Bespaßung der Kinder des Dorfes, verteilte Wolle zum Häkeln und spielte Frisbee. Möglicherweise hat sich der eine oder andere von euch die Frage gestellt, warum in unserem Blog aus Kiruhura das Spiel mit Kindern so einen besonderen Stellenwert genießt. Schließlich lest ihr fast täglich davon, dass wir hier Fußball spielen, Wolle und andere Handwerksmaterialien verteilen, gemeinsam mit den Kindern häkeln und mit den Springseilen, sowie allem möglichen Kleinkram grüppchenweise zum Spiel rufen. Wieso nimmt sich eine Gruppe von „Entwicklungshelfern“ einen doch großen Teil des Tages frei um mit Kindern zu spielen, statt ihre Energien vor allem in die Projekte zu investieren? Die Erklärung ist oberflächlich zwar einfach, offenbart aber die interne Struktur einer Gesellschaft in der Familienleben ganz anders gehandhabt wird, als es aus unserer Heimat bekannt ist. Ruanda ist immer noch ein Land der Großfamilien. Wer sich an deutsche Zeiten erinnert, in denen das ebenfalls der Fall war, dem fallen große Familienbanden auf, Fotos von Versammlungen zu Duzenden oder Hunderten, oder Häuser in der nicht nur viele Generationen, sondern auch viele Verwandte einer Familie zusammen leben. Die Großfamilie gibt es hier zwar auch, aber beschränkt sich auf Mutter, Vater und die eigenen Kinder. Das ist die Familienbande und hier liegt auch der Horizont der Verantwortung gegenüber anderen. Zwar ist, durch die religiöse Prägung, Nächstenliebe ein täglicher Begriff, traditionell ist aber die Handhabung der eigenen Armut so aufwendig und lebensbestimmend, dass kein Raum für andere bleibt. Oft ist dieser Raum so klein und dunkel, dass auch die eigenen Kinder auf der Strecke bleiben. Das zeigen von Liebe, Liebkosungen der Kinder und Zeit im privaten Rahmen für diese sind daher unüblich. Mutter und Vater müssen von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang an der Versorgung der eigenen vier Wände arbeiten, die Kinder werden auf sich gestellt zu Hause zurück gelassen. Dieser Umstand erklärt die Bilder, die viele von uns so häufig aus Afrika sehen: Das kleine, selbst erst vielleicht zehnjährige Kind, trägt seine Geschwisterchen auf dem Rücken mit sich rum. Nicht immer ist das Folge von Verwaisung oder dem zurücklassen der Kinde, weil man einen neuen Lebenspartner hat. Häufiger ist dieser Umstand eben der oben beschriebenen Tatsache zuzuschreiben. Was ist daraus die Folge für die Kinder wenn Besuch von außen anreist? Ein besonderer Wunsch nach Aufmerksamkeit, nach Liebe. Der Wunsch mal im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit eines anderen, erwachsenen Menschen zu stehen. Die Gelegenheit einfach mal Kind sein zu dürfen, zu spielen, zu tollen, Unsinn zu treiben und jede Verantwortung abgeben zu können. Diese Phase im Jahr ist sehr beschränkt, gibt den Kindern aber viel. Selbstverständlich entsteht, durch unsere jährlichen und regelmäßigen Besuche, eine gewisse Erwartungshaltung der Kinder uns gegenüber diese Bedürfnisse auch zu decken. Deshalb stehen sie schon mit Sonnenaufgang zu Duzenden vor unseren Türen und warten den ganzen Tag lang darauf, dass wir ihnen unsere Zeit, Aufmerksamkeit und Liebe schenken. Deshalb versuchen wir auch diese Bedürfnisse, zumindest etwas, zu decken. Natürlich verlieren wir dabei niemals das eigentliche Ziel aus den Augen: Das Grundproblem. Die Armut. Das Ziel, es den Müttern und Vätern Ruandas die Möglichkeit zu eröffnen diese Bedürfnisse ihrer Kinder selber zu erfüllen. In der Zwischenzeit aber kann niemand von uns unseren kleinen Freunden diese einwöchige Urlaubswoche von ihrem Alltag verwehren.

Wieder vereint besuchten wir unsere Hasen-Soforthilfeprojekte, um uns über den Stand der Entwicklung zu informieren. Vor Ort mussten wir leider feststellen, dass sich nur noch ein Hasen-Weibchen im Stall der Familie befand. Zwischenzeitlich besaß die Familie 14 Tiere, womit sich ihren Lebensunterhalt bestreiten konnten. Leider wurden in den letzten Monaten einige Tiere von Katzen und Krähen sowie durch Krankheit getötet. Diese traurige Nachricht zeigte uns, dass nicht immer alle Eventualitäten einzuplanen sind. Da wir die sehr arme siebenköpfige Familie gerne weiter unterstützen möchten, entschlossen wir uns ihnen ein weiteres Hasenpaar zu schenken.
In den Nachmittagsstunden stießen Christoph und Manni zu uns, die sich schon von weitem durch den aufheulenden Motor des Geländewagen aufgrund der steilen von Schlaglöchern übersähten, afrikanischen Straße ankündigten.

Ausgepowert durch das abendliche Fußballmatch genossen wir die exzellent zubereiteten Kaninchen und beendeten den Tag mit einer wohltuenden Tasse Tee der umliegenden Felder.


UNO, dos, t-t-t-t-tres,

06.08.2014
„Alter ist das kalt, man sieht deinen Atem!“ schreckte Toby auf als er liebevoll von Jules geweckt wurde. Tatsächlich wird es nachts sehr kalt in Kiruhura. Wenn der Pastor meint, es ist so kalt wie der Winter in Deutschland, ist das nur minimal übertrieben ;-) Erst im Laufe des Vormittags, wenn die Sonne es schafft über den Hügeln empor zu steigen, erreicht die Temperatur Werte, die man von der äquatorialen Lage Ruandas erwarten würde.

Nachdem wir während des Frühstücks weiter an der Improvisation unserer Kaffeebrautechniken mittels Siebsocke, Trichter und selbstkonstruierter Plastikflaschenkanne gefeilt hatten, starteten wir unsere allmorgendliche Frühbesprechung. Dieser Tag stand ganz im Sinne der Forschung und Dokumentation. Erster Anlaufspunkt war das Rathaus Kiruhuras, um ein Gespräch mit dem „District Executive Officer“ des Bezirkes zu suchen. Wobei auch hier wieder erwähnt werden muss, dass ein „Rathaus“ eher ein kleines Gebäude mit drei Zimmern ist, die dann auch direkt die drei Angestellten an bestimmten Tagen beherbergen. Dort angekommen wurden wir von einer freundlichen und lebensfrohen Dame mittleren Alters empfangen. Intention unseres Besuches war es, mehr über die Bedürfnisse der Menschen der Region in Erfahrungen zu bringen. Im weiteren Verlauf des sehr konstruktiven Gesprächs mit der kompetenten Beamtin konnten wir viele wertvolle Daten sammeln. Insbesondere Informationen zu Einkommen, Kaufkraft, staatlichen Förderungsprogrammen, Steuer- und Versorgungssystemen, dem Bedarf an Elektrizität und Wasser und der agrikulturellen Entwicklung und Ernährungsproblematik waren für uns von besonderem Wert.

Nach einem stärkenden Mittagessen machten wir uns auf den Weg, um eines unserer vergangenen Soforthilfeprojekte zu besuchen. Hierfür ging es erneut einen der sprichwörtlichen tausend Hügel Ruandas hinauf, um die Familie unseres 12-jährigen Freundes Radu zu besuchen. Im Jahr 2012 hatte die Familie von uns ein Hasenpaar geschenkt bekommen. Das kaufmännische Geschick des Vaters der Familie sorgte für eine Wertsteigerung von den zwei Hasen über mehrere Hühner bis hin zu zwei Ziegen. Es ist schön zu sehen, dass unsere kleinen Soforthilfeprojekte Früchte tragen. Nachdem sich der Hausherr John im Namen der Familie sehr herzlich bei uns bedankt hatte, erklommen wir bestückt mit 3-5 Kindern pro Hand, die letzten 75m des Hügels. Dort wurde dann wie jeden Tag, Fabian, unserem sehr zuverlässigem IT-Fachmann, der aktuelle Blogeintrag zugeschickt. Dies kann schon mal eine gute ¾ Stunde in Anspruch nehmen. Nebenbei beschäftigten sich die Kinder damit, den beiden Mädels die Haare mit Blumen zu schmücken.. Traditionell beendeten wir unser Tagesprogramm mit einem Fußballmatch mit wahrscheinlich allen Jungs aus Kiruhura. Währenddessen begeisterten Cathi und Laura die Mädchen und kleineren Kinder mit Seilchen springen und unendlich vielen Seifenblasen, von denen die Kinder wohl niemals genug sehen können. Es ist unglaublich welche Freude ein bisschen Seifenlauge und ein paar Seile hier entfachen können.
Die kindliche Begeisterung teilten am Abend dann auch unsere Gastgeber Pastor Gilbert und seine Frau Gloria, als wir sie zu einer Runde „UNO“ herausforderten. Insbesondere die sonst eher zurückhaltende Gloria freute sich diebisch am mangelnden Karten- und Spielglück ihres Mannes.


Vollgas in Kiruhura

05.08.2014
Erstaunlicherweise schläft man auch in ehemaligen Hühnerställen sehr gut, besonders, wenn die Eindrücke des ersten Tages zahlreich waren.
Mit dem besten Tee der Welt, der hier direkt von der Plantage kommt und einer kleinen Stärkung ging es wieder zurück zur Krankenstation, die wir gestern schon begehen konnten. Heute hieß es aber ausmessen der Türen, Fenster sowie des Dachs für eine mögliche Solaranlage. Die Arbeiter, die zum großen Teil aus Kiruhura kommen waren schon fleißig und mischten Mörtel für die Wandverkleidung. Unser kleiner Hobbie-Architekt Jakob erzählte uns nach erneuten Messungen wie genau die Pläne mit dem jetzigen Bau übereinstimmen. Auch das große Maßband, das wir im letzten Jahr mitgebracht hatten, kam wieder zum Einsatz, um die restlichen Flächen für die Station nochmal zu vermessen.
Wir hatten ebenfalls das Bedürfnis etwas mit anzupacken, weshalb wir uns vom Vorarbeiter erklären ließen, wo wir am besten helfen können, ohne den ganzen Arbeitsprozess aufzuhalten. Jeder der schon einmal versucht hat guten Putz oder Mörtel an zumischen weiß, dass das Verhältnis stimmen muss. Wir haben mitgemischt und Wasser und Mörtel getragen. Die Arbeit hat nicht nur uns viel Spaß bereitet, denn wir haben auch zwischendurch für die allgemeine Erheiterung der Bauarbeiter gesorgt.

Strom ist hier vor Ort etwas Besonderes. Wir haben den Luxus durch vergangene Projekt, dass der Pastor eine Steckdose hat, die über ein Solarpanel betrieben wird. Dadurch können wir auch unsere Kamera und den Laptop laden um euch auf dem Laufenden zu halten. Wie ihr schon festgestellt habt, ist die Internetverbindung im Land sehr gut. Das Dorf liegt in einem größeren Tal, in dem der Internet Empfang nicht möglich ist. Um trotzdem Täglich den Blog hochladen zu können, mussten wir wie im letzten Jahr auf den Berg Gitojo hinter unserer Herberge steigen. Für die 20 Kinder, die uns immer begleiten ist der Berg eher ein Hügel und die 300 Höhenmeter ein lustiger Spaziergang, aber wir kamen schwitzend und schnaubend oben an. Der eindrucksvolle Ausblick über das Tal entschädigt für die Anstrengung. Der Blick reicht weit bis hin zu den nächsten Bergketten und ist geprägt durch Felderterrassen, die sich hoch bis auf die Spitzen ziehen. Die Bergkuppe liegt etwa 2100m über dem Meeresspiegel. Für den Abstieg benötigten wir - wie erwartet - viel weniger Zeit. Wir hatten uns jedoch auch beeilt, weil der nächste Punkt auf unserem Tagesprogramm ein Fußball-Spiel mit den Kindern sein sollte.

So versammelten wir uns gemeinsam mit der Dorfjugend Kiruhuras auf dem „Bändergefährdenden Fußballplatz“ vor der Schule. Wie schon bei der Platzbegehung von unserem Fußballexpterten der Gruppe prognostiziert, blieb ein taktisches Fußballspiel aus, welches natürlich nur ;-) den gegebenen Bedingungen des Untergrundes geschuldet war - Dies sollte dem allgemeinen Fun-Faktor jedoch keinen Abriss tun. Letztendlich war die Ruandisch-Deutsche Stürmerkombination, mit der Beteiligung unseres Deutschen Peter „Jules“ Crouch am Ende spielentscheidend. Für die Szene des Tages sorgte jedoch ein Spieler des Verliererteams: Unser Ersti Toby, der mit dem Rücken zum Tor stürzte, sich den Ball im Sitzen selber auflegte und mit einem Seitenfallzieher mit der B-Noten-Wertung von 10 Punkten mustergültig vollendete, war daraufhin in der jubelnden Traube von Kindern kaum zu entdecken. Dem frühen ruandischen Sonnenuntergang geschuldet, fielen wir völlig erschöpft, aber vollkommend glücklich nach einer gemeinschaftlichen Reflektion des Tages in die Federn.



Drittes Video

05.08.2014



Ankunft in Kiruhura

04.08.2014
Der nächste Morgen: noch ein schnelles Frühstück, packen, letzte Einkäufe erledigen und dann endlich ab nach Kiruhura! Nach der fast schon zur Tradition gewordenen, alljährlichen Überladung der Geländewagen der EPR, die von unserem Freund Emmanuel für uns organisiertet wurden, traten wir die dreistündige, malerische Fahrt nach Kiruhura an.

Wie üblich wurden wir von hunderten begeisterter Kinder empfangen. Nach-Hause-Kommen für Jules, Christoph und Jakob und der gelungene Auftakt einer sehr besonderen Zeit für unsere Ersties. Zunächst wurden uns die atemberaubenden Fortschritte unserer Krankenstation präsentiert. Voller Stolz und Faszination genossen wir die Begehung dieser und bewunderten weidereinmal, wie reibungslos die Projekte auch in unserer Abwesenheit vorangetragen werden. Diesen schönen Moment wollten Christoph und Jules in unserem dritten Videoblock festhalten und mit euch teilen. Unsere Ersties waren einfach nur überwältigt von den ersten Eindrücken im Dorf. Überall wurden sie von Kindern umringt und jeder wollte wissen, wie die neuen heißen, wobei auch hier direkt neue Namenskreationen entstanden. Aus Laura wurde Launi und aus Toby wurde Dobby. Die Vorstellung eines Dorfs in Deutschland trifft hier nicht ganz zu. Die Hütten verteilen sich auf verschiedenen Hängen in mehreren Kilometern Entfernung. Auf dem Weg in das Haus unserer Gastgeber Gloria und ihrem Mann, Pastor Gilbert, wurde jeder von uns von mindestens zwei Kindern an die Hand genommen und bis zur Türschwelle begleitet. Den restlichen Tag verbrachten wir mit vielen Umarmungen und Handgeschüttel und wurden in unserer Projektstätte herzlichst willkommen geheißen.

In gemütlicher Runde konkretisierten wir unsere Pläne der nächsten Tage und fielen relativ früh tot müde in unser Nachtquartier, das wir uns wie üblich in ehemaligen Stallungen des Pfarrhauses eingerichtet hatten.



Zeremonien und der Kivu-See

03.08.2014
„Yeaaaaah“ ruft Jakob, denn der Bus setzt sich endlich in Bewegung. Die Busgesellschaft hatte den kleinen 24 –Sitzer dreifach überbucht, sodass wir nicht nur mit Locals, sondern auch anderen Backpackern um die Plätze streiten mussten. Irgendwann organisiert der Busfahrer dann doch zwei weitere Busse und alle kommen heute noch nach Hause.
Kaum fahren wir, beginnt im Halbdunkeln der bereits untergegangenen Sonne einer unserer Ruandischen Mitreisenden halb melodisch, halb krächzend ein beruhigendes, afrikanisches Lied zu singen. Schemenhaft ziehen draußen in der Dämmerung unzählige Hügel der charakteristischen Landschaft an uns vorbei, der Fahrtwind der offenen Fenster kühlt die noch leicht erhitzten Gemüter - es könnte keinen schöneren Moment, keine passendere Atmosphäre geben um den Tag Revue passieren zu lassen. Während der Bus sich rappelnd und schaukelnd die kurvigen Berge hoch und runter schleppt kommen die Bilder der vergangen Stunden wieder zum Vorschein.

Schon letzten Montag wurden wir von Pastor Emmanuel Muhozi, unser Freund, Partner und der Vize-Präsident des Kirchen-Distrikts „Kigali“, zu Feierlichkeiten der presbyterianischen Kirche eingeladen. Am ehesten kann man es mit einer Jahreshauptversammlung vergleichen, dessen viertägiges Programm seinen Höhepunkt heute mit der Vereidigung neuer Distrikt-Präsidenten und Pastoren fand. Pastor Emmanuel sagte er würde sich sehr freuen, wenn wir am Sonntag dabei sein würden. „It’s near Lake Kivu and it’s only a short ceremony. You can visit the lake afterwards.“, sagte er. Um das kurz vorher klar zu stellen, sechs Stunden als „kurz“ zu bezeichnen sprengt alle uns bekannten Definitionen des Begriffes ;)
Also sind wir heute morgen um fünf aufgestanden, haben den Bus um sieben Richtung Kibuye am Kivu-See genommen und kamen um neun passend zum Beginn der Zeremonie unter freiem Himmel an. Die alten Hasen unserer Gruppe hatten uns schon ein wenig darauf vorbereitet, dass „kurz“ etwas länger als erwartet bedeutet und dass wir als hellheutige Europäer sehr interessant zu „begucken“ seien könnten - zumindest für alle anwesenden Kinder.

Nachdem wir uns zunächst zu den Kindern auf den Boden gesetzt hatten, wurden uns schon nach kurzer Zeit zwei Bänke in der Spitzenposition zur Verfügung gestellt. Manch undankbarer Schuft könnte meinen wir wurden auf den „Präsentierteller“ gesetzt. Es fühlte sich sehr befremdlich an auf Bänken in erster Reihe - den auf dem Boden sitzenden - Kindern die Sicht zu versperren und mit kalten Getränken privilegiert behandelt zu werden. Jedoch muss man auch verstehen, welche Ehre es für die Leute hier ist uns diese Vorzüge bieten zu können. So waren wir auch froh darüber nach der gefühlten zehnten Sonnencreme-Runde einen Schattenplatz angeboten zu bekommen. Dies bewahrte uns zwar vor einem Sonnenbrand dritten Grades, ging jedoch auch damit einher, dass wiedermal zehn Locals durch uns die Sicht versperrt wurde. Ein Ausschlagen dieser Bemühungen wäre jedoch unhöflich und respektlos.

Pastor Pascal Bataringaya, Vize-Präsident der Eglise Presbyterian Rwanda (ebenfalls Freund und Partner von L’appel), eröffnete die Feierlichkeiten und war neben Pastor Emmanuel eines der wenigen uns bekannten Gesichter. Obwohl uns sogar zwei Übersetzer zur Verfügung gestellt wurden, fiel es uns recht schwer über sechs Stunden die Messe zu verfolgen. Es war trotzdem eine Ehre den Feierlichkeiten beiwohnen zu dürfen und der Tag wird uns sicherlich noch lange im Gedächtnis bleiben - und zwar nicht nur, weil dies, unter der Beobachtung von 3000 Augenpaaren, die bisher wohl sechs exponiertesten Stunden unseres Lebens waren.

Nach der Zeremonie erwartete uns in der nahegelegenen Kirche ein leckeres traditionelles Essen, welches wir nutzten, um uns nicht nur mit unseren - doch sehr beschäftigten -Pastorenfreunde Emmanuel und Pascal auszutauschen, sondern auch unser Netzwerk zu erweitern.

Gestärkt düsten wir in einer Kolonne von zehn „Motos“, die Jules (nach wie vor) als „coolste Motorradgang zwischen Kigali und Kibuye“ bezeichnete zum nahegelegenen Kivu-See. Der Kivu-See ist der größte See Ruandas und trennt das Land von der demokratischen Republik Kongo. Leider hatte sich unser Zeitplan durch die leichte Überlänge unseres Vormittagsprogramms verschoben, sodass uns nur 20 Minuten am Ufer des Sees verblieben, um die idyllische Atmosphäre bei einer kalten Cola zu genießen.

So ihr Lieben wir sind nun fast wieder in Kigali angekommen und verabschieden uns nach einem ereignisreichen Tag, voller Vorfreude auf unsere morgige Abreise nach Kiruhura. Für unsere alten Hasen geht es somit endlich wieder in ihr afrikanisches Zuhause und für unsere Erstis steht der Höhepunkt der Reise an.







Zweites Video

02.08.2014




Zum Amt

01.08.2014
Erstmalig musste unser traditionelles gemeinsames Frühstück ausfallen, da sich Jules, Christoph und Jakob bereits um 7 Uhr schlaftrunken in die Stadt begaben. Während der Rest der Bande dem frühen Vogel keine Beachtung schenkte, machten sie sich – akut unterzuckert und dennoch voller Tatendrang - zur deutschen Botschaft auf. Aufgrund der gesammelten Erfahrungen der vergangenen Tage konnten die drei eine erneute und überflüssige Standrundfahrt verhindern und sprangen kurzfristig als Navi für die „Motofahrer“ ein. Angekommen an der deutschen Botschaft mussten sie sich einer erneuten Geduldsprobe stellen. Nach einer intensiven Ganzkörperkontrolle durch den Wärter im Empfangsbereich der Botschaft mit der überraschenden Nachricht empfangen, dass sich ihr Termin wohl um 30 Minuten verschieben würde. Auch Deutsche Beamte scheinen vom Einfluss des TIA (This is Africa) nicht verschont zu bleiben.
Mittlerweile schälte sich auch der Rest des Teams nach der gefühlten zwanzigsten Schlummerphase aus den Laken. Unsere Ersties - Toby, Cathi und Laura – gönnten sich zunächst ein nahrhaftes und gemütliches Frühstück.
Gestärkt schwärmten Laura und Toby in die Bankenlandschaft Kigalis aus um weitere Angebote für die Eröffnung eines eigenen Devisenkontos in Ruanda einzuholen. Als größte Herausforderung stellte sich die Faktenphobie Ruandischer Bankmitarbeiter heraus. Konkrete Zahlen zu Überweisungsgebühren und Provisionszahlungen herauszufinden bedurfte eines beinahe detektivischen Talents. Die Datensammlung war dennoch erfolgreich und die Informationsdichte nun so groß, dass wir eine Entscheidung für eine kooperierende Bank treffen können.
Der Botschaftstermin endete zwar wie gewünscht, jedoch trotzdem anders als erwartet. Die durch die Botschaft zu beglaubigenden Dokumente haben brav eingetütet mit uns die Botschaft wieder verlassen. Kaum überraschend war dabei, dass uns auch wieder eine erneute Demonstration afrikanischer Kreativität präsentiert wurde: 40 Seiten Dokumente und kein Tacker in der gesamten Deutschen Botschaft, der dieser Dicke Herr werden könnte. „Solange auf den Dokumenten genug Stempel darauf sind, sollten sich aber alle Offiziellen zufrieden geben“, so die Botschaft.
Das Timing hätte nicht besser sein können, als sich die Wege von Jakob, Christoph, Jules, Laura und Toby im Zentrum Kigalis kreuzten und die Gruppe sich neu sortieren konnte. Ein Teil der aktiven Truppe machte sich zu den Punkten zwei und drei der heutigen Ämterliste auf…

Just in dem Moment in dem ein Afrikaner einem Mzungo („der weiße Mann“) ansehen kann, dass er sich langsam in den Zustand von Verwirrtheit, Hoffnungslosigkeit bewegt, eröffnen sich ihm zwei Möglichkeiten: Entweder er versucht aus der Verwirrtheit des Mzungos Kapital zu schlagen, oder was uns in Ruanda erfreulicher weise häufiger begegnet - er bietet selbstlos seine Hilfe an. So geschah es auch in diesem Fall. Jules und Toby kamen trotz grober Kenntnisse des Ziels in ihrer Suche nach dem Verkaufsstand für Bustickets alleine nicht mehr weiter. Aus dem Nichts tauchte ein freundlicher Helfer auf, um mit ihnen an den richtigen Busbahnhof zu fahren, ihnen die Moto-Taxen zu bezahlen und ihnen den richtigen Busbetreiber und die richtige Fahrt zu zeigen. Als Dank wollten unsere beiden, sehr erleichterten Freunde, zumindest ihre Rechnung des Moto-Taxis begleichen, jedoch bestand der Retter in der Not darauf es dabei zu belassen, dass sein Karma ihm schon aushelfen werde – „I will get it back somewhere else“.

Als letzter Punkt des offiziellen Tagesabschnitts stand noch die Präsentation der bisher gewonnenen Daten zur Forschung rund um den Umgekehrten Generationenvertrag an. Till und konnten die versammelte Mannschaft in ihrer Präsentation der Daten, des Konzeptes und der anstehenden Planungsschritte mehr als nur beeindrucken. Das Maß an Wissenschaftlichkeit der Arbeit von Till, Carla und Christoph ging an manchen Stellen über das Maß des Verständnisses des Teams hinaus, sodass wir ebenso begeistert, stolz und auch etwas verwirrt das Gespann weiter forschen lassen wollen.
Mittlerweile näherte sich die Sonne wieder gnadenlos dem Horizont und so eilten wir, der täglichen Ration Bewegung und Sport entgegensehnend zum Basketballplatz (freitags gibt es in Ruanda eine Sportpflicht, jeder ist angehalten Sport zu treiben. Wir wollten uns da natürlich nicht aus der Affäre ziehen). Dort erwartete uns bereits eine große Gruppe Ruandesen, die wir dann mit geschwollener Brust und voller Selbstbewusstsein herausforderten. Es dauerte etwa 2 Minuten bis wir realisieren konnten was wir uns da angetan haben. Neben Magenkrämpfen, Stürzen nach Zweikämpfen, harten Dribblings, afrikanischen Kunststücken unter dem Korb, deutscher Chancenlosigkeit im Reboundspiel hatten wir aber vor allem eins: wieder eine Menge Spaß. Retrospektiv macht es für uns aber durchaus Sinn, dass es nur einen bekannten Deutschen in der NBA gibt.
Mit dem Einbruch der Dunkelheit konnten wir dann duschen, essen und den Abend bei Kartenspielen in der großen Runde, gemeinsam mit unseren afrikanischen Freunden, ausklingen lassen. Die Erschöpfung des Tages stand uns ins Gesicht geschrieben, aber heute hatten wir alle das Gefühl, dass unser Team großartig zusammen arbeitet, sich toll ergänzt und wir so eine Menge an Aufgaben erfüllen konnten. Mit den Worten von Andreas Bourani beenden wir die erste Phase in Ruanda: „Ein Hoch auf das was vor uns liegt“.







Das erste Videoblog

01.08.2014




RIP French Press

31.07.2014
Heute gab es den ersten, bitteren Rückschlag auf unserer Reise. Der Tag startete schon grandios, als Laura die Toilettentür mit der Duschtür verwechselte und Jules seine Geschäftssitzung mit einem erschrockenen „Uuuuuuh!“ unterbrechen musste. Der weitere Tagesverlauf wurde von folgendem schweren Verlust überschattet. Unser Herzstück, die mitgebrachte „Mini-French Press“, die uns bis her allmorgendlich, -mittäglich und -nachmittäglich mit heißer, brauner Liebe und Energie versorgte, verabschiedete sich erschöpft in den Kaffeemaschinenhimmel. Sie fiel beim aufräumen runter und zerbrach in tausende ihrer liebgewonnen Einzelteile. Der/die Schuldige möchte ungenannt bleiben. Kein Problem, Laura, deine Geheimnis ist bei uns sicher.

So begannen wir frei von jeglichen künstlichen Energiespendern und geknickt durch den herben Rückschlag unseren Tag und widmeten uns unserem eigentlichen Aufgabenpaket.
Dies bestand, wie in den letzten Tagen, aus viel Textarbeit an unterschiedlichen Dokumenten, die für die ruandischen Behörden angefertigt werden mussten. Am Vortag wurde uns im Immigration Office mitgeteilt, dass für die angestrebten Kooperationen mit den hiesigen Ministerien und Offiziellen etliche amtliche Papiere übersetzt und beglaubigt werden müssen. Außerdem gab es immer noch den Plan, hier noch „fix“ ein lokales Bankkonto zu eröffnen um die Finanztransaktionen leichter und v.a. preisgünstiger durchführen zu können. Auch wenn wir uns langsam wie Asterix und Obelix auf der Suche nach dem Passierschein A38 fühlen, sind wir am Ende des Tages immer stolz im Ringen mit dem Beamtentum oben auf zu liegen.

So verbrachten wir den ganzen Tag, bis spät Abends, schreibender Weise mit Zulassungsanträgen, Registrierungen, Übersetzungen, Beglaubigungen, Anfragebriefen, Projektplanungsübersichten, Finanzberichten und vielem, vielem … wirklich vielem … mehr, um am nächsten Tag endlich die entsprechenden Behördengänge angehen zu können. Ob die deutschen Behörden ein Vorbild für die ruandischen waren können wir nicht genau sagen, aber sie könnten in Ruanda definitiv noch etwas lernen!


Eure L'appel Deutschland Delegation 2014








Moto-Touren durch Kigali

30.07.2014
Mit dem nett gemeinten Kürzel „TIA – This is Africa“ werden wir „Erstis“ immer wieder daran erinnert, dass Afrika nicht Deutschland ist und wir Deutschen nicht umsonst den Ruf haben, etwas unflexibel zu sein ;)

So zogen Jakob und Jules, nach der morgendlichen Orga-Besprechung aus, um bei der Deutschen Botschaft einige Punkte von unserer Liste zu erledigen. Danach ging es weiter zum „International Immigration Office“. Das Ziel dieser Besuche war die Stärkung der Infrastruktur von L'appel in Ruanda, um eine lokale Plattform für die Prozesse vor Ort zu schaffen und die Transparenz weiter zu stärken. Aber irgendwie lief die Fahrt dort hin anders als erwartet.

Wenn man in Kigali irgendwo hin möchte, schnappt man sich ein „Moto“ und sagt dem Fahrer den gewünschten Zielort, nicht einen Straßennamen – diesmal also „german embassy“. Dann verhandelt man den Preis und rauf aufs Moto – in der unbedarften Annahme, der Fahrer kenne schon den Weg. Als nach 20-minütigem Zirkeltraining die ersten Verkehrspolizisten zur Hilfe gezogen wurden, gefolgt von zahlreichen weiteren Orientierungsstopps, schlich sich ganz allmählich der Verdacht ein, dass diese Einschätzung evtl. doch ein Schuss ins Blaue gewesen sein könnte. Nach 40 Minuten erreichten die beiden aber schließlich doch die immerhin 2km entfernte Deutsche Botschaft und schilderten einem Wächter am Eingang erleichtert und umfassend ihr Vorhaben – der sich freundlich ihren fünfminütigen Monolog anhörte, um schließlich zu kommentieren: „Ok, problem is opening times (9-11Uhr)“. Also morgen früh das Ganze nochmal – TIA.

Unterdessen unternahmen die „Frischlinge“ des Teams eine ganz ähnliche Moto-Tour zur Besichtigung des „Kigali Genocide Memorial Center“, um sich mit den bedrückenden Ereignissen der nahen Vergangenheit Ruandas auseinander zu setzen. Trotz aller „Vorbereitung“ waren wir erschüttert von dem Ausmaß an Gewalt und Verlusten, die die Menschen in Ruanda erleben mussten. Durch Erzählungen von einzelnen Schicksalen und Erlebnissen Betroffener wird versucht dem Besucher die unbegreiflichen Geschehnisse näher zu bringen. Unfassbar scheint uns die Erkenntnis, dass Leute mit denen wir hier täglich zusammenarbeiten Zeitzeugen dieser noch jungen Geschichte sind.
Für einige von uns war jedoch ebenso beeindruckend, wie reflektiert und weitsichtig mit dem Thema „Genozid“ im Allgemeinen im Kigali Memorial umgangen wird. Es wird eben nicht nur die eigene Geschichte aufgearbeitet sondern auch über andere, teilweise vergessene, Genozide im Balkan oder Kambodscha informiert und gedacht. Dadurch versucht das Museum die Thematik auf eine weitere Ebene zu heben - nicht nur dem Gedenken und der Aufarbeitung der Vergangenheit wegen sondern auch der Vermeidung eventueller zukünftiger schrecklicher Gräueltaten.

Mindestens ebenso beklemmend ist die Erkenntnis, wie viel von diesen Ereignissen damals nach außen gedrungen sein muss und dennoch international falsch interpretiert wurde. Wie würden wir heute handeln? Wie viel Unterstützung kann oder dürfte man erwarten, sollten sie nötig werden? Heutzutage fühlen wir uns sicher im Schutz durch einen internationalen Staatenverbund und aufgeklärt über die Fehler der Vergangenheit – der Besuch und die Auseinandersetzung mit Ruandas Geschichte zeigte uns abermals, wie wichtig der bewusste Umgang mit internationalen Geschehnissen und Handlungen heutzutage immer noch ist.

Nachdem unsere Gruppe so unterschiedlich den Tag verlebt hatte, trafen wir uns gegen späten Nachmittag alle in unserer Herberge „Isano“ wieder. Mit einem leidenschaftlichen Fußball-Match mit den Jugendlichen der Nachbarschaft ließen wir den Tag ausklingen. In gemütlicher Organisation von Anträgen und anderen „Schlachtplänen“ saßen wir nach dem Abendessen noch etwas länger in unseren geliebten Pavillons beisammen und gingen anschließend erschöpft aber sehr zufrieden ins Bett. In diesem Sinne: „Cheers“.

Eure L'appel Deutschland Delegation 2014





Ankuft in Ruanda 2014

29.07.2014
Wenn Flüge erst nachts um zwei Uhr am Zielort landen ist bis zum nächsten Morgen nicht mehr ganz so viel Schlaf drin. Mit immer noch leicht müden Augen ging es für uns heute erst mal in die Innenstadt - Einkäufe, Geldwechseln, Nahrungsaufnahme. Zum ersten Mal sitzen auch unsere „Erstis“ auf den berüchtigten Motorrad-Taxen, liebevoll „Moto“ genannt. Frei von Straßenmarkierungen und Verkehrshinweisen auf dem Weg in die City hält man sich möglichst gut mit der einen Hand am Sitz fest und presst mit der Zweiten den zu groß geratenen Helm auf den Kopf. „Ach ja, steigt nur von links auf – der Auspuff ist glühend heiß!“ Ein aufregender Einstieg in die Begegnung mit der Hauptstadt Kigali.

Das Land der tausend Hügel, seine Hauptstadt an tausend Hängen gebaut. Nicht die Innenstadt hinterlässt den ersten bleibenden Eindruck, sondern die seicht am Hügel ansteigenden Wohngebiete entlang der quirligen Hauptverkehrsstraßen. In der Nähe hoher Bankentürme, zwischen gut ausgebauten Straßen und zusammenhängenden Häusergruppen liegen grobe Schotterwege und freie Flächen mit einfach gebauten Betonhäusern. Immer wieder schaut das Fundament der Stadt zwischen Wohngebieten und Baustellen hervor - die rote, ruandische Erde. Man sieht förmlich, wie die Stadt mit den roten Flicken zusammen wächst und alle staubigen Flächen langsam für sich gewinnt.

Eure L'appel Deutschland Delegation 2014














2013

Das letzte Mal

15.08.2013
Mit den Worten: "Ich bin voll wieder am Start" sprang Jules um 6.00 Uhr morgens aus dem Bett, um danach direkt unter die Dusche zu hetzen und den Fieberschweiß von zwei Tagen von sich zu waschen. Mirka hatte es sich zur Aufgabe gemacht seine Position weiterzuführen und begab sich für die nächsten 24 Stunden in die Horizontale. Trotzdem versuchten alle, außer Anne, einFrühstück zu sich zu nehmen, besonders Jules, der das Gefühl hatte drei Jahre nicht gegessen zu haben. Anschließend erstellten Jules, Jakob und Anne ein Protokoll aller Aktivitäten, Erfolge und Ergebnisse der letzten zwei Wochen, während Mirka wiederum in einen komatösen Fieberschlaf versank.

Jakob und Jules fuhren in die Stadt um einen Mietwagen für den Akagera-Nationalpark zu organisieren und um das Protokoll hochzuladen, sowie den umgekehrten Generationenvertrag für Dan auszudrucken, da dieser seinen Fördervertrag noch vor Abreise der Delegation unterzeichnen sollte.

Recht mitgenommen kehrten die Beiden gegen 17.00 Uhr in das Isano zurück, um sich mit Dan wegen seiner Förderung zusammen zu setzen. Unerwarteter Weise berichtete Dan ihnen von einer Vorauszahlung in Höhe der Hälfte seiner Semestergebühren, die er innerhalb der nächsten Tage zu zahlen habe. Dies ist mal wieder typisch afrikanisch und beschert uns erneut ordentlichen Stress. Dies spiegelt die oftmals falsche Vorstellung, dass Muzungos unbegrenzte Geldressourcen haben, wider. Nun liegt es L'appel Deutschland e.V. ihm schonend ein Bewusstsein für Eigenverantwortung zu vermitteln.

Gegen Abend machte sich Jakob erneut auf den Weg zu einem Meeting von Rotary, während Anne und Mirka den Blog verfassten.

Den Rest des Abends füllten wir damit auf obskuren und vielfachen Umwegen doch noch ein günstiges Auto für unsere am Freitagmorgen beginnende Tour in den Akagera-Natinonalpark zu finden. Damit endet der offizielle Teil unserer Reise und auch des Blogs. Nach einer schönen, aufregenden und anstrengenden Zeit freuen wir uns auf zwei Tage Touristendasein. Wir sind glücklich, dass ihr uns diese zwei Wochen begleitet habt, und hoffen dass ihr es genauso genossen habt den Blog beziehungsweise das Reisetagebuch zu lesen, wie wir es genossen haben ihn zu schreiben. Somit verabschieden wir euch mit einem "Murakoze Cyane"

Eure L'appel Deutschland Delegation 2013





Nicht nur wir sondern auch der Magen verabschiedet sich...

14.08.2013
Um sechs Uhr morgens klopfte Jakob stürmisch an die Tür der Mädels, um nach Wasser zu fragen, da Jules und Nick abwechselnd die Toilette durch Erbrechen besetzten. Anne unterstützte Jakob zu der frühen Stunde bei der Erstversorgung der Erkrankten, die zusätzlich von Fieber, Schüttelfrost und schwerem Durchfall befallen wurden.

Da Nick an diesem Tag nach Hause fliegen wollte, setzten wir alle Hebel in Bewegung um ihn hierfür stabil zu machen. Abwechselnd benutzten Jules und Nick das Fiebertermometer und Anne versorgte beide, unter den Argusaugen des Medizinstudenten Jakob, mit Wadenwickeln. Hierbei konnten sich endlich Annes Mutterhormone für die nächsten 10 Jahre austoben. Um 13.00 Uhr übernahm dann Jakob die "Krankenüberführung" per Taxi von dem mit Paracetamol vollgepumpten Nick in den Flieger. Der weitere Tag gestaltete sich im Staffellauf des Leidens. Nach einem gemeinsamen Mittagessen, beschloss Anne dieses wieder in die Toilettenschüssel zu befördern und verbrachte den restlichen Tag, sowie die Nacht in der Waagerechten im Bett. Die Krankheit hatten also auch die Macht über sie ergriffen!

Jakob, dessen Magen auch zu rebellieren begann, riss sich am Abends nochmal am Riemen, um ein Treffen bei den "Rotariern" wahrnehmen zu können. Mirka übte sich derzeit im Krankenschwester sein, und lief von Zimmer zu Zimmer und kümmerte sich um die Patienten. Außerdem unterstützten die Angestellten Isanos, welche das Krankenmaleur mitbekommen hatten, mit ruandischem Herz und Mitgefühl Mirka und Jakob bei der Betreuung der Kranken.

Schliesslich kehrte schon früh am Abend Ruhe in das "Krankenhaus Isano" ein und alle Kranken, bis auf Mirka, fielen in einen komatösen Fieberschlaf. Wir vermuteten uns, mit dem Essen des vorigen Abends, eine Lebensmittelvergiftung eingefangen zu haben.

Etwas positives hatten die Umstände doch, denn nach fast zwei Wochen extrem anstrengenden Tagen mussten sich unsere Körper endlich einmal ausruhen. Glücklicherweise traf uns dieser Virus erst in Kigali, da die sanitäre Anlage und die traditionelle Toilette in Kiruhura, den Anspruch dieser Krankheit nicht gerecht hätte werden können.







Der letzte Tag in Kiruhura

13.08.2013
Gestern stand für uns der letzte Tag in Kiruhura an. Sehr skeptisch beäugten wir bereits am Vorabend unsere To-Do Liste und machten uns, gemessen an afrikanischen Erfahrungswerten, eigentlich keine großen Hoffnungen diese auch komplett bis zur Abfahrt am frühen Nachmittag abzuarbeiten.

Grade deshalb war unsere Motivation besonders groß. So liefen wir doch grade auf die Zielgerade ein und hatten nur noch einen schnellen Sprint vor uns, um auch wirklich alle Aufgaben, die wir uns dieses Jahr für die Ruanda-Reise vorgenommen hatten, abzuschließen.

Schon sehr früh morgens, kurz nach Sonnenaufgang, erwartete uns auf der Baustelle die Einleitung einer spannenden neuen Bauphase. In den letzten Tagen waren hier die Fundamente aus Bruchstein und Zement gebaut worden und parallel dazu sind die Korbflechter eifrig damit beschäftigt gewesen die Metalle für die Bewehrung des Betons zu fertigen. Diese wurden am Morgen nahezu fertig gestellt und das Einsetzen, sowie Betonieren, der ersten Betonsäule (Eckpfeiler) unserer Krankenstation in Angriff genommen.

Für die weiteren Arbeiten auf dem Baugrund wurden außerdem Hölzer gebraucht um die Gießform für das Betonieren der Säulen zu erstellen. Dafür wird in den entlegeneren Gebieten in Ruanda traditionell Holz geschlagen und für den gewollten Zweck bearbeitet. Wir konnten es uns als Delegation nicht nehmen lassen dabei zu helfen und bestiegen somit umgehend erneut einen der Hügel Ruandas, um dort im Eukalyptuswald an die Arbeit zu gehen. Das Fällen von Bäumen mit Macheten erwies sich dabei als echte Herausforderung und so mancher hätte sich an dieser Stelle eine Säge gewünscht. Doch aufgeben kam für uns nicht in Frage und so hallten immer wieder die berühmten „Baum fällt“- Rufe durch den Wald. Danach entasteten wir die Bäume und bugsierten die zum Teil extrem schweren Stämme erfinderisch die Hügel herunter zur Baustelle. An dieser Stelle ist es wichtig zu erwähnen, dass in Ruanda Bäume nicht einfach so geschlagen werden können. Auch hier wird der Waldbestand staatlich reguliert und man muss für jeden gefällten Baum bezahlen, sowie wieder aufforsten. Da Eukalyptus ein sehr schnell wachsender Baum ist funktioniert dieses Konzept sehr gut und ermöglichst es, dass das Holz als sehr wichtiger und traditioneller Baustoff erhalte bleibt.

Nach einer kurzen Erfrischungspause und mehreren Blasen an den Händen, hatten wir erneut Besuch von der Nählehrerin, welche bereits vor einigen Tagen beim Aufbau der Nähmaschinen dabei war. In der Zwischenzeit wurden im Dorf von Pastor Gilbert zehn junge Frauen ausgewählt, welche in den nächsten sechs Monaten eine von L’appel Deutschland e.V. gestiftete Näherinnenausbildung erhalten sollen. Damit eröffnet sich diesen Frauen und ihren Familien mit der Möglichkeit zur Kleidungsherstellung eine lukrative Einnahmequelle. Die Nählehrerin zeigte den Frauen die ersten Handgriffe an der Nähmaschine und einige der Anwesenden machten noch einen etwas eingeschüchterten Eindruck, lernten aber sehr schnell. Wir sind auf die zukünftigen Berichte rund um den Fortschritt der Ausbildung sehr gespannt und sind davon überzeugt, dass die Frauen bzw. Mädchen sehr schnell lernen, weil sie schon in der ersten Stunde große Fortschritte gemacht haben. Zum Abschluss erwartete uns noch eine große Aufgabe. Das Filmen der Baustelle, verbunden mit einem Interview beider Pastoren zum Fortschritt und der Bedeutung des Baus der Krankenstation. Jules hatte im Vorfeld einige Zeit damit verbracht ein gutes Skript, also ein Drehbuch, für diese Szene zu entwerfen. Es gestaltete sich allerdings sehr schwer alle Beteiligen so einzuweisen wie Jules es sich vorgestellt hatte. Dies lag zumeist an der Sprachbarriere und der Tatsache, dass viele der Arbeiter keine wirkliche Vorstellung davon hatten was wir da taten, beziehungsweise planten. Erfreulicher Weise war die Szene dann doch schneller im Kasten als wir erwartet hatten und wir konnten unsere Abreise vorbereiten.

Nach einem schnellen Mittagsessen und einer beinahe einstündigen und tränenerfüllten Verabschiedung durch die Kinder machten wir uns schließlich auf den Weg zurück nach Kigali. Dies taten wir mit einem weinenden und einem lachenden Auge, denn es ist nicht zu leugnen, dass sich jeder auf eine warme Dusche freute.

Unterwegs passierten wir noch das ehemalige Kommandolager des Präsidenten Kagama in Mulindi, von wo aus er während des Genozids und bereits drei Jahre vorher den Kampf zur Befreiung des Landes befehligte. Hier verbrachte er die meiste Zeit in einem unterirdischen Versteck, welches heute als Gedenkstätte zu besichtigen ist.

Unsere bereits bekannte Wahlheimat, das Isano in Kigali, erreichten wir kurz vor Einbruch der Dunkelheit. Hier ließen wir schnell noch den Mietwagen waschen und polieren um die paar kleinen Kratzer, die unseren vielen Offroad-Touren zuzusprechen waren, zu beseitigen. Kurz darauf holte der Besitzer seinen Wagen wieder ab und es war um unsere freie Mobilität geschehen. Zum Glück sind wir nun wieder in Kigali, wo die Moto-Taxen uns sicher vermisst haben und wir sie auch.

Nachdem all diese stressigen Dinge des Tages tatsächlich doch noch erfolgreich umgesetzt wurden, gönnte sich jeder eine heiße Dusche und fühlte sich seit über einer Woche endlich mal wieder sauber. Danach blieb uns nur noch unser Erfolg, alle für Ruanda geplanten Dinge erfolgreich gemeistert zu haben, bei einem kühlen Blonden und ein paar Bruchette (Ziegenfleischspieße) zu feiern.





Wenn man sich Gott in den Weg stellt, schießt er einem ins Gesicht.

12.08.2013
Am Montagmorgen klingelten die Wecker schon vor 07.00 Uhr. Das lag daran, dass die Bauarbeiten an der Krankenstation bereits zu früher Stunde beginnen und wir die Stahlkopfflechter unbedingt bei ihrer Arbeitet helfen und filmen wollten. Leider dauerte das Zurechtbiegen des Metalls deutlich länger als wir es uns erhofft hatten, was dazu führte, dass wir nur sehr wenig von den Arbeiten zu sehen bekamen. Denn pünktlich um 09.30 Uhr mussten wir uns auf den anderthalb stündigen Weg nach Byumba machen. In Byumba befindet sich der Sitz der Verwaltungsstelle der Regierung für die nördliche Provinz Ruandas. Wie zu erwarten und auch einkalkuliert brauchten wir eine halbe Stunde länger und waren trotzdem pünktlich. Unser Termin mit dem Verantwortlichen für das Gesundheitswesen der Provinz, Emmanuel, drohte trotzdem ins Wasser zu fallen, da dieser sich um eine dreiviertel Stunde verspätete. Das Warten zahlte sich schließlich jedoch aus, denn Emmanuel konnte uns nach Verhandlungen zusagen ein Dokument zu erstellen, das vertraglich die Kostenübernahme und den Betrieb der Krankenstation nach deren Fertigstellung sichert. Mit einem solchen Erfolg hatten wir nicht gerechnet, umso größer war also unsere Freude.

Auf unserem ersten folgte sogleich ein zweiter Termin. Hierbei besuchten wir die EWSA(Energy-Water-Sanitation-Authorization). Vorige Woche hatten uns die Pastoren Pascal und Emmanuel mitgeteilt, dass die Bevölkerung in und rund um Kiruhura in den letzten zwei Jahren Geld gesammelt habe, um eine Stromtrasse von Mulindi (dem Nachbardorf) aus in das Dorf zu finanzieren. Der Besuch bei der EWSA diente der Informationssammlung rund um das Projekt.

Nach einem kurzen Abstecher zum Markt in Byumba machten wir uns auf den Weg zu Pastor Emmanuels Haus, denn dieser hatte uns zum Mittagessen zu seiner Familie eingeladen. Jeanne, seine Frau, empfing uns mit einem köstlichen traditionellen Essen, das wir schon mit riesiger Vorfreude erwarteten, da Jules und Mirka aus Erfahrung davon geschwärmt hatten. Wir stürzten uns auf das dampfende Essen, da es endlich mal etwas anderes als das Täglich Brot in Kiruhura war. Natürlich gab es wie im Dorf eine riesige Auswahl an Kohlenhydraten, aber zur Abwechslung auch Salat, grünen Bohnen mit Möhren und Kasawa.

Mit vollgeschlagenem Bauch tauschten wir dann nun unsere Gastgeschenke aus und machten uns aufgrund der vielen und tollen Gespräche viel zu spät auf den Rückweg.

Im Dorf angekommen blieb dann am Abend noch ein wenig Zeit für eine letzte große Spielrunde mit den Kindern, was in den letzten Tagen leider viel zu kurz gekommen war. Daher rührt auch unsere heutige Blog-Überschrift. Nachdem sich Jakob nämlich, beim letzten Spiel Torwart, als unüberwindliches Hindernis selbst für Pastor Emmanuel, der in seiner Jugend beinahe Profispieler in Ruanda geworden wäre, entpuppte, legte dieser nun besonderen Wert darauf ihm wieder im Tor begegnen zu können. Angespornt vom Siegeseifer, gab es kein Erbarmen auf beiden Seiten. Das Ende der Geschichte: Jakob bekam eine Granate von Torschuss mitten ins Gesicht und wurde bei seiner Parade (den Ball hatte er trotzdem gehalten) auch noch ordentlich am ganzen Körper lädiert. Kaum aus dem roten Staub des schwarzen Kontinents erhoben kam ihm dann die Erleuchtung: Stell dich Gott in den Weg und er schießt dir ins Gesicht. Mit Männern des Glaubens ist eben nicht zu spaßen. Ebenso lustig ging das Spiel, beäugt und bejubelt von hunderten von Kindern zu Ende und erneut, wie leider schon in den letzten Tagen, mussten wir uns irgendwann der schnell untergehenden Sonne geschlagen geben und den Platz räumen. Dies geschah mit ganz besonderem Schwermut, so war dieser Abend doch der letzte den wir so ausgelassen mit den Kindern genießen konnten – zumindest für dieses Jahr.





Gott sei Dank

11.08.2013
Gott sei Dank - Im wahrsten Sinne des Wortes, gestern war Sonntag. Das bedeutet hier in Ruanda keine Arbeit, weniger Termine für uns und mehr Zeit für die Kinder.

Trotzdem war an Ausschlafen nicht zu denken, denn in einer gläubigen Gemeinde heißt Sonntag auch Gottesdienst um 10:00 Uhr morgens. Nach dem Frühstück putzten wir uns so gut es ging heraus, da wir kaum Gepäck für solche Anlässe dabei haben, sondern eher für pragmatische Dinge und vor allem Geschenke.

In der Kirche wurden für uns extra Plätze in der ersten Reihe freigehalten und zwei Übersetzer zur Seite gestellt. Die Kirche war geschmückt und jeder hatte seine Sonntagskleidung angezogen. In afrikanischer Gospeltradition, bestand die Zeremonie weniger aus trockenen Gebeten, sondern aus Gesängen, Tänzen und brodelnder Begeisterung. Besonders berührt haben uns die Danksagungen für L'appel Deutschland e.V., unserem Besuch hier, unserer Arbeit und, dass wir die Möglichkeit hatten uns selber vorstellen zu können und ein paar Worte an die Gemeinde zu richten. Nach zweieinhalb Stunden ließ der Pastor die Messe mit einem Lied des Kinderchors ausklingen und wir bereiteten uns auf unsere geplante Geschenkaktion vor. Jedes Kind und jeder Erwachsene, insgesamt etwa 200 Personen, bekamen von uns jeweils zwei Stifte. Zusätzlich verteilten wir noch Spitzer und Radiergummis. Die Bedürftigsten des Dorfes, welche im Vorfeld vom Pastor Gilbert ausgesucht wurden, bekamen von uns Flips Flops und Schuhe.

Es folgte ein ausgiebiges Mittagessen in großer Runde mit verschiedenen Pastoren. Für den Nachmittag hatten wir eine kleine Wanderung durch Kiruhura geplant, bei der wir alle Soforthilfeprojekte von 2011 besuchten. Zunächst besuchten wir John, einen der Dorfältesten, welcher einen Hahn und eine Henne bekommen hatte. Mit Freude stellten wir fest, dass aus zwei mindesten 17 geworden sind, was uns und John gleichermaßen erfreut. Unser Weg setzte sich mit Gesängen und begleitet von Kinderscharen fort (5 Kinder an jeder Hand und jeweils zwei auf den Schultern) und führte uns zur nächsten Station. Hier wurden von uns zwei Hasenställe gebaut und mit zwei Hasen verschiedenen Geschlechts bestückt. Auch diese hatten sich erfreulicher Weise kräftig vermehrt, was es der Familie ermöglicht diese zu verkaufen und von dem Erlös die Schulgebühren der Kinder zu bezahlen. Unsere letzte Station war die Familie der kleinen Olive, welche auch einen Hasenstall bekommen hatte und sich über besonders großen Hasennachwuchs freuen kann.

Die letzten anderthalb Stunden vor dem Sonnenuntergang spielten wir mit den Kindern auf dem Schulvorplatz Fußball, sprangen Seil, zogen Tau, tanzten und sangen.

Schwermütig mussten wir uns mit dem Einbruch der Dunkelheit auf den Heimweg machen, verabschiedeten die Kinder und beendeten den Abend in üblicher Manier.





Fortschritte

10.08.2013
Unser für 8.00 Uhr angesetztes gemeinsames Frühstück sorgte dafür, dass wir uns aus den Schlafsäcken quälten, bis auf Anne, die schon aufgestanden war, um endlich einmal in Ruhe duschen zu gehen.

Jakob und Nick begannen mit einer sorgfältigen und vollständigen Vermesseung des Geländes vor Ort, um die genauen Maße für alle weiteren zukünftigen Planungen mit in die Heimat nehmen zu können und mit ihnen zu arbeiten. Anne wurden von ihnen hierbei gut eingearbeitet und die drei bildeten bald ein gutes Team. In der Zwischenzeit bauten Jules, Mirka und die Einheimischen die fußbetriebenen Nähmaschinen auf, damit die Nählehrerin sie hinsichtlich ihrer Funktion überprüfen konnte. Außerdem konnte unser Freund Jean-Paul mit seiner Qualifikation als Elektriker Licht und Strom in das Nähzimmer legen. Dabei assistierte Mirka ihm und bekam anschließend ein großes Lob von Jean-Paul ausgesprochen, da es für die Einwohner Ruandas äußerst ungewöhnlich ist, dass Frauen in solchen Dingen begabt sein können.

Nachdem alle drei Glühbirnen angeschlossen, deren Kabel verlegt und die Nähmaschinen auf ihre Tauglichkeit überprüft waren, gab es das gewohnte Mittagessen: Fritierte Kartoffeln, Reis, Nudeln, Bohnen und Soße. Dieses Essen gibt es im Hause der Pastoren aber nur, wenn wir zu Gast sind. Dies wissen wir sehr zu schätzen und wären auch nur mit der Hälfte oder einem Drittel zufrieden, aber das würde für die Gastgeber niemals in Frage kommen. Deshalb geben wir ihnen für unserem Aufenthalt immer etwas Geld, auch wenn sie es nicht erwarten.

Nach einem sehr starkem Kaffee trafen wir uns mit dem Kinderchor in der Kirche um ihr Gesänge aufnehmen zu können. Dabei fiel uns auf, dass die Kinder durch ihr Singen und Tanzen ihre Lebensfreude preisgeben. Mirka und Jules kannten teilweise die Lieder und versuchten mit zu singen, wobei man immer wieder herzlich von den Kindern ausgelacht wird, da Kinyarwanda eine komplizierte Sprache ist. Sie hat z.B. unglaublich viele Konjugationen und bestimmte Laute die wir nicht gelernt haben.

Zur Belohnung bekam jedes Kind, sowie Erwachsener eine Handvoll Gummibärchen und eine Umarmung, womit wir ihnen ein breites Lächeln in ihr Gesicht zauberten.

Wie gewohnt setzten wir uns Nachmittags zusammen, diskutierten verschiedene Punkte und schrieben den Blog. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit stiegen wir auf den Berg um Internet zu bekommen und erreichten den höchsten Punkt dann bei Dunkelheit. In Kiruhura ist es sehr viel dunkler als in Deutschland, da weit und breit kein Licht ist, nur hier und da eine kleine Feuerstelle oder es blitzt eine Taschenlampe in der Ferne auf. Nach anderthalb Stunden quälen durch das Internet, weil es so langsam ist, gingen wir zu fünft mit drei Taschenlampen, auf einem schmalen Pfad wieder runter in das Dorf und aßen mit Pastor Gilbert und seiner kleinen Familie zu Abend. Dabei unterhiel uns der kleine Prinz Chris köstlich und ließ uns den Stress der letzten Tage wieder vergessen.

Danach feierten wir in einer kleinen gemütlichen Runde in Anne und Mirkas Zimmer auf dem kalten Boden Jean-Pauls Geburtstag, weil Pastor Gilbert und Gloria schon zu Bett gegangen waren.

Gegen Mitternacht legten wir uns alle Schlafen um fit für den Gottesdienst am nächsten Tag zu sein.





The tuwist (tourist) is another man

09.08.2013
Tag drei in Kiruhura. Nach einer erholsamen und bitterkalten Nacht auf unseren sehr weichen Matratzen, fing unser Morgen wie üblich mit einem ruandischen Gebet am Frühstückstisch an. Nachdem wir uns ausgiebig für die kommenden Kraftakte gestärkt hatten, fuhren die vier Jungs richtung Rokomo um dort Zement für den Bau zu besorgen.

Nach einer ca. 40 km langen zweistündigen Off-Road-Tour, trafen sie sich mit Pastor Emmanuel im besagten 200 Seelendorf, wo sie von vielen starrenden Augen empfangen wurden. In dieser Region des Landes sind Mzungus Exoten. Das Starren wurde zum Staunen, als die drei Muzungus, Jean-Paul und Emmanuel ausgerüstet mit L'appel-Shirts, die Zementhändlerin davon überzeugten, dass sie in der Lage seien den Zement selbst zu zu verladen. Unter viel Schweiß und Gelächter der begeisterten, einheimischen Zuschauer wurde eine Tonne Zement in das Auto gehieft.

Nach dieser Strapaze lud unser Freund Pastor Emmanuel sie zum tradtitionellen Bruchette- und Kartoffel Essen ein. Nach dem Snack machten sich die Jungs auf den Rückweg.

Damit der schwerbeladene Wagen den Weg nach Kiruhura unbeschadet überstehen konnte, entschieden sie sich auf halber Strecke die Hälfte der Lasten auf Fahrradtaxen zu verladen. So ersparten sie unserem angemieteten Land-Cruiser den besonders unwegsamen Teil der Strecke in völlig überladenem Zusstand meistern zu müssen.

Unterdessen haben Anne und Mirka den Blog geschrieben und anschließend mit Pastor Gilberts Frau Gloria und deren Hausangestellten gemeinsam das traditionelle Essen auf offenen Flamme zubereitet. Dabei hatten sie die Möglichkeit den Tagesablauf ruandischer Familien kennen zu lernen und sich mit dem 7 Monate alten kleinen Prinz der Familie zu beschäftigen.

Am Nachmittag erreichten die inzwischen stark zementierten Jungs den Kirchvorplatz (Zentrum des Dorfes). Beim Ausladen der 50 kg schweren Zementsäcke, entdeckten sie den bezeichnenden Schriftzug "the tuwist (Tourist) is another man" im rotem Staub des Kotflügels. Pastor Emmanuel interpretierte diesen Satz als Ausdruck dessen, dass die Einwohner uns spätestens jetzt, schwer beeindruckt davon, dass wir im Gegensatz zum Durchschnittsmzungo den Zement selbst verladen hatten, uns nun nichtmehr als Touristen missverstehen würden.

Zum krönenden Abschluss des Tages, bestiegen wir am späten Abend einen der vielbeschriebenen 1000 Hügel Ruandas (ca. 400m) um umser mobiles Internetmodem nutzen zu können und unseren Blog an unsere Mitstreiter nach Deutschland zu schicken.





Erkundungs- und Orientierungstour durch Kiruhura und dem Umland

08.08.2013
Um 08:00 Uhr morgens wurden wir von dem Blöcken der Kühe und dem geschäftigen Treiben der Hausangestellten geweckt. Das gemeinsame Frühstück mit der wie immer obligatorischen Auswahl an Honig und sehr süßer Marmelade, wurde gekrönt mit gutem, landeseigenen Kaffee, Tee und herrlichen Früchten.

Nachdem wir Pastor Emanuel in dem Ort Maya, welcher den Übergang von Asphaltstraße zu 20 km Schotterpiste zum Dorf darstellt, abgeholt hatten, fuhren wir an die 7 km weit entfernte Grenze von Uganda. Dort schauten wir uns eine Healthpost an. Der Krankenpfleger Jean-Paul führte uns durch die Räumlichkeiten und erklärte uns deren Nutzung. Beeindruckend war, dass mit wenig Mitteln doch recht viel medizinische Grundversorgung abgedeckt werden kann.
Die anschließende Führung durch die große Krankenstation in Mulindi, welche von der Regierung Ruandas aufgebaut wurde, gab uns neue Inspirationen zur weiteren Entwicklung unserer Krankenstation. Wie jedes Jahr bot Bernard, stellvertretender Direktor der Station, sowie die Angestellten dort, uns einen ausführlichen Einblick in ihre Arbeit. Die medizinische Ausstattung der Räume und die Laboreinrichtung, war gegenüber dem westlichen Standard recht einfach, aber dem Zweck entsprechend ausreichend.

Gegen 15:00 Uhr holperten und stolperten wir mit unserem Land Cruiser in Richtung Kiruhura, um dort ein verspätetes Mittagessen einzunehmen.

Die letzten anderthalb Stunden vor Einbruch der Dunkelheit nutzten wir, um mit den Kindern Fußball und andere Spiele zu spielen. Diese hatten schon den ganzen Tag sehnsüchtig auf uns gewartet. Um so größer war das Lächeln und das Strahlen der Augen in ihren Gesichtern, als wir mit Gummitwist, Luftballons, Seifenblasen und einem Fußball um die Ecke kamen.

Chris, der achtmonate alte Sohn von Pastor Gilbert und dessen Frau Gloria, hielt uns stehts auf Trab und lockerte die Atmosphäre in unserer kleinen Hausgemeinschaft auf.

Nachdem wir uns eine eiskalte Dusche gegönnt hatten und Jules, Anne und Jean-Paul Pastor Emmanuel zurück nach Maya gebracht hatten, aßen wir in gewohnter Runde zu Abend und es gab jede Menge zu lachen - "Nach Müde kommt Doof!"

So endete unser zweiter schöner Tag in Kiruhura! Wir werden euch weiter auf dem laufenden halten! Zur aktuellen Situation des Baus: Als uns Pastor Emmanuel am Mittag die neu angepasste Kalkulation überbrachten, traf uns ein kleiner Schock. Es sind weitere 3 000 000 RwF (ca. 3600€) innerhalb der nächsten drei Wochen nötig, um den Stand des Baus soweit voranzutreiben, dass er der kommenden Regenzeit stand halten wird.

Deshalb unser dringender Appell an euch: Helft uns und Kiruhura! Jede Spende zählt! Selbst kleine Beträge werden das Projekt retten! Das Projekt läuft sonst Gefahr zu scheitern.





Ein weiterer Weltenwechsel

07.08.2013
Nachdem unsere Wecker uns um 07:00 Uhr morgens aus den Betten schmissen, wir gefrühstückt und gepackt hatten kam Emmanuel und fuhr mit Jules und Jakob in das Büro der EPR, um mit dem Bauleiter Uzziel nochmals die Baupläne zu besprechen. Dieser übergab ihnen die freudige Nachricht, dass André, Verantwortlicher des Ministeriums für Infrastruktur für den Bau medizinischer Einrichtungen, unsere von Jakob konstruierten Baupläne genehmigt hatte.

Währenddessen gingen Anne und Mirka Brot, Kaffee und Marmelade einkaufen, damit wir in Kiruhura uns auch morgens stärken können, da die Einwohner normalerweise nicht frühstücken. Nick lud im Internetcafé wie schon gewohnt unseren Blog hoch.

Gegen Mittag trafen wir uns mit Jean-Paul und kauften drei Matratzen, um in Kiruhura nicht auf dem Boden mit den Spinnen und andere Krabbeltiere schlafen zu müssen. Die Matratzen können auch in den nächsten Jahren von den Deligierten L'appel Deutschlands e.V. benutzt werden, oder auch, wenn Pastor Gilbert Besuch bekommt.

Als wir dann endlich alles erledigt hatten, ging es los ins Dorf. Für unsere Neulinge war die holprige Fahrt wie ein weiteres Kennenlernen des Landes, wobei sie den Unterschied zwischen dem Großstadtgetümmel Kigalis und der gleichmäßigen Hügellandschaft sehen konnten. Sie sahen zum ersten Mal die doch stark vertretene Armut der Landbevölkerung, da z.B. viele kleine Kinder mit schweren Lasten auf dem Kopf an unseren Autos vorbei liefen. Hier auf dem Land ist es üblich, dass schon dreijährige Kinder ihren Eltern bei der Arbeit helfen müssen, während unsere europäischen Kinder in diesem Alter fröhlich im Sandkasten spielen können.

Die letzte halbe Stunde der zweistündigen Fahrt, schlängelten wir uns mit den Autos durch das Gebirge und winkten uns die Arme lahm. Die Kinder erkannten sofort Jules und Mirka, liefen den Autos hinter her und riefen voller Begeisterung deren Namen – „Jüli, Mekka“. Am Kirchvorplatz angekommen, wurden wir von ca. 100 Kindern umzingelt und stürmisch begrüßt. Sie rissen sich um unsere Hände und jeder von uns hatte schnell an jedem Finger ein Kind hängen. Während der Kinderchor des Dorfes uns mit traditionellen Gesängen empfingen, wurden wir auch von den Dorfältesten Kiruhuras begrüßt. Die Wiedersehensfreude war groß. Jakob, Anne und Nick schlossen die Kinder sowie die anderen Einwohner sofort ins Herz.

Danach begutachteten wir das Baugrundstück, welches schon von ca. 2000 selbstgebrannten Steinen umrandet war. Sehr beeindruckt waren wir von der geleisteten Arbeit der Dorfeinwohner, die das Grundstück in den letzten drei Wochen mit einfachem Werkzeug, z.B. Hacken, die Planierung vollständig beendet hatten. Jakob begann sofort mit der Arbeit in seinem Fachgebiet der Bauplanung und vermaß das gesamte Grundstück, um dies mit unseren Bauplänen zu vergleichen. Bei Einbruch der Dunkelheit installierte Jean-Paul, dem L’appel Deutschland e.V. eine Ausbildung als Elektriker ermöglichte , schnell die neue Batterie, damit wir weitere Diskussionen mit Pastor Emmanuel und Pastor Gilbert im Wohnzimmer führen konnten. Nach Sichtung des Geländes führten wir ein erneutes Gesprächs mit Bezug auf die neuen Baupläne. Da es Bedarf gab die Kostenrechnung an die größeren Gebäude anzupassen, versprach uns Pastor Emmanuel am kommenden Morgen die neuen Zahlen zu liefern.





This is Afrika" haut nah...

06.08.2013
Bei unserem morgendlichen Frühstück kurz nach Sonnenaufgang stellten wir fest, dass am heutigen Tag so viel für uns anstand, dass wir uns erst einmal an die Erstellung einer langen To-Do Liste machten.

Erster Tagesordnungspunkt war der Besuch bei Frau Mukamusoni, der Sekretärin der Gesundheitsministerin, um 09:00 Uhr im Gesundheitsministerium. Hierfür machten sich Jakob und Jules mit dem Mototaxi auf den Weg. Zunächst wurden sie am falschen Ministerium abgesetzt und zahlten dem Mototaxi in ihrer Verwirrung nochmal 500 RwF (etwa 80 Cent), um nur 150m weiter gebracht zu werden - typischer Mzungopreis (weißer Mann) aber ein prächtiges zweites Frühstück für den Fahrer.

Ergebnis des Gesprächs war ein neuer Kontakt zum Ministerium für Infrastruktur, sowie ein generelles Bekanntmachen unserer Organisation. Zusätzlich konnten wir noch einige Punkte zu unserem geplanten Bau abklären und uns bestätigen lassen.

Nachdem uns am Morgen zuvor die Hiobsbotschaft überbracht worden war, dass uns der eigentlich zugesagte Geländewagen nicht mehr zur Verfügung stand, ließ Pastor Emmanuel seine Kontakte spielen und organisierte uns kurzer Hand einen neuen Wagen. Wie sich dann herausstellte, wurde das Auto am Morgen noch dazu genutzt, ex-US Präsidenten Bill Clinton, der das Land in den letzten Tagen besucht hatte, zum Flughafen zu bringen.

Vereinbart war ein Treffen mit dem Eigentümer des Autos um 11:00 Uhr, um die Konditionen der Anmietung zu verhandeln. Zu unserer Überraschung kam dieser "nur" 1,5 T.I.A.-Stunden zu spät. Nach einer über einstündigen Verhandlung über Preis und die Versicherungsbedingungen wurde endlich ein Vertrag verfasst und uns unser neues Gefährt, ein Toyota „Land-Cruiser“ übergeben. In der Zwischenzeit fuhr Nick ins Stadtzentrum um den Umgekehrten Generationenvertrag auf Englisch zu übersetzen und Mirka und Anne schrieben den Blog.

Anschließend fuhren wir in das Präsidium der EPR, um uns mit unserem Freund Pastor Pascal und dem Bauleiter der EPR Uzziel zu treffen. Dort tauschten wir die neuesten Informationen aus und diskutierten erneut über Details des Baus der Krankenstation.

Nach einem gemeinsamen Essen mit Pastor Emmanuel im Gasthaus der EPR, trafen wir uns mit Jean-Paul, um die weiteren Aufgaben des Tages zu erledigen, wobei uns Jean-Paul beim dolmatchen sehr hilfreich war.

Hierzu mussten wir als erstes genügend Geld wechseln gehen um zwei Nähmaschinen und Batterien für die Solaranlage in Kiruhura zu kaufen. Dies dauerte, wie zu erwarten war, weitere ca. 4 T.I.A.-Stunden und kostete neben der Zeit auch ordentlich Nerven.

Mit einem aber doch sehr positivem Ergebnis und leerem Magen erledigten wir noch schnell unsere Aufgaben im Internet und fuhren zurück in unser zu Hause Isano.

Dort aßen wir nach einem 15 stündigen Arbeitstag zusammen mit Jean-Paul und erarbeiteten eine To-Do Liste für den Morgen des nächsten Tages an, um später so schnell wie möglich in unser Projektdorf Kiruhura fahren zu können.

Gegen Mitternacht gingen wir dann zum Termin mit unseren Betten, der bis 07:00 morgens eingeplant war um danach unsere nächste To-Do Liste abzuarbeiten und endlich nach Kiruhura aufzubrechen. In Kiruhura selbst werden wir versuchen so oft wie möglich den Blog zu aktualisieren, aber wegen der schlechten Internetverbindung können wir leider nicht versprechen, dass ihr jeden Tag von uns zu hören bekommt. Aber wir geben unser bestes!





Bis die Köpfe rauchen

05.08.2013
Nach einem schnellen Frühstück im Isano fuhren wir mit den Motorrädern zu einem Treffen mit den Pastoren Pascal und Emmanuel im Haus vom Pastor Pascal. Die Mottoradfahrt war wie immer aufregend, da der Fahrer von Nick uns verloren hatte und nur er, wie sich dann heraustellte, den richtigen Weg fuhr und wir zunächst Schwierigkeiten hatten uns wieder zu finden.

Endlich angekommen wurden wir zunächst, mit einem für uns zweitem leckerem Frühstück, von der Familie des Pastor Pascals empfangen.

In einer sechstündigen Disskusion, die wie immer unter dem Motto "T.I.A" lief, besprachen wir erneut die Baupläne der Krankenstation und die und noch bevorstehende Arbeit im Dorf. Außerdem bekamen wir verschiedene Alternativen zum Thema Stromversorgung der Krankenstation und des Dorfes und kreeirten ein Konzeptentwurf des Projektes für eine Schneiderausbildung in Kiruhura.

Nach dem sehr anstrengendem Gespräch (und gefühlten hunderten Kaffees und Tees), bekamen wir von Pastor Pascals Frau Louise ein leckeres traditionelles Mittagessen, welches uns wieder Energie für den restlichen Tag gab. Vor unserer Abreise beschenkten wir die Pastoren und die Familie mit unseren Gastgeschenken, worüber sie sich sehr freuten, da europäische Dinge immer etwas besonderes sind, vorallem für die Kinder Gallilée, Elisabeth und Chance.

Dann spazierten wir circa eine halbe Stunde mit Pastor Emmanuel in das Zentrum der Stadt, wo wir die Möglichkeit hatte einen freien Kopf zu bekommen und gingen zur Bank of Kigali um Informationen über die Gründung eines Vereinskontos einzuholen. Im Internetcafé, im welchen wir mittlerweile schon bekannte Gesichter sind, schrieben wir an unserem Blog und arbeiteten ein Protokoll der Disskusion aus, um unseren daheimgebliebenen Kollegen auf dem neusten Stand zu bringen. Zusätzlich beendete Nick die Übersetzung des "umgekehrten Generationenvertrages", sodass wir diesen am Dienstag mit unserem Stipendiaten Dan unterzeichen können.

Spät am Abend aßen wir mit Jean-Paul im Café Simba zu Abend, was für ihn immer etwas besonderes ist, da er nicht oft die Möglichkeit hat solch ein Essen zu essen. Dementsprechend bestellte er sich einen leckeren Beefburger mit Pommes und kennt nun die Übersetzung vom Englischen in das Deutsche "Ich bin satt bzw. voll!".

Im Isano angekommen besprachen und diskutierten wir nochmals die erarbeiteten Punkte und fielen schließlich erschöpft ins Bett.





Ein sportlicher Tag mit vielen netten neuen Bekanntschaften

04.08.2013
Nach zwei aufregenden Tagen in Kigali wurden wir am Sonntag morgen von Kirchengesängen geweckt und gönnten uns ein spätes Fruehstück in unserer Unterkunft Isano. Danach schrieben wir den Blogeintrag des vorherigen Tages und planten die interne Organisation für weitere Vorhaben.

Anschließend besuchten wir das Waisenheim CPAJ ( Centre Presbyterian pour l`amour des jeunes), welches eine von der Presbyterianischen Kirche geführte Einrichtung ist. Dort finden etwa 30 Straßenkinder einen Schlafplatz, eine warme Malzeit am Tag und werden mit Schulgeld unterstützt. Als Gastgeschenk brachten wir den Kinder einen Basketball mit, der direkt für ein spannendes Basketballspiel mit uns eingesetzt wurde. Jules und Mirka staunten nicht schlecht als sie einige Kinder vom letzten Jahr sahen, welche sich überraschend positiv weiter entwickelt hatten.

Wir führten mit den Kindern intensive Gespräche, wodurch wir einen Einblick in ihr Leben und ihre Vergangenheit bekamen, spielten und malten mit ihnen. Die Kinder waren sehr interessiert zu wissen, wie unser Leben in Deutschland ist, was einem selber nochmal den doch sehr traurigen Unterschied ihrer und unserer Welt vor Augen führte. Doch die Freude und Herzlichkeit der Kinder, trotz ihrer Lebensumstände, ist immer wieder beeindruckend und lässt unser Herz wieder lachen!

Nach einem “Sportmarathon” und vielen netten Unterhaltungen. fuhren wir mit unseren Lieblingsverkehrsmittel, dem “Moto-Taxi”, zurück in das Zentrum der Stadt. Dort trafen wir uns mit einem Händler um ein Auto für Kiruhura zu mieten, um unter anderem die Nähmaschienen dort hin transportieren zu können.

Abends erledigeten wir im Internetcafe verschiedenene Aufgaben, wofür wir uns nochmals zwei Stunden Zeit nahmen.

Nach einem doch wiederum langen Tag gingen wir in das Hotel Milles Collines , welches aus dem Film “ Hotel Ruanda” bekannt ist. Dort aßen wir zu Abend und ließen den Tag revue passieren.





Geschichte, Kultur und Organisation

03.08.2013
Erste Nacht – zweiter Tag. Wir sind noch keine 24 Stunden hier, haben aber bereits das Gefühl tagelang im Land zu sein. Es saugt einen mit all den Eindrücken und starken Emotionen auf und die Herzlichkeit und uneingeschränkte, ehrliche Gastfreundschaft nimmt einem schnell das Gefühl der Fremde.

Die Auseinandersetzung mit der Geschichte des Landes ist, wie für jeden Neuling in Ruanda, ein ganz wichtiger Teil im Prozess die Menschen und die Kultur besser zu begreifen. Dazu zählt vor allem der Besuch der Genozid-Gedenkstätte. Da dies immer eine sehr ergreifende und einschneidende Erfahrung ist, war es uns unheimlich wichtig sich ausreichend Zeit für Gedanken und Reflexion zu nehmen.

Während dessen konnten sich Jules und Mirka, die in den letzten Jahren bereits die Gelegenheit nutzten sich mit der Vergangenheit des Landes auseinander zu setzen, weiter um organisatorische Dinge kümmern. Einige Ziele der diesjährigen Delegation sind der Kauf einer Nähmaschine für Kiruhura und der Erwerb neuer Batterien für die Solaranlage im Dorf. Hierfür trafen sich Mirka und Jules mit unserem Freund Jean-Paul, da dieser sie als Einheimischer bei den Kaufverhandlungen unterstützen wollte. Nach vielen Gesprächen und langwierigen Verhandlungen mit verschiedenen Händlern gelang es ihnen, nach einem halben Tag, endlich faire Angebote für diese beiden Projekte zu finden. Darüber hinaus möchte uns Jean-Paul bei der Suche nach einem erschwinglichen Mietwagen unterstützen. Als schöner Abschluss dieses anstrengenden Nachmittages führte uns Jean-Paul in ein Café, welches einen wunderschönen Panoramaausblick über die Stadt bot.

Abends trafen wir uns mit unseren Freunden Albert (Schwager des Vizepräsidenten der presbyterianisch Kirche Ruandas Pastor Pascal Bataringaya), Jean-Paul und Dan in unserem Gasthaus Isano, um den Tag mit Spielen und kulturellen Austausch ausklingen zu lassen.





Landung im Land der tausend Hügel

02.08.2013
Nach einer langen, aber überraschend unbeschwerlichen, 16-stündigen Reise kamen wir endlich am Flughafen in Kigali an. Kaum ein paar Meter hinter der Passkontrolle wurden wir auch schon von unserem Freund Pastor Emmanuel und seinem Fahrer Albert empfangen und begrüßt.

Wie jedes Jahr wurden wir sehr herzlich in unserer Bleibe „ Isano“ mit einem köstlichen ruandischen Essen empfangen. Dabei hatten wir schon Gelegenheit erste organisatorische Punkte mit Pastor Emmanuel zu besprechen.

Highlight des Tages war schließlich doch der erste intensivere Kontakt zur Gesellschaft und Kultur in der Hauptstadt Kigali, nachdem wir uns gegen Nachmittag auf den Weg in das Stadtzentrum machten. Unsere Ruanda-Neulinge – Nick, Jakob und Anne – konnten hier hautnah miterleben was This is Africa (TIA) bedeutet.

Geld gewechselt, Telefonkarten gekauft, Stundenlang gewartet – aber unheimlich nette Menschen getroffen und viel gelacht.

Besonders aufregend war die abenteuerliche Moto-Taxifahrt durch das Gewusel der abendliche Rush-Hour zu unserem ersten Termin. Wir besuchten das Treffen des Rotaract Club Kigali City, eine Jugendorganisation von Rotary. Hier konnten wir den Abend mit jungen (18-30 Jahre), motivierten, engagierten und organisierten Menschen verbringen und neue, fruchtbare Verbindungen knüpfen.

Danach verbachten wir den restlichen Abend mit unseren Freunden und Stipendiaten Jean-Paul und Dan. Besonders für Mirka und Jules war es ein unheimlich schönes Wiedersehen. Nick, Anne und Jakob freuten sich darüber die aus so vielen Erzählungen bekannten, langjährigen Lappel-Freunde endlich kennen zu lernen und erfuhren, ebenso wie am ganzen Tag, die Offenherzigkeit, Freundlichkeit und vor allem Leichtigkeit der ruandischen Bevölkerung kennen.